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Video: rbb24 | 18.09.2023 | Torsten Michels | Quelle: Imago Images/Rolf Poss

Marode Schulsporthalle in Berlin

Wenn der Sportunterricht sechs Jahre lang ausfällt

Wegen maroder Turnhallen fällt in Berlin mancherorts jahrelang der Schulsport aus. Ein Beispiel aus dem Wedding zeigt: Auch ein Provisorium löst das Problem nicht - mit Folgen für die Kinder. Die Politik ist massiv in der Kritik.

Die Schüler der Klasse 4b der Anna-Lindh-Schule im Wedding rennen ausgelassen durch die Sporthalle. In bunten Oberteilen jagen sie ihre Mitschüler oder umkreisen die mit kleinen Hütchen markierte Laufrunde.

So weit, so normal, könnte man meinen. Das Problem: Diese Kinder haben erst zum zweiten Mal überhaupt in ihrem Leben Sportunterricht. Und er findet gar nicht in ihrer Schule statt.

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"Sie sind glücklich, dass sie wieder Sport machen können. Aber es sind natürlich nicht die besten Bedingungen", sagt Lehrer Uwe Süptitz. Denn seine Klasse muss erst sechs Kilometer mit dem Shuttlebus zurücklegen, um zur Sporthalle zu gelangen. Wertvolle Zeit, die von den eigentlich 135 Unterrichtsminuten abgeht.

Wegen Schimmelbefalls ist die eigentliche Sporthalle der Schule nämlich bereits seit 2017 - also seit inzwischen sechs Jahren - geschlossen. Hunderte Kinder hatten seitdem gar keinen oder nur sehr wenig Sportunterricht.

Höheres Gewaltpotenzial durch fehlende Sportangebote

Weil sich auch in anderen Schulräumen Schimmel ausbreitet oder es Wassereinbrüche gab, ist seit diesem Sommer sogar die ganze Schule dicht. Alle 500 Kinder werden täglich per Bus in ein nahegelegenes Bürogebäude gebracht. Der Umzug kostet die Stadt Berlin für sechs Jahre rund 40 Millionen Euro allein an Miete.

"Wir haben hier einen Schulstandort, der ist ein Provisorium", sagt Elternsprecher Tobias Weber. "Wir können wirklich nur rudimentär Sport- und Spielangebote machen. Wir haben keine Sporthalle. Für das Geld, das man in die Hand genommen hat, hätte man eine neue Schule bauen können", lautet Webers Kritik.

Seit Jahren streiten Denkmalschutz und Politik, ob die alte Schule abgerissen und neu gebaut - oder saniert werden soll. Auf Anfrage von rbb|24 antwortete die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (SenBJF), dass "die zügige und möglichst unbürokratische Schaffung von Schulplätzen selbstverständlich oberste Priorität" habe. "Die SenBJF arbeitet deshalb aktuell mit allen Akteuren im Bezirk und Senat an einem Zeit-Maßnahmen-Plan für die Anna-Lindh-Schule."

In der Zwischenzeit bleibt den Betroffenen nur eines: Improvisieren. Eltern haben Sportgeräte gespendet, mit denen die Lehrer auf dem viel zu kleinen Pausenhof zumindest ein kleines Bewegungsangebot realisieren können.

Die Folgen von fehlender Bewegung und Sport sind dennoch längst spürbar. "Wir bemerken es im Schulalltag auch an einem höheren Gewaltpotenzial, wo wir versuchen, präventiv mit verschiedenen Kooperationspartnern gegenzusteuern. Aber direkt hier vor Ort ist es schwierig und es wird auch schwierig bleiben, Bewegungsangebote auf dem Weg zu bringen", beklagt Schulleiter Mathias Hörold.

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Seine Schule ist nur eine von vielen mit maroder Sporthalle. In der Hauptstadt hat nahezu jede vierte Sportstätte schwerwiegende Schäden, 57 sind sogar gesperrt. Fast eine Milliarde Euro wären nötig, um sie instand zu setzen. Bundesweit sind es sogar 31 Milliarden Euro Sanierungsstau bei den Sportstätten.

Kritik an der Politik

Kurt Repmann ist Sportwissenschaftler, Sportlehrer und Mitglied der Sportkommission der Bildungsgewerkschaft GEW. Er kritisiert vor allem das offensichtliche Desinteresse der Politik. "Die Außendarstellung bedeutet immer Leistungssport, olympische Medaillen, Weltmeisterschaften. Da kann der Schulsport nichts bringen", sagt Repmann. Viel wichtiger finde er aber: "Wenn wir ein Kind dazu motivieren können, ein Leben lang Sport zu machen, haben wir weit mehr erreicht als mit einem ersten Platz auf irgendwelchen nationalen oder internationalen Turnieren."

Auch Paul Seidel vom Landesschülerausschuss Berlin zeigt sich von der Politik enttäuscht. "Wenn in Koalitionsverträgen auf Landesebene steht, wir wollen den Sportunterricht, die Sporthallen und generell Schulen gut ausstatten, ist das immer schön, aber das steht schon seit zehn Jahren drin und wir würden eigentlich gern mal Ergebnisse sehen", fordert der Berliner.

Die aktuelle Situation sorge sogar eher dafür, dass Sport als etwas Negatives angesehen würde, sagt Seidel. Denn teilweise finde der Sportunterricht auch vor oder nach dem eigentlichen Unterricht statt und werde so für die Kinder zur Belastung. "Und deswegen verfehlt der Sportunterricht seine Aufgabe auch so zu motivieren, dass Kinder außerhalb der Schule Sport machen oder sich einen Sportverein suche", so Seidel.

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"Die Förderung des Schul- und Leistungssports gehen in Berlin Hand in Hand", entgegnet die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie auf Anfrage von rbb|24. In der Berliner Schulbauoffensive habe auch der Schulsport eine hohe Priorität, jeder Neubau verfüge über eine moderne Halle, Bestandshallen würden saniert. Auch im Rahmen des Typensporthallen-Programms würden derzeit dutzende Sporthallen in Berlin erreichtet werden. "Die Berliner Schulbauoffensive ist das größte Investitionsvorhaben der letzten und laufenden Legislaturperiode. Der größte Einzelanteil an der Investitionsplanung für die Jahre 2023-2027 entfällt mit rund vier Milliarden Euro an den Schulbau aus. In den kommenden Jahren werden also auch weiterhin zahlreiche Sporthallen neugebaut und saniert", so die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie.

Eines ist sicher: Die Berliner Schüler, Eltern und Lehrer werden gespannt darauf schauen.

Beitrag mit Material von Matthias Wolf (Sportschau), Lisa Surkamp-Erler (rbb Sport)

Sendung: rbb24, 18.09.2023, 18 Uhr

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