Er gehörte zum Vereinsinventar, verschwand und kam in prominenter Funktion zurück. Benjamin Weber passt zur Hertha-Geschichte der letzten 20 Jahre. Und soll sie nun zum Positiven verändern. Auch wenn er das niemals so sagen würde. Von Ilja Behnisch
Dafür, dass er einer der Köpfe hinter dem "Berliner Weg" sein soll, den Fußball-Zweitligist Hertha BSC ausgerufen hat, um zurück zu alter Stärke aber auf jeden Fall mal in die erste Liga zu finden, redet Benjamin Weber (43) ziemlich un-berlinerisch daher. Immerhin weiß der Sportdirektor der Hertha das selbst. Er würde es vermutlich sogar noch schaffen, dem grauen Berliner Matsch-Winter - Ende Oktober bis Ende April - etwas Positives abzugewinnen. Gut fürs Grundwasser, oder so.
Von Natur aus ein positiver Mensch sei er, sagt er beim Dreh mit dem rbb-Fernsehen, und dass das schon ganz untypisch sei für einen Berliner, bei denen doch ansonsten eher gelte: "Nicht gemeckert ist schon Lob genug!" Dann muss er lachen, der Mann, der seit Anfang des Jahres im Amt ist und doch so viel Hertha im Lebenslauf stehen hat.
2003, noch während des Sportwissenschafts-Studiums, nimmt er erstmals beruflich Tuchfühlung zum Verein auf. Und bleibt. Weber durchläuft mehrere Stationen, am Ende findet er seine Berufung in der Nachwuchsarbeit. 2014 wird er Leiter der Hertha-Akademie. Vor allem zwischen 2016 und 2018 wird der Bereich unter ihm in jeglicher Hinsicht auf den Kopf gestellt.
Auch baulich tut sich viel auf dem Olympiagelände. Und obwohl Weber sagt, in Mathe lediglich "ok" gewesen zu sein, scheint er ein Zahlenmensch zu sein. Im Fußball zählen eben Ergebnisse. Und wenn sie sich in Quadratmetern messen lassen. "Wir haben hier auf fast 2.000 Quadratmetern die Möglichkeit, mit den Kindern und Jugendlichen zu arbeiten", sagt Weber, "fast 250 Kinder können wir hier fördern und fordern." Klar, nicht jeder könne es packen, aber seit Gründung der Akademie 2001 hätten es immerhin "knapp über 80 Spieler in den Profi-Fußball geschafft".
Herthas Nachwuchs, das will Weber sagen, war schon immer gut. Er kam nur nicht immer und zumindest nicht mit Nachdruck in der Profimannschaft an. Das soll sich nun ändern. Auch dafür haben Sie ihn zurückgeholt, nachdem es im Februar 2022 zunächst einen Abschied gegeben hatte. Der fiel unter die Ägide von Fredi Bobic und soll, so hört man, atmosphärisch nicht ganz so harmonisch verlaufen sein. Doch Weber hat sich weder unmittelbar nach dem Abschied noch danach negativ geäußert. Ganz der positive Typ eben.
Als der Sport-Geschäftsführer Bobic Ende Januar 2023 Geschichte war und Weber von einem Tag auf den anderen zumindest einen Teil seiner Aufgaben übernehmen sollte, war die Sache schnell klar: "In deinem Verein diese Chance zu bekommen, da habe ich nicht lange überlegt." Er habe gewusst, worauf er sich einlasse, sagt er noch, sowohl sportlich als auch finanziell. Für die Transferphase in diesem Sommer bedeutete dies: "Transferüberschuss erwirtschaften und Personalkosten signifikant senken." Ist ihm gelungen, so viel steht fest. Ein Lob nimmt er dafür aber nicht an, wie er eigentlich nie eines annimmt, weil alles, was sich in diese Richtung verdächtigt, sofort umgeleitet wird in wohlige Floskeln von "Teamarbeit", oder, noch sexier, "Gremienarbeit".
Das sportliche Problem der Hertha: Der fertige Kader hat angesichts der schwierigen Gemengelage lange auf sich warten lassen. "Eigentlich müsste man jetzt starten", sagt Weber, aber es sind eben schon fünf Spiele gespielt. Fünf Spiele, aus denen Hertha drei Punkte und Platz 17 geholt hat. Doch er ist eben ein positiver Typ, dieser Benjamin Weber und deshalb sicher, dass das schon wird. Der Mix der Mannschaft jetzt sei gut und man bleibe bei der Philosophie, zumindest die Kaderplätze 17-20 mit Spielern aus der eigenen Akademie zu belegen. Die Durchlässigkeit von Nachwuchsspielern zu Profis, sie soll endlich gelebt werden.
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Benjamin Weber ist kein brillanter oder mitreißender Redner, niemand, dem man problemlos eine Zweit-Karriere als Motivationscoach zutrauen würde. Vertrauen würde man ihm aber wohl vermutlich ziemlich schnell in ziemlich vielen Dingen. Vielleicht liegt es daran, dass er nicht gern über sich zu reden scheint. Wer Egozentrik vermeidet, macht sich selten verdächtig. Vielleicht daran, dass er Dinge sagt wie: "Du darfst Dir nie zu schade sein, auch mal zuzuhören. Ob es nun bei einem Elternteil oder Trainer ist." Oder Dinge wie: "Wir wollen sagen, wie es ist. Keine Versprechungen machen."
Sehr berlinerisch klingt auch das nicht. Dafür nach etwas, was Hertha BSC in dieser Situation sehr gut gebrauchen kann.