Video: rbb24 | 30.10.2023 | Dennis Wiese | Quelle: IMAGO/Comsport
Vor dem DFB-Pokal-Spiel
Für eine Unioner Wende beim VfB Stuttgart fehlen derzeit Argumente
Das verunsicherte Team von Trainer Urs Fischer muss zur zweiten Pokalrunde bei den jungen Musterschülern des VfB Stuttgart antreten (Dienstag, 18 Uhr). In Berlin beschwören sie trotz einer denkwürdigen Pleite-Serie die alten Tugenden.
Fakten zum Spiel
In der ersten Runde setzten sich beide Teams mit 4:0 gegen Viertligisten durch: Union schlug FC-Astoria Walldorf, der VfB besiegte Balingen
Zuletzt trafen beide Mannschaften 10 Tage vor dem Pokalspiel aufeinander - Union verlor 0:3
Mit Jamie Leweling und Genki Haraguchi sind derzeit zwei Ex-Unioner für den VfB aktiv
In der vergangenen Spielzeit erreichte der VfB das Pokal-Halbfinale (2:3 gegen Eintracht Frankfurt), im Jahr davor stieß Union in die Runde der letzten Vier vor (1:2 bei RB Leipzig)
Das bewegt Union
Negativtrend, Abwärtsspirale, Krise. Nach der 10. Pflichtspiel-Niederlage in Folge trennt die einstigen Überflieger aus Köpenick nur noch ein Punkt vom Bundesliga-Relegationsplatz. In der Champions League kann der Klub überhaupt noch nichts Zählbares vorweisen.
Damit birgt die Aufgabe im Pokal beim VfB Stuttgart am Dienstag möglicherweise eine enorme Fallhöhe: Was passiert mit Urs Fischer, wenn auch dieses Spiel verloren geht? Wäre der im Klub ohne Zweifel hochgeschätzte Trainer dann noch zu halten?
Unmittelbar nach dem jüngsten Nackenschlag am Samstag bei Werder Bremen umwehte den gewohnt nüchtern-analytischen Schweizer jedenfalls auch der Hauch von Resignation. Er versuche, jeden Tag sein Bestes zu geben, sagte er und setzte nach: "Sollte das nicht mehr ausreichend sein, dann muss man mit dieser Entscheidung entsprechend auch umgehen."
Union Berlin rutscht immer tiefer in den Abstiegskampf. Die Niederlage gegen Bremen wiegt besonders schwer, weil zwei der zuverlässigsten Spieler Fehler machten. Trainer Urs Fischer steht unter Druck, die Offensive zu verbessern. Von Till Oppermann
Allerdings zeigt sich Geschäftsführer Oliver Ruhnert weiterhin überzeugt, dass dem Klub die Wende mit Fischer an der Seitenlinie gelingen wird. Der Manager sagte über seinen Trainer: "Er hat den Eindruck, dass er die Mannschaft erreicht". Man werde "erstmal intern besprechen, was wir tun können."
Klar ist allerdings, dass trotz der demonstrativen Bescheidenheit, die sie im Klub stets nach Außen tragen (Saisonziel: 40 Punkte), die Erwartungshaltung gewachsen ist. Neue Spieler wie Robin Gosens und Leonardo Bonucci dürften sich zumindest von ihrem Engagement bei den Eisernen mehr erhofft haben, als bei Nieselregen im Weserstadion gegen das Abrutschen auf einen Relegationsplatz anzuspielen.
Sollte sich nun zur Last des Abstiegskampfes und dem zu erwartenden Ausscheiden in der Champions League auch noch ein Zweitrunden-Aus im DFB-Pokal addieren (und damit die 11. Niederlage in Folge), würden neuerliche Durchhalteparolen seitens der Klubverantwortlichen zunehmend deplatziert wirken. Tatsächlich dürfte dann der Rechtfertigungsdruck steigen, endlich eine Antwort auf den dramatischen Sinkflug des 1. FC Union Berlin zu finden.
"Es gilt wieder einen Schritt nach vorne zu machen", sagte Urs Fischer am Montag auf der Pressekonferenz und zeigte sich schon optimistischer. "Das heißt, es muss einen Pokalfight geben." Es gelte, die "Tugenden von Union" abzurufen: "Wir müssen versuchen, mutig zu sein."
Der Gegner-Check
Die Leichtigkeit, die den Unionern gerade fehlt, zeichnet den anstehenden Gegner aus. Der VfB Stuttgart ist die Überraschungsmannschaft der Saison. Der seit einem guten halben Jahr amtierende Cheftrainer Sebastian Hoeneß hat es geschafft, aus dem Fast-Absteiger der Vorsaison - Stuttgart rettete sich erst in der Relegation gegen den Hamburger SV - einen Anwärter auf die internationalen Plätze zu formen. Die Offensivkraft der Schwaben ist gefürchtet, zusammen mit Bayer Leverkusen bilden sie aktuell den zweiterfolgreichsten Angriff der Bundesliga.
Den Unioner Himmelsstürmern droht bei einer Pleite in Bremen am Samstag der Sturz auf die Abstiegsränge. Ein Szenario, das noch vor Kurzem als absurd abgetan worden wäre. Wie konnte es so weit kommen? Der Versuch einer Erklärung. Von Shea Westhoff
Selbst bei der jüngsten 2:3-Niederlage am Samstag gegen die TSG Hoffenheim präsentierte das Team eine über weite Strecken beeindruckende Offensivleistung und war drückend überlegen (23:7 Torschüsse) - scheiterte letztlich aber vor allem am glänzend parierenden Hoffenheimer Keeper Oliver Baumann.
Damit zeigte das Team auch ohne den in dieser Saison scheinbar nach Belieben treffenden Stürmer Serhou Guirassy eine beachtliche Darbietung. Allen voran Deniz Undav, Silas, Enzo Millot und Neu-Nationalspieler Chris Führich stellten unter Beweis, dass sie den wohl noch zwei Wochen andauernden verletzungsbedingten Ausfall Guirassys aufzufangen wissen.
So könnte Union spielen
Welche Antwort die Unioner Abwehrreihe auf angriffslustige Stuttgarter findet, wird wohl eine zentrale Geschichte des Spiels sein. Das einstige Prunkstück der Mannschaft, die Defensive, wirkt derzeit anfällig wie selten zuvor. In den vergangenen drei Bundesligaspielen kassierte Union neun Treffer.
Im selben Zeitraum traf der Angriff nullmal. Der zu Saisonbeginn furios aufspielende Kevin Behrens versucht seit 12 Stunden ohne Erfolg, mal wieder ins Tor zu treffen. Und der ehemalige Topscorer Sheraldo Becker fiel im Spiel bei Werder Bremen vor allem durch das Schubsen eines Balljungen auf.
Im Zuge des aktuellen Nahost-Konflikts postete Union Berlins Spieler Aissa Laidouni auf Instagram eine palästinensische Flagge mitsamt betender Hände. Doch nicht nur das sorgte für Irritationen, sondern auch das Verhalten des Vereins. Von Ilja Behnisch
Wie schon in Bremen wird Leonardo Bonucci wohl erneut für Doekhi in die Startformation rücken. In die Karten ließ sich Urs Fischer in Bezug auf seine Wunschelf nicht schauen, sagte aber mit Blick auf die absolvierte Partie in Bremen: "Die ein oder andere Veränderung wird es geben, eine gewisse Frische muss auf den Platz."
Es fehlen Argumente, die glaubhaft begründen könnten, dass Union Berlin am Dienstag in Stuttgart die Trendwende schafft. Andererseits verfügt Urs Fischer über genügend robuste Mentalitätsspieler, denen zuzutrauen wäre, das Team im Moment der größten anzunehmenden Misslage wieder in die Spur zu befördern, Spieler wie Khedira, Bonucci, Trimmel, Gosens.
Ob diese Erfahrung und Kaltschnäuzigkeit aber genügt, sich zu erwehren gegen stürmische Schwaben, die aktuell das jüngste Team der Bundesliga stellen (24,4 Jahre)?
Der Redaktionstipp: Union Berlin scheidet mit einer 1:2-Niederlage aus dem Pokal aus.