BPRSV Cottbus
Der BPRSV Cottbus drückte den Paralympics 2021 in Tokio seinen Stempel auf. Ein Jahr vor den paralympischen Spielen 2024 in Paris darf erneut von großen Erfolgen geträumt werden. Auch bei Para-Radsportlerin Maike Hausberger. Von Thomas Juschus
67 große Ehrenplaketten in den Farben Gold, Silber und Bronze sind im Gehweg vom dem Cottbuser Rathaus in den Boden eingelassen und erinnern an die Erfolge Cottbuser Sportlerinnen und Sportler bei Olympischen und Paralympischen Spielen. Allein elf dieser Erinnerungsstücke kamen nach Tokio 2021 neu dazu.
Neben Bahnradsportlerin Emma Hinze, die Silber im olympischen Teamsprint gewann, sorgten vor allem die Para-Sportler vom Brandenburger Präventions- und Rehabilitationssportverein (BPRSV) für Furore. Zwei Gold-, zwei Silber und sechs Bronzemedaillen brachten die Athletinnen und Athleten in den Sportarten Radsport, Leichtathletik und Schwimmen aus Japan mit zurück. "Wieder zehn Medaillen zu gewinnen, halte ich für sehr, sehr ambitioniert. Wenn wir die Hälfte schaffen, wäre ich nicht unglücklich", sagt Ralf Paulo, Bundesstützpunktleiter in Brandenburg für Paralympische Sportarten, rund ein Jahr vor dem Beginn der Paralympics (28. August bis 8. September).
Die Chancen auf ein medaillenträchtiges Abschneiden scheinen zwölf Monate vor Paris indes erneut groß. Bei den Para-Weltmeisterschaften in diesem Sommer in der Leichtathletik (in Paris), im Schwimmen (Manchester) und im Radsport (Glasgow) setzten sich die Brandenburger Athletinnen und Athleten wieder stark in Szene und schürten Hoffnungen für 2024. Leichtathletin Frances Herrmann aus Cottbus gewann in der Olympia-Stadt bereits Silber mit dem Speer, Schwimmerin Verena Schott – in Tokio mit dreimal Bronze dekoriert - holte zweimal Gold und einmal Silber.
Gina Böttcher vom SC Potsdam gewann Silber und zweimal Bronze. Besonders erfolgreich waren aber wieder die BPRSV-Radsportler: zehn Medaillen (3/2/5) standen nach der "Super-WM" in Glasgow zu Buche. Und vor allem Maike Hausberger fuhr sich dort mit zwei Weltmeister-Titeln und drei Bronze-Medaillen ins Rampenlicht.
"Die Erfolge bei der WM kamen sehr unerwartet und waren sehr emotional für mich", schaut Hausberger mit etwas Abstand auf die Tage in Schottland zurück. Gold im Scratch-Rennen auf der Bahn und im Zeitfahren auf der Straße, dazu jeweils Bronze im Zeitfahren und Omnium auf der Piste sowie Platz drei im Straßenrennen lautet ihre imponierende Bilanz.
Seit 2018 lebt und trainiert die aus Butzweiler in der Nähe von Trier stammende Hausberger in Cottbus und hat hier den Aufstieg zu einer Weltklasse-Para-Radsportlerin hingelegt. "Vor allem mit dem Titel auf der Bahn hatte ich überhaupt nicht gerechnet", sagt Hausberger, die 2019, 2021 und 2022 schon WM-Titel auf der Straße gewinnen konnte.
Zweimal war die angehende Lehrerin, die in Senftenberg Grundschulpädagogik studiert ("Für mich ist es unheimlich wichtig, ein berufliches Standbein zu haben."), bereits als Leichtathletin bei den Paralympics (u.a. Platz vier im Weitsprung in Rio de Janeiro).
Verletzungsprobleme am Sprunggelenk führten sie nach einem Intermezzo beim Para-Triathlon zum Radsport - und ins 800 Kilometer von der Heimat entfernte Cottbus. "Ich brauchte damals eine Veränderung. Nach einem Gespräch mit Stützpunkt-Leiter Ralf Paulo ging alles sehr schnell", erinnert sich Hausberger an ihre Anfänge in Süd-Brandenburg.
Nach inzwischen fünf Jahren in Cottbus fühlt sich die 28-Jährige längst angekommen. Hausberger singt im Chor, spielt Konzerte mit ihrem Waldhorn und verbringt auch viel Zeit mit Freund Tobi. "Heimat ist für mich aber weiter die Eifel, der Ort, an dem meine Familie und meine Freunde leben. Cottbus ist aber für mich auch Zuhause geworden - hiermit verbinde ich vor allem meinen Alltag", sagt sie.
Und der besteht vor allem aus Training. "Ich mag den Spreewald total, hier kann man auf sehr guten und nicht viel befahrenen Straßen sehr gut lang und flach Rad fahren", sagt Hausberger. Und daneben schätzt sie vor allem die Bedingungen am Bundesstützpunkt in Cottbus. "Wir haben hier alle Einrichtungen eng zusammen, keine langen Wege. Es herrscht eine familiäre Atmosphäre, trotzdem werden wir stark betreut", so Hausberger, die sich im Juni entschlossen hat, sich nach mehreren Jahren bei Trainer Renee Schmidt vom Berliner Markus Wähner betreuen zu lassen.
Drei hauptamtliche Trainer pro Sportart kümmern sich inzwischen um die Sportlerinnen und Sportler. Auch eine Trainingswissenschaftlerin und ein Talentscout arbeiten am Bundestützpunkt. "Brandenburg ist ein Land, dass den Sport besonders gut fördert. Drei von sieben Bundesstützpunkten im Para-Sport sind in Brandenburg. Das zeigt: Wir sind im Verhältnis zu anderen Bundesländern sehr gut aufgestellt - aber natürlich ist die Situation immer noch ausbaufähig", sagt Ralf Paulo, "aber es bewegt sich weiter positiv nach vorne." Beispiel: Im Zuge des Strukturwandels wird das gesamte Sportzentrum barrierefrei ausgebaut - und es soll ein Paracycling-Center am Standort Cottbus geben.
Trotz ihrer Erfolgsgeschichte bei der WM in diesem Jahr ist aber längst nicht klar, ob Maike Hausberger im nächsten Jahr zum dritten Mal nach 2012 und 2016 an den Paralympics teilnehmen wird können. "Paris ist natürlich das große Ziel. Es wird aber keine einfache Sache", sagt Hausberger. Bei den Paralympics sind die Startplätze deutlich limitierter als bei einer WM. Beispiel Radsport: Nur 220 Radsportler:innen (140 Männer, 80 Frauen) sind in Paris dabei. Die Nationen müssen vorher sogenannte "Slots" einfahren; bei Hausberger, die seit Geburt von einer Unterfunktion der linken Körperhälfte (Hemiparese) beeinträchtigt ist, kommt hinzu, dass ihre Startklasse C2 in Paris zusammen mit den Startklassen C1 und C3 gewertet wird. "Maike ist eine Vollblutsportlerin. Sie hat sich hier supergut entwickelt. Trotzdem wird die Qualifikation nicht einfach, weil sie in Paris auch gegen Konkurrenten fahren muss, die leichter behindert sind", sagt Ralf Paulo. Heißt: Der Bundestrainer könnten einen der "Slots" an eine Sportlerin mit größeren Medaillenchancen vergeben.
Der schwierige Qualifikationsweg für Paris 2024, der im Radsport nach einer weiteren Bahn-WM in Rio de Janeiro im März und mehreren Weltcups auf der Straße erst im Juni nächsten Jahres endet und mit der offiziellen Nominierung durch den Deutschen Behindertensportverband (DBS) am 17. Juli seinen Abschluss finden wird, bereitet auch Ralf Paulo Kopfzerbrechen. "Aufgrund des Slot-Systems werden wir deutlich weniger Athlet:innen in Paris haben als wir Bundeskader haben", sagt der 59-Jährige. Zudem rechnet er international mit erheblichen Leistungssteigerungen im Vergleich zu den Weltmeisterschaften in diesem Sommer: "Wenn wir da nicht mitziehen können, wird es schwierig. Alle Sportler müssen weiter performen und ihre Leistung steigern", fordert Paulo. 15 Medaillen sollen der olympische und paralympische Sport zusammen in Frankreich im nächsten Jahr gewinnen - sieben davon die Para-Sportler.
"Wenn wir genügend Leute dabei haben, wird es möglich sein, die Medaillen zu holen", ist Paulo optimistisch. "Eine gute Basis wäre, wenn wir zwischen sieben bis zehn Teilnehmer in Paris hätten." Eine davon möchte Para-Radsportlerin Maike Hausberger sein. Und dort natürlich ihre persönliche Erfolgsgeschichte fortschreiben.
Sendung: rbb24, 05.09.2023, 18 Uhr
Beitrag von Thomas Juschus
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