FAQ zur EM in Brandenburg/Havel
Erstmals findet in dieser Woche eine Kanu-Polo-EM in Brandenburg statt. Aber wie funktioniert Kanu-Polo überhaupt? Was macht den Reiz des Spiels aus? Und wer sind die EM-Favoriten? Von Fabian Friedmann
Kanu-Polo ist eine Mischung aus Handball, Basketball und einer Prise Rugby. Eine Mannschaft kann aus bis zu acht Spielern bestehen, allerdings ist es nur jeweils fünf Spielern pro Team erlaubt, gleichzeitig auf dem Feld zu sein.
Die Kajaks, in denen die Spieler sitzen, sind genormt. Sie dürfen maximal drei Meter lang sein und müssen mindestens sieben Kilo wiegen.
Gespielt wird beim Kanu-Polo mit einem Wasserball auf einem rechteckigen Spielfeld (23 Meter breit und 35 Meter lang), zumeist auf stehenden Gewässern, also Seen oder Kanälen. An den kurzen Seiten des Feldes befinden sich die Tore. Sie haben eine Größe von 1 mal 1,5 Metern und sie sind so angebracht, dass sich die untere Torlatte 2 Meter über der Wasseroberfläche befindet. Auf diese Weise kann der Torwart das Tor mit einem Paddel verteidigen. Als Torwart gilt derjenige Spieler, der sich am nächsten unter dem zu verteidigenden Tor befindet.
Die Spielzeit beträgt zweimal 10 Minuten mit einer dreiminütigen Halbzeitpause. Ein Tor kann mit der Hand erzielt werden. Ähnlich wie im Wasserball wird versucht, durch schnelle Kombinationen innerhalb der Mannschaft zu einem freien Torwurf zu gelangen. Jedes Team hat 60 Sekunden für einen Wurfversuch. Erfolgt dieser, wird die sogenannte "Shot clock" neu gestartet.
"Es ist eine sehr dynamische Sportart", sagt EM-Organisationsleiter Frank Göbel, gleichzeitig 1. Vorsitzender des Kajak-Club Nord-West Berlin. Ist beispielsweise ein Tor gefallen, so muss die Mannschaft, die das Tor geworfen hat, schnellstmöglich zurück in ihre eigene Spielhälfte fahren. Der Wiederanpfiff wird ausgeführt, sobald der Ball auf der Mittellinie liegt, und zwar auch dann, wenn bis zu zwei Spieler der nun verteidigenden Mannschaft noch nicht in ihre eigene Spielhälfte zurückgekehrt sind. Dadurch werden leicht Überzahl-Situationen geschaffen.
Die kurze Spieldauer ist der Schnelligkeit und dem enormen Konditions- und Kraftaufwand für die Spieler geschuldet. "Kanu-Polo paart Athletik und Dynamik mit Geschwindigkeit. Es ist ein permanenter Fight", sagt Frank Göbel. Ein "Rüberfahren" mit den Kanus über die Gegenspieler ist beispielsweise erlaubt. "Da passiert aber zumeist nichts, denn die Kanus sind rund gebaut", erklärt Göbel. Obwohl es manchmal brutal aussieht, gebe es so gut wie keine Verletzungen. Helme und Westen dienen darüber hinaus zum Schutz der Spieler.
Wird mit dem Paddel aber etwa die Hand des Gegenspielers getroffen, pfeifen es die Schiedsrichter sofort ab. Sollte ein Spieler dennoch zu sehr über die Stränge schlagen oder absichtlich das Spiel verzögern, so gibt es Strafen: Die Grüne Karte bedeutet Verwarnung, eine Gelbe Karte impliziert eine Zeitstrafe und die Rote Karte sorgt für einen Spielausschluss.
Körperkontakt ist aber ausdrücklich erlaubt. So darf der Spieler in Ballbesitz vom Gegner geschubst oder abgedrängt werden, um ihn so zum Kentern zu bringen. Das macht das Spiel sehr dynamisch, denn die Spieler kämpfen häufiger auf engstem Raum um den Ball. Eine gute Athletik und Kondition helfen den Spielern dabei, diese Zweikämpfe zu gewinnen und anschließend schnelle Gegenangriffe zu starten. Viele Kanu-Polo-Spieler verfügen deshalb über eine enorme Oberarmmuskulatur.
"Deutschland ist definitiv einer der Favoriten", sagt Frank Göbel. Schließlich sei man auch der amtierende Weltmeister. Weitere Titelanwärter bei den Senioren sind Italien, Frankreich und Großbritannien. Die aktuell bekannteste Figur des Kanu-Polo-Sports ist der italienische Trainer Luca Bellini. Laut Göbel ist der "sowas wie der Messi des Kanu-Polo-Sports". Bellini wird in Brandenburg an der Havel aber nur vom Ufer aus seine italienische Nationalmannschaft coachen, obwohl er nach wie vor aktiv in der deutschen Bundesliga spielt, derzeit beim RKV Berlin.
Die Leistungsträger der deutschen Mannschaft sind Kapitän Jonas Vieren (WSF Liblar) und Torhüter René Kirchhoff vom KSV Havelsbrüder Berlin, dem amtierenden deutschen Meister. "René ist aus meiner Sicht aktuell der weltweit beste Torhüter", so Göbel. Das deutsche Nationalteam der Damen komme dagegen sehr über das Kollektiv, da könne man keine Spielerin herausheben.
Die Europameisterschaft ist fast schon gleichbedeutend mit einer Weltmeisterschaft, denn die besten Nationalteams kommen mittlerweile alle aus Europa. Rekord-Europameister bei Damen und Herren ist Deutschland mit sieben, beziehungsweise acht Titeln. Wobei die deutschen Damen bei der letzten EM in Italien den Französinnen den Vorzug lassen mussten. Die deutschen Herren sind der Titelverteidiger.
"Wenn man sportaffin ist, dann sollte man sich eine Sportart, die so tempo- und actionreich ist, nicht entgehen lassen", sagt Frank Göbel. Bei den Spielen geht es häufig hin und her. Zweikämpfe und statisches Spiel wechseln sich mit Würfen und sehenswerten Rettungsversuchen der Torhüter ab. Schon der Beginn des Spiels ist spektakulär: Mit dem Anpfiff wird der Ball in die Mitte des Spielfeldes geworfen und je ein Spieler jeder Mannschaft sprintet los, um in Ballbesitz zu gelangen. Hier kommt es häufig zu aufsehenerregenden Auffahrunfällen.
Für die EM-Spiele gibt es einen Livestream für jeweils alle vier Spielfelder. Auf der Seite poloeca2023.org wird auf den vier Kanälen jeweils auf Englisch kommentiert. Außerdem gibt es auf der Webseite mehr Informationen zu einer App, auf der man sich per QR-Code über Spielpläne und Ergebnisse informieren kann.
Sendung: rbb24 Inforadio, 07.09.2023, 15:15 Uhr
Beitrag von Fabian Friedmann
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