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Video: rbb24 | 20.09.2023 | Torsten Michels | Quelle: picture alliance/dpa

Extrem-Marathonläuferin im Interview

"Wollte herausfinden, wie weit man die Grenzen ausreizen kann"

In 140 Tagen ist die Berlinerin Joyce Hübner 120 Marathons gelaufen, entlang der deutschen Grenze. Nun kam sie nach 5.200 Kilometern in Frankfurt (Oder) ins Ziel. Im Interview spricht sie über die schönsten Begegnungen und ihre Todesangst auf einer Etappe.

rbb|24: Frau Hübner, herzlichen Glückwünsch, Sie haben es geschafft. Hinter Ihnen liegen 120 Marathons entlang der deutschen Grenze in nur 140 Tagen.

Joyce Hübner: Dankeschön. Ich bin erleichtert und bin auch ein bisschen froh, dass es vorbei ist. Aber mir geht es großartig.

Beschreiben Sie bitte den Moment, an dem Sie in Frankfurt (Oder) durchs Ziel gelaufen sind.

Es war spektakulär, fast episch – jedenfalls in meiner Welt. Das letzte Stück der Strecke wurde durch die Polizei abgesperrt. Mit den Menschen, die mich begleiteten, konnte ich über die normale Verkehrsstraße laufen, in Richtung Brücke, wo mich eine Masse an Zuschauern erwartete und dabei applaudierte und die Handys zückte, um zu filmen. Es kam mir ein bisschen vor, wie auf einem Konzert. Dann bin ich vorbei an der Menschenmasse zum Zielband gelaufen, dahinter habe ich auch schon meinen Freund gesehen, der mich freudestrahlend und emotional umarmt hat, obwohl er sonst gar nicht so emotional ist.

Quelle: picture alliance/dpa

"Joyce an ihrer Grenze", steht doppeldeutig auf Ihrer Website. Warum haben Sie Lust darauf, an Ihre Grenzen zu gehen?

Der Spruch beinhaltet mehrere Aspekte. Zum einen möchte ich ausdrücken, dass ich nicht aus dem Leistungssport komme, sondern mich einfach ausprobieren möchte. Ich will zeigen: Man muss kein Vollprofi sein, um eine tolle Sache zu schaffen, sondern es geht darum, auch mal die Arschbacken zusammenzukneifen. Ich wusste, dass es schwer wird, aber ich wollte herausfinden, wie weit man die Grenzen ausreizen kann, um sich den Traum zu verwirklichen, den man im Kopf hat.

Interview | Extremläuferin Joyce Hübner

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Vor gut zwei Wochen ist die Berlinerin Joyce Hübner in ein Mammut-Laufprojekt gestartet: In 140 Tagen will sie die deutsche Grenze ablaufen. Im Interview erzählt die 35-Jährige, wie sie auf diese Idee kam und welche Herausforderungen sie dabei erwarten.

Was war Ihre größte Grenzerfahrung?

Es gab verschiedene. Auf einer Bergetappe in Bayern, da hatte ich tatsächlich Todesangst. Ich hatte in dem Streckenabschnitt einen Mitläufer dabei – es haben sich ja durch meine Aufrufe über die sozialen Medien an jedem Tag Läufer dazugesellt – und wir waren auf einem Felsen und die Beine baumelten teilweise 50 Meter in die Tiefe. Jeder Stein, an dem wir uns festgehalten haben, ist in der Hand zerbröselt. Für einen Kilometer haben wir zweieinhalb Stunden gebraucht, weil es einfach so gefährlich war. Ein paar Tage später in den Bergen wartete die nächste große Herausforderung.

Erzählen Sie.

Ich hatte einen leichten Magen-Darm-Infekt. Und wie das eben so ist, war ich sehr angeschlagen an dem Tag, nichts bleibt im Körper. Trotzdem bin ich den Marathon gelaufen. Der war sehr zäh. Es waren sehr viele Geh-Passagen dabei. Es war körperlich eine Grenzerfahrung.

Dachten Sie zwischendurch ans Aufgeben?

Nein, zu keinem Zeitpunkt. Es war klar, dass es anstrengend wird. Aber ich habe mir immer wieder gesagt, dass ich ja 12 Stunden am Tag Zeit für die Strecke habe. Wenn es also mal nicht so lief wie gewünscht, dann konnte ich es ruhiger angehen oder auch mal gehen. Und so war es auch an dem Tag mit dem Infekt.

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Was haben Sie während des Laufabenteuers über Deutschland gelernt?

Die Hilfsbereitschaft und Offenheit der Menschen hat mich am meisten überrascht. Vorher hatte ich ein wenig Schubladen-Denken, dass es so manche Bundesländer gibt, in denen die Menschen etwas verhaltener sind - keine Ahnung, ob das vielleicht aus der Erziehung kommt oder aus der Gesellschaft heraus. Aber ich habe stets das Gegenteil erfahren. Es gab so viele Menschen, die mich unterstützen wollten, zum Beispiel, indem sie mir ihre Waschmaschine bereitgestellt haben, mir Snacks mitgebracht haben oder sogar eine Physiotherapie anboten. Das hat mich extrem überrascht.

Was war Ihre schönste Begegnung?

Es waren so viele. Ganz genau habe ich es noch nicht ausgerechnet, aber es haben mich auf den einzelnen Etappen mehr als 2.000 Leute begleitet. Und die Begegnungen mit diesen Menschen waren fast schöner als die großartige Landschaft – obwohl auch die wirklich nicht zu unterschätzen ist, Deutschland ist wahnsinnig schön.

Menschen sind zu mir an die Strecke gekommen, haben teilweise ihren ersten Marathon mit mir gemeinsam erlaufen. Einige Menschen sind einfach gekommen, um sich zu bedanken für die tägliche Motivation durch das, was ich jeden Tag auf den sozialen Medien geteilt habe.

Klingt auch nach viel Organisation abseits des Sports. Wie groß war das Team um Sie herum?

Das Team bestand nur aus meinem Freund, dem Auto und mir selber. Das Auto war dabei wie unser zweites zu Hause. Wir haben die Rücksitzbank ausgebaut und dort meine Schuhe, Klamotten und alles mögliche drin gehabt. Mein Freund ist alle fünf Kilometer an die Strecken rangefahren, um mir Verpflegung zu bringen, damit ich nicht so viel mit mir herumtragen muss. Er hat das meiste der Organisation übernommen, er hat dafür gesorgt, dass alles reibungslos funktioniert und ich nur noch laufen muss.

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Wo haben Sie übernachtet?

Wir hatten die unterschiedlichsten Unterkünfte. Wir haben in einem Campingwagen geschlafen, auf der Couch von Leuten, die wir vorher gar nicht kannten, in Bungalows. Meistens haben wir online gebucht und haben uns da auch vom Preis leiten lassen. Wir mussten es so kostengünstig wie möglich gestalten, weil man Freund ich beide unbezahlten Urlaub genommen haben. Deswegen war das Credo, es muss günstig sein und möglichst nah am Start- und Ziel des nächsten Tages liegen.

Welche Rituale hatten Sie, um durchzuhalten?

Direkt nach dem Lauf sind wir immer zielgerichtet ins nächste Restaurant gefahren. Essen ist ja gemeinsam mit Schlafen das wichtigste bei der Regeneration. Nachmittags habe ich mich immer für eine Stunde in eine Art Massagestiefel gelegt. Währenddessen habe ich meine Social-Media-Kanäle bespielt. Und dann kam es darauf an, möglichst früh schlafen zu gehen.

Wie geht es nach so einem extremen Erlebnis weiter?

Am Sonntag steht der Berlin-Marathon an, da werde ich mitlaufen. Das heißt, ich werden in den nächsten Tagen meine Startunterlagen abholen. Ich werde meine Familie und viele Leute treffen, die ich vier Monate lang nicht gesehen habe. Nächste Woche laufe ich noch den Köln-Marathon. Ruhig wird es also erst mal nicht. Am 1.11. muss ich wieder im Büro erscheinen.

Welche Bedeutung hat der anstehende Berlin-Marathon für Sie?

Ich laufe dort, weil es mein Heimatmarathon ist. Ich wohne ja hier. Wenn eine so tolle Laufveranstaltung in Berlin stattfindet, dann muss man die mitnehmen. Aber ich werde es ganz entspannt angehen. Ich will es einfach zelebrieren, dass ich wieder zurück bin in der Stadt und ganz gemütlich ins Ziel laufen ohne irgendwelche konkreten zeitlichen Wünsche.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Shea Westhoff, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 21.09.2023, 18 Uhr

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