Wiedereröffnung noch offen
Seit Monaten ist das Erika-Heß-Stadion in Berlin-Wedding geschlossen - auf unbestimmte Zeit. Die angespannte Situation bedroht nicht nur den Trainings- und Spielbetrieb zahlreicher Eissportvereine, sondern auch deren Existenz. Von Jan Ole Behrens
Lucien Aicher ist fassungslos. Der Präsident des Eishockeyvereins FASS Berlin befürchtet: Sollte sich die Schließung des Erika-Heß-Stadions weiter in die Länge ziehen, dann ist die Existenz seines Vereins akut gefährdet. Denn das Stadion ist die Heimat des Klubs, hunderte Mitglieder können es schon seit Monaten nicht nutzen, und wohl noch einige Zeit mehr.
Im vorigen Winter, im Dezember 2022, hatte die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klima und Umwelt das Stadion als "Einrichtung mit besonderem Gefahrenpotential" eingestuft. Grund ist die Kälteanlage der Halle, die mit Ammoniak betrieben wird. Im Falle einer Betriebsstörung könne es aufgrund der vorhandenen Menge von rund 4,5 Tonnen des Kältemittels zu "lebensgefährlichen Umständen für eine Vielzahl an Menschen" kommen, verlautbart die Senatsverwaltung dem rbb schriftlich.
Sie verweist auf die Umgebung der Eishalle, in der sich etwa das Bundeswehrkrankenhaus, die Grundschule am Nordhafen und Wohnhäuser befinden. Im März 2023 wurden dann bei der in die Jahre gekommenen Kälteanlage diverse Mängel festgestellt und der Betreiber der Anlage, das Bezirksamt Mitte, zur Behebung aufgefordert. Das Bezirksamt schloss daraufhin das Stadion.
FASS Berlin ist nicht der einzige Verein, der unter der aktuellen Situation leidet. Das Stadion gilt als eine der wichtigsten Veranstaltungshallen im Berliner Eissport. Die Halle wird nicht nur zum Eishockeyspielen verwendet: So sind auch der Weddinger Eislauf- und Rollsport-Club (kurz WERC) und die Eiskunstlauf-Abteilung des Berliner SV 1892 hier beheimatet.
Zudem ist das Erika-Heß-Stadion das einzige in Berlin, in dem man Curling spielen kann. Die Halle wird die gesamte Woche über für Vereins- und Schulsport genutzt und sollte eigentlich der Austragungsort der diesjährigen Deutschen Meisterschaften im Eiskunstlauf sein.
Nicht zu vergessen sind die Freizeitsportler, die die Außenfläche im Winter gerne besuchen.
Folglich wäre es verheerend, sollten die Angebote der im Wedding beheimateten Eissportvereine allesamt wegfallen. Laut Alexander Hedderich, Präsident des Berliner Eissportverbandes, kann die Schließung des Erika-Heß-Stadions nur schwer kompensiert werden. "Da ist das Hemd natürlich immer zu kurz", bewertet er die Umstände. "Wettkämpfe fallen aus, Trainingseinheiten finden nicht statt und damit ist insbesondere die Nachwuchsarbeit der Vereine an allen Standorten negativ betroffen."
Selbst wenn teilweise auf Eisstadien wie die Eissporthalle P09 in Charlottenburg ausgewichen werden kann, bringt das logistische Herausforderungen mit sich. Die Vereine müssen die Sportausrüstung transportieren, Eltern ihre Kinder erheblich längere Strecken zum Training fahren.
Aus Sicht des Berliner Eissportverbandes herrscht darüber Unverständnis. Nach eigenen Angaben handelt es sich bei den neuen Auflagen ausschließlich um Dokumentations-Aufgaben: "Es ist nichts kaputt in dem Stadion. Da ist technisch und baulich alles in Ordnung. Es geht ausschließlich um Dokumentationsthemen und wir verstehen nicht, warum es nicht möglich sein soll, das zu erledigen, wenn gleichzeitig das Stadion geöffnet ist", sagt Alexander Hedderich.
Auf Anfrage des rbb dementiert die Senatsverwaltung diesen Vorwurf. Es gebe zusätzlich zu fehlenden Dokumentationen "eine Reihe technischer und organisatorischer Abweichungen von der […] technischen Regel". So hätten Sachverständige des TÜV erstmals im Jahr 2007 das Fehlen einer Ventilanlage festgestellt, die im Havariefall die Freisetzung des gefährlichen Ammoniaks begrenzen soll.
Unter anderem diese Umbaumaßnahme forderte die Senatsverwaltung nun im März ein. Hierzu erklärte sie, dass die Eishalle nur dann betrieben werden könne, wenn die Kälteanlage technisch einwandfrei funktioniere. Die Anordnung sei "erforderlich und angemessen". Die Gesundheit der Menschen in der Halle und der näheren Umgebung der Halle sei stark gefährdet.
Noch hat das Bezirksamt Mitte die Anforderungen der Senatsverwaltung nicht vollständig umsetzen können. Ursprünglich sollte das bis September geschehen sein. Auf Anfrage des rbb verwies es auf externe Institute und Sachverständige, die für bauliche Maßnahmen sowie Gutachten beauftragt worden sind. "Gemeinsam mit allen Beteiligten arbeiten wir mit Hochdruck an der Erfüllung der Auflagen", so ein Sprecher. Wie lange die Maßnahmen noch andauern, die Eishalle noch geschlossen bleibt und welche Kosten das mit sich zieht, ließ das Bezirksamt offen.
Es ist der nächste schwere Schlag für die Berliner Eissportszene. Auch das Eisstadion Neukölln ist aus ähnlichen Gründen gesperrt, was die Verknappung der Eiszeiten weiter intensiviert. Zudem hat das "Erika Heß" während der Corona-Pandemie als Impfzentrum herhalten müssen, konnte da also auch schon länger nicht sportlich genutzt werden.
Die Folgen bekommt nun unter anderem FASS Berlin zu spüren. Der Verein besitzt eine große Jugendabteilung bestehend aus elf Mannschaften. "Wir gehen auf die 500 Mitglieder zu", sagt Lucien Aicher und fügt hinzu: "Ich weiß nicht, wie man eine Kooperation mit einer Schule oder einer Kita aufrechterhalten will, wenn wir keine Eishalle haben. Ich glaube nicht, dass die Eltern da mitmachen. Wir machen uns da große Sorgen." Im kommenden Dezember feiert der Eishockeyclub seinen 61. Geburtstag. Sollte die Schließung des Erika-Heß-Eisstadions weiter andauern, könnte es der letzte sein, den der Verein feiert.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.10.2023, 11:15 Uhr
Beitrag von Jan Ole Behrens
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