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Quelle: IMAGO/Pro Shots

Eisschnellläuferin im Interview

"Dann könnte es sein, dass Claudia Pechstein ihre Karriere beendet"

Die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein möchte in Inzell ihren 43. deutschen Meistertitel gewinnen. Wie lange die 51-jährige Olympiasiegerin weitermachen will und warum sie sich um den Eisschnelllauf sorgt, verrät Sie im exklusiven Gespräch.

rbb|24: Claudia Pechstein, ihr Alter ist kein Geheimnis: 51 Jahre. Für eine Leistungssportlerin ist es eine Ausnahme. Wie geht es Ihnen, wie fit sind Sie?

Claudia Pechstein: Ich würde sagen, dem Alter entsprechend. Natürlich stehe ich nicht mehr so entspannt auf wie mit 20, aber letztendlich bin ich mit meinem Körper ganz gut umgegangen und deswegen geht es mir sportlich trotzdem gut.

Die deutschen Meisterschaften in Inzell stehen auf dem Programm, drei Starts für Sie, über 3.000 Meter, 5.000 Meter und im Massenstart. Was nehmen Sie sich vor?

Na, die jungen Mädels in Schach zu halten. Auf den 5.000 Metern - meiner Lieblingsstrecke - möchte ich deutsche Meisterin werden und meinen Titel verteidigen. Die 3.000 Meter werde ich zum Einlaufen nutzen und der Massenstart ist ein Lotterie-Rennen, da ist alles und nichts möglich.

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Ich kann mich nicht an deutsche Meisterschaften ohne Claudia Pechstein erinnern. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Einzelstrecken-DM-Titel?

Nein, leider nicht wirklich (lacht vorsichtig). Da hätte ich vielleicht vorher mal nachschauen müssen. Aber es macht Spaß, Titel zu sammeln. Hätte mir vor zehn Jahren einer gesagt, dass ich dieses Wochenende laufe, den hätte ich für verrückt erklärt, aber manchmal kommt es anders, als man denkt.

Den ersten Titel holten Sie 2002, also zehn Jahre nach Ihrem Olympia-Debüt, da waren Sie längst Weltmeisterin und Olympiasiegerin. Der DM-Erfolg war also der letzte in der Reihe. Mit einem Augenzwinkern: Warum hat das so lang gedauert?

Ich glaube, die deutsche Konkurrenz war damals enorm stark. Mit Gunda Niemann-Stirnemann, Heike Warnecke oder Anni Friesinger - da war es schwer, alle Mädels zu schlagen. Bei Olympia habe ich es geschafft, vielleicht hatte ich da einfach meine besseren Tage (lächelt).

Es könnte Ihr 43. DM-Titel werden. Fluch und Segen zugleich: Ein Segen für Sie, aber traurig für den Sport, wenn eine 51-Jährige der Konkurrenz davonläuft. Wie besorgt sind Sie um den deutschen Eisschnelllauf?

Oh, darum sorge ich mich schon viele Jahre. Es ist schon ein Armutszeugnis für den deutschen Eisschnelllauf, vor allem wenn man weiß, wo wir mal standen. Das stimmt mich persönlich echt traurig. Allein, wie viel wir früher trainiert haben, vielleicht sollte man da anknüpfen. Eisschnelllauf ist wahnsinnig trainingsintensiv, vor allem auf den Langstrecken. Man braucht viele Kilometer auf dem Eis. Ich denke, es scheitert vor allem an fehlenden Umfängen und der Bereitschaft, alles zu opfern.

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Was wünschen Sie sich für Ihren Sport?

Dass wir so viel Nachwuchs hätten, wie wir damals hatten. Es gibt heute zu viele Alternativen zum Leistungssport und letztendlich ist Eisschnelllauf auch nicht der lukrativste Sport. Ich bin aber froh, dass wir überhaupt Nachwuchs haben und hoffe, dass wir die Jungs und Mädels bei der Stange halten können. Deswegen mache ich mein Diplom-Trainerstudium gerade an der Trainerakademie Köln, damit ich da vielleicht mal helfen kann.

Sie gelten als Sportlerin, die offen sagt, was sie denkt. Über Ihren Auftritt beim CDU-Konvent in Bundespolizei-Uniform im Juni wurde viel diskutiert. War das ein Gastauftritt oder würden Sie sich gern weiter politisch engagieren?

Grundsätzlich bin ich politisch interessiert. Ich würde mich gerne, was den Sport angeht, der politisch eine wirkliche Randnotiz darstellt, mehr einbringen und wenn es die Möglichkeit gibt, würde ich gerne weitermachen.

Welche konkreten Forderungen für den Sport haben Sie denn?

Im Moment steht der Sport in der weltpolitischen Situation mit dem Ukraine-Krieg und den dramatischen Vorgängen in Nahost hinten an und das verstehe ich total. Aber grundsätzlich muss der Sport eine größere Rolle in der Politik spielen, ansonsten verlieren wir international komplett den Anschluss. Wollen wir als Sportnation erfolgreich sein, müssen wir auch finanziell investieren, in die Trainingswissenschaft und in den Nachwuchs - andere Länder machen uns das vor.

Wir werden nochmal sportlich: Die DM ist auch die Qualifikation für den Weltcup. Gibt es Tage, an denen Sie aufwachen und denken, das kann doch nicht real sein?

Das gab es schon oft, aber Eisschnelllauf ist mein Leben. Ich habe mit dreieinhalb Jahren angefangen - im orangenen Kleid mit Eiskunstlauf. Und jetzt mache ich schon über 45 Jahre Sport. Ich scheine da ein bisschen Geschichte zu schreiben. Es macht mir unheimlich viel Spaß, aber ich merke auch, dass ich mehr und mehr an meine Grenzen stoße. Trotzdem bin ich meinen Eltern sehr dankbar für die Gene und auch meinen Trainern. Wir scheinen da etwas richtig gemacht zu haben. Ich bin stolz, dass ich immer noch dabei bin.

Die Zeit der Medaillen im Weltcup ist, und das ist nicht despektierlich gemeint, die ist sehr wahrscheinlich vorbei - genießen Sie jetzt jeden Auftritt auf dem Eis?

Ja, das ist vorbei und es ist okay. Mein letzter Weltcupsieg war 2017 und selbst das war ja erstaunlich, mit 45 Jahren. Davon zehre ich immer noch. Ich habe alle Medaillen-Farben im Schrank. Ich möchte einfach jedes Rennen genießen, Spaß haben und schauen, was noch so möglich ist.

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Diese Frage hören Sie sicherlich nicht zum ersten Mal, trotzdem sei sie gestellt: Was gibt Ihnen die Kraft, sich jeden Tag wieder weh zu tun?

Das ist einfach, ich habe ein super Team, also mit meinem Partner Matthias Große. Wenn er sich irgendwelche Ideen in den Kopf setzt, dann setzt er die irgendwann auch um. Manche gehen über einen Berg oder drumherum, er geht einfach mitten durch, das motiviert mich und macht mich stark in meinem Sport. Er hält mir den Rücken frei und ich kann mich auf das Eis konzentrieren.

Was muss passieren, damit Claudia Pechstein eines Tages sagt: "Ich bin satt, ich habe keine Lust mehr auf Eisschnelllauf"?

Ja, da gibt es noch so einen Fall, der noch nicht beendet ist (Anm. d. Red.: 2009 wurde Pechstein wegen Dopings gesperrt, ohne positiven Test, aufgrund eines Indizienbeweises. Pechstein hat dagegen geklagt und wurde u.a. vom DOSB rehabilitiert, das Verfahren läuft). Ich habe letztes Jahr vor dem Bundesverfassungsgericht zum ersten Mal seit 13 Jahren einen Teil-Sieg errungen. Es wäre schön, wenn ich irgendwann in allen Instanzen Recht bekomme, dann könnte es sein, dass Claudia Pechstein ihre Karriere beendet.

Wir kommen zur letzten Frage: Olympische Spiele in Italien, da haben Sie gute Erinnerungen. 2006, Gold in Turin, ihr fünfter Olympiasieg. 2026 ist wieder Italien an der Reihe, diesmal Mailand gemeinsam mit Cortina d’Ampezzo. Reizt Sie das, es wären ihre neunten Olympischen Spiele?

Grundsätzlich ist es ein Ziel, aber da bin ich realistisch. Auf meiner Lieblingsstrecke, auf den 5.000 Metern, wird es sehr schwer, mich zu qualifizieren. Es gibt eine neue Regel und nur noch acht Athletinnen dürfen starten, mit zuvor zwölf war es schon brutal schwierig. Dann bin ich auch nochmal drei Jahre älter, aber davon zu träumen, schließe ich nicht aus.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Jonas Schützeberg, rbb Sport.

Sendung: rbb24, 26.10.2023, 21:45 Uhr

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