Frauenfußball bei Hertha BSC
Die Fußballerinnen von Hertha BSC haben das Stadtduell mit Viktoria Berlin gewonnen. Der Erfolg zeigt, dass das junge Frauenteam in der Regionalliga Nordost angekommen ist. Auf den Tribünen gibt es viel Zuspruch, aber auch den Willen nach mehr. Von Jonas Bürgener
Am Spielfeldrand wehen blau-weiße Fahnen, die Menschen auf den Rängen tragen Trikots in derselben Farbkombination und aus den Boxen scheppert Frank Zanders "Nur nach Hause". Es ist offensichtlich, dass im Olympiapark in Berlin-Westend mal wieder ein Heimspiel von Hertha BSC stattfindet.
Am Sonntag treten allerdings nicht die Männer zum Spiel im Olympiastadion an - das ging schließlich am Samstag bereits knapp verloren. Stattdessen empfängt das im Sommer an den Start gegangene Frauenteam der Blau-Weißen im Stadion am Wurfplatz die Spitzenmannschaft von Viktoria Berlin. Das Publikum am Sonntagnachmittag ist auffällig gemischt: Auf den Rängen treffen etliche Familien auf Ur-Herthaner und Berliner Hipster mit schnellen Brillen. Gemeinsam können sie sich über einen überraschenden Sieg im Derby gegen Viktoria Berlin freuen.
Inis Heidekrüger steht nicht nur am Sonntag, sondern bei den meisten Spielen der Herthanerinnen auf der Tribüne. Sie hat einen erheblichen Anteil daran, dass Hertha sich in dieser Spielzeit in der Regionalliga Nordost präsentiert. Heidekrüger gehört zum Fanklub "Axel Kruse Jugend" und hat vor einem knappen Jahr gemeinsam mit anderen Hertha-Mitgliedern den Antrag zur Gründung einer Frauen-Abteilung bei Hertha BSC gestellt. Auf der Mitgliederversammlung im November 2022 wurde diesem mit überwältigender Mehrheit zugestimmt. Seitdem begleitet Heidekrüger den Prozess rund um die Herthaner Frauenmannschaft intensiv.
Sie macht in den sozialen Medien Werbung für die blau-weißen Fußballerinnen, ist im Arbeitskreis des Vereins zu Herthas Frauenmannschaft und seit Saisonbeginn Host des Podcast "Westend Girls", der sich mit Herthas Frauen beschäftigt. "Mir ist es wichtig, dass die Mädels Support bekommen", sagt sie im Gespräch vor dem Spiel, das sie zwischenzeitlich unterbrechen muss, um Material für eine kleine Choreografie entgegenzunehmen, die sie mit anderen Fans für heute organisiert hat.
Es ist erst das vierte Heimspiel für die noch junge Frauenmannschaft von Hertha BSC, die wie die gesamte Mädchen- und Frauenabteilung in diesem Jahr durch die Übernahme der Teams von Hertha 03 Zehlendorf entstanden ist. Mit dem Zuspruch ist Heidekrüger für den Moment durchaus zufrieden. Am Sonntag kommen am Ende 821 Zuschauerinnen und Zuschauer ins Stadion, zum Saisonauftakt gegen Union Berlin waren sogar 1.400 Menschen da. Der heutige Gegner Viktoria Berlin ist für Herthas Fans dabei ein Vorbild. "Die Vikis haben bei Heimspielen schon einen Mega-Support", sagt Heidekrüger. "Bei ihnen merkt man, dass das schon seit Jahren gewachsen ist."
Nicht nur auf den Fantribünen unterscheiden sich die beiden Klubs fundamental. Während Hertha noch am Anfang der Entwicklung steht und der Aufstieg zumindest in dieser Saison noch kein Thema ist, setzt sich Viktoria Berlin deutlich ambitioniertere Ziele. Der Verein, der nun schon seit einer Weile von diversen namhaften Investorinnen und Investoren unterstützt wird, will nach dem verpassten Aufstieg im letzten Jahr in dieser Saison den Sprung in die zweite Bundesliga schaffen.
Das ist zu Beginn auf dem Platz auch zu spüren. Viktoria spielt zielstrebig und dominiert die Partie über weite Strecken. Doch Herthas Fußballerinnen verteidigen leidenschaftlich und schaffen es so unbeschadet in die Pause. Nach der Halbzeit wird es dann laut im Stadion am Wurfplatz. Die kontinuierlichen Anfeuerungsrufe einiger emsiger Hertha-Fans münden plötzlich in zwei Jubelausbrüche des blau-weißen Anhangs. Zunächst trifft Lotte Reimold zur 1:0-Führung (46.), ehe Marleen Rohde wenig später sogar auf 2:0 erhöht (53.).
Die positive Verwunderung ist den Fans auf der Tribüne deutlich anzumerken. Offenbar haben nicht viele damit gerechnet, dass gegen den großen Favoriten heute etwas zu holen ist. Tatsächlich meldet sich Viktoria nach dem 0:2 schnell zurück, verkürzt durch Nina Ehegötz auf 1:2 und macht das Spiel so wieder spannend (56.).
Im Anschluss behalten die Hertha-Frauen aber die Nerven und retten - angefeuert von ihren Fans, die nun immer wieder laut gegen die krachenden Banden schlagen - den knappen Sieg über die Zeit.
Es ist ein beachtenswerter Erfolg für die nicht nur neu gegründete, sondern auch nominell sehr junge Mannschaft von Hertha BSC. Inis Heidekrüger steht jubelnd und ihren Schal schwenkend auf der Tribüne. Sie freut sich für den Verein und insbesondere die Spielerinnen, die sich für eine leidenschaftliche Leistung belohnt haben.
Dennoch sieht sie den Prozess bei den Berlinerinnen erst am Anfang und innerhalb des Klubs noch jede Menge Entwicklungspotenzial. "Mehr geht immer", sagt Heidekrüger. "Ich bin aber auch realistisch genug, weil ich weiß, in welcher Situation der Verein steckt und was wir dementsprechend erwarten können. Ich weiß, wie wenig Leute bei Hertha für Frauenfußball zuständig sind und die geben wirklich alles - bei denen muss ich meinen Frust nicht loswerden", sagt sie. "Das Einzige, was den Verein dazu bewegen wird, noch mehr zu tun, wird sein, wenn die Fans hierherkommen und die Mädels supporten. Wir müssen zeigen, dass uns das wichtig ist. Wir müssen die Mädels in den Mittelpunkt rücken. Hertha ist schließlich ein Frauenname", sagt sie lächelnd, aber bestimmt und nimmt so die Hertha-Anhänger ein Stück weit mit in die Pflicht.
Doch auch eine spezielle Gruppe von Vereinsmitarbeitern würde Heidekrüger gerne mal im Stadion bei einem Spiel der Frauen begrüßen. "Es wäre doch schön, wenn die Männermannschaft und die Hertha-Bubis die Mädels mal unterstützen würden", sagt sie.
Womöglich wäre es ein angenehmes Signal für den zuletzt krisengeplagten Verein, der mit aller Macht versucht, wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Die neue, aber schon jetzt erfolgreiche und leidenschaftlich arbeitende Fußball-Frauenabteilung könnte einen Teil dazu beitragen.
Sendung: rbbUM6, 01.10.23, 18 Uhr
Beitrag von Jonas Bürgener
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