Umstrittener Sportwetten-Anbieter
Der Einstieg des Wettanbieters Crazybuzzer bei Hertha hat einige in Berlin irritiert. Über die Konditionen hüllen sich die Beteiligten in Schweigen. Woher kommt der Sponsor, was hat er vor - und was heißt das für Präsident Kay Bernstein? Von Shea Westhoff
Olympiastadion, 4. August 2023. Während der Zweitliga-Partie Hertha BSC gegen SV Wehen Wiesbaden entrollen Fans in der Ostkurve Spruchbanner, die von großem Unmut über den neuen Hauptsponsor Crazybuzzer zeugen: "Die Ausrede 'Wir brauchen aber das Geld' ist eines Vereins wie Hertha BSC nicht würdig." Und: "Stell dir vor, Hertha verzichtet auf die schmutzige Sportwetten-Kohle!"
Die Plakate zitierten aus dem Kodex, mit dem Klubpräsident Kay Bernstein im vergangenen Jahr noch Wahlkampf um das Präsidentenamt machte. Hertha BSC, so sein damals nahegelegtes Ziel, wolle er vom Spielball der Unternehmen und Investoren in einen gefestigten Klub mit klarer Identität zurückverwandeln.
Dass eine Klubführung, die mit strahlender Vision ins Amt gestartet ist, sich ausgerechnet von einem Player aus der schattigen Glücksspielbranche aus der finanziellen Misere hinausbefördern lassen will, verstörte einige Fans. Umso mehr, weil unklar schien, wer eigentlich hinter Crazybuzzer steckt und was das Unternehmen vorhat.
Während sich andere Wettanbieter in ihren Werbespots bemühen, eine Normalität des Wettens zu simulieren - oft durch das Zeigen hip anmutender Männercliquen, die jetzt einfach mal ihr Ding durchziehen - konterkariert Crazybuzzer dieses Schema in seinem TV-Spot. Menschen treten dort nämlich gar nicht auf.
Zu sehen ist nur ein weißes B in einem roten Kreis. Zu hören ist ein immer schneller werdender Herzschlag und der rote Kreis mit dem B pocht im Takt mit. Einen Wiedererkennungswert schafft allerdings eine als Smiley stilisierte strahlende Sonne, die zum Ende am rechten Bildrand auftaucht. Sie ziert zahlreiche Spielautomaten, ist an Eingängen von Spielhallen zu sehen. Die Sonne ist das Emblem der Gauselmann-Gruppe, die als Glücksspielkonzern Spielautomaten herstellt, außerdem Spielotheken betreibt sowie Casinos auf Kreuzfahrtschiffen und darüber hinaus europaweit Sportwetten anbietet. Wo die Sonne abgebildet ist, steht meist auch der Name "Merkur" dabei, die Dachmarke des Konzerns, für die bereits mehrere Klubs aus unterschiedlichen Sportarten werben.
Rund 15.000 Mitarbeitende zählt die Gauselmann-Gruppe, die 2022 mit dem Wettanbieter Crazybuzzer in Deutschland an den Start ging.
Die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL), die von den Bundesländern mit der Ausstellung der Wettlizenzen beauftragt wurde, führt eine sogenannte "White-List", in der alle in Deutschland erlaubten Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen aufgeführt sind, darunter auch die Anbieter von Sportwetten. Von 31 lizenzierten Sportwettenveranstaltern haben 25 ihren Sitz in Malta, wo der Unternehmenssteuersatz zu den niedrigsten in Europa gehört. Auch Crazybuzzer ist dort gemeldet.
Steuern würden dadurch aber nicht gespart werden, wie aus einer Antwort der Gauselmann-Gruppe auf rbb|24-Anfrage hervorgeht. Das Unternehmen verweist darauf, dass man unter anderem durch die Abführung einer Sportwettabgabe auf eine effektive "Steuerlast von ungefähr 50 Prozent" komme.
Vielmehr sei Malta als Firmensitz vorzuziehen, weil Sportwetten von dort aus bereits angeboten werden konnten, "lange bevor Deutschland die längst überfällige Regulierung für diesen Bereich umsetzte". So habe sich in Malta eine "umfassende Fachkenntnis aufgebaut. (…) Vergleichbar mit der Schweiz für Uhren, hat Malta sich zu einem international anerkannten Kompetenzzentrum für Sportwetten entwickelt."
So stellt es das Unternehmen dar. Richtig ist aber außerdem, dass die kleine Mittelmeernation immer wieder in der Kritik steht, einen betont laxen Umgang mit der dort ansässigen Glücksspielbranche zu pflegen und diese sogar von Klagen aus dem Festland abzuschirmen.
Mit dem Einstieg in den Fußball verfolgt Crazybuzzer nun das Ziel, seine Bekanntheit "in einem hochrelevanten Umfeld zu steigern", wie das Unternehmen rbb|24 mitteilt.
Für die Wettanbieter ist das Sponsoring im Fußballbereich besonders wertvoll, glaubt Sebastian Uhrich. "Sportfans sind häufig sehr passioniert und haben das Bedürfnis, sich auch unter der Woche mit ihrer Passion zu beschäftigen", sagt der Sportökonom von der Deutschen Sporthochschule in Köln. Sportwetten könnten genau dafür ein Element sein.
Die Passung zwischen Werbetreibenden und Zielgruppe sei bei den Sportwettenanbietern extrem hoch. "Vergleicht man es mit einer Versicherung oder einem Automobilhersteller, gibt es zwar auch dort viele Kunden unter den Fußballfans, aber solche Kunden kann man auch an anderer Stelle erreichen", so Uhrich. "Die Wettanbieter haben dagegen beim Sponsoring im Sport sehr, sehr geringe Streuverluste. Und das macht die Sponsorships für sie natürlich so wertvoll."
Auffällig ist, dass Crazybuzzer bei gleich drei finanziell angeschlagenen Fußballvereinen eingestiegen ist. Zweitligist Turbine Potsdam stand im Sommer kurz vor der Zahlungsunfähigkeit, nachdem der langjährige Sponsor AOK seine Unterstützung eingestellt hatte. Dann sprang der Wettanbieter ein. Auch der verschuldete Drittligist Waldhof Mannheim suchte im Sommer händeringend nach einem Sponsor für die noch blanke Trikotbrust. Crazybuzzer war zur Stelle. Ähnliches Muster bei Hertha, siehe oben.
Welche Rolle spielt der Umstand, dass die von Crazybuzzer gepamperten Traditionsklubs sich in akuten Geldsorgen befinden? Danach gefragt, gibt die Gauselmann AG wolkige Auskünfte. Die Hauptmotivation sei die Unterstützung der lokalen "Gemeinschaft", es gehe darum, "unsere Begeisterung für diesen Sport zu teilen und unsere Marke einem breiten Publikum zugänglich zu machen".
Es gibt Experten, die das anders interpretieren. Sebastian Uhrich vermutet: "Diese strauchelnden Klubs haben gegenüber den Sponsoren im Moment eine nicht ganz so starke Verhandlungsmacht. Solche Vereine werden sich natürlich schwerer tun, gegenüber kontroversen Sponsoren ihre Werte durchzusetzen."
Wobei der Ökonom betont: "Die Sportwettenanbieter werben ja nicht nur bei den strauchelnden Klubs, sondern die sehen wir überall in der Liga aufploppen." Der Grund dafür sei der gleiche. "Es werden einfach die Sponsoren sein, die im Moment die höchsten Summen bezahlen, weil Fußball für sie so wertvoll ist."
Zwei Millionen Euro soll Hertha BSC Medienberichten zufolge für die kommende Saison kassieren, danach soll der Deal mit Crazybuzzer wieder beendet sein. Doch auf Anfrage will Hertha weder zur genauen Summe noch zur Dauer des Sponsorings eine Aussage machen.
Der Zweitligist aus Charlottenburg ist bei weitem nicht der einzige Fußballklub, der am Glücksspiel mitverdienen will. Laut Untersuchungen von sportschau.de gibt es zumindest in der 1. Bundesliga nur zwei Klubs, die in ihrem Sponsoring-Portfolio über kein Unternehmen verfügen, das Sportwetten anbietet: RB Leipzig – und Herthas Stadtrivale Union Berlin [sportschau.de]. Die Partnerschaft der Köpenicker mit bwin endete in diesem Sommer, wie der Verein rbb|24 mitteilte.
Das Handelsblatt zitierte unlängst eine Statistik des europäischen Fußballverbands Uefa, wonach die Glücksspielbranche europaweit sogar den höchsten Anteil bei den Trikotsponsorings ausmacht [handelsblatt.de]. Bei jedem fünften Klub prange demnach ein Glücksspielanbieter auf dem Trikot. Nicht zu vergessen übrigens, dass Hertha schon einmal für einen Sportwettenanbieter warb, ab 2015 war "bet-at-home.com" für drei Jahre der Haupt- und Trikotsponsor.
Wie sehr der Sportwettenmarkt in Deutschland boomt, spiegeln die letzten zehn Bilanzen der Steuereinnahmen des Bundes wider. 2012 lagen die Einnahmen bei 84 Millionen Euro. Bis ins Jahr 2022 verfünffachte sich die Summe, sie lag zuletzt bei 431 Millionen Euro Steuereinnahmen, nur durch Sportwetten. Wegen des explosionsartigen Wachstums des Zockergeschäfts hat sich der Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert diesem Thema verschrieben und will eine strengere Reglementierung anstoßen.
"Wir reden im Glücksspielbereich von enormem Suchtpotenzial. In Deutschland gibt es 1,4 Millionen Spielsüchtige", sagt er gegenüber rbb|24. "Sportwetten erhalten durch das Sponsoring eine große Sichtbarkeit und bekommen dadurch die Möglichkeit, als normal wahrgenommen zu werden. Das können wir so nicht hinnehmen. Wir müssen hier den Kinder- und Jugendschutz stärken."
Zurück zu Hertha und Crazybuzzer. Trotz Kay Bernsteins blendender Versprechen, es beim Sponsoring anders machen zu wollen als der große Rest des deutschen Profifußballs, musste sich der Verein finanziellen Notwendigkeiten beugen - so zumindest stellt es der Klub dar - und deshalb das Geld aus einer Branche annehmen, der ein Schmuddel-Image anhaftet.
Wird es den lange als Idealist geltenden Vereinspräsidenten noch unter Rechtfertigungsdruck bringen? Der Einstieg des Sportwettenanbieters habe bei den Fans "natürlich Irritationen nach sich gezogen, denn so etwas wollen wir eigentlich nicht haben", sagt Bert Handschumacher, von Beruf Rechtsanwalt und überdies langjähriges Hertha-Mitglied, organisiert beim Fanklub "Axel Kruse Jugend", wo man die Partnerschaft ebenfalls zwiespältig sehe, so Handschumacher. Momentan ruht seine Mitgliedschaft allerdings, weil er sich bei der nächsten Hertha-Versammlung als Präsidiumsmitglied zur Wahl stellt.
Handschumacher würde schon gerne erfahren, wie die Vereinbarungen mit Herthas Vermarktungsagentur Sportfive, die solche Partnerschaften normalerweise vermittelt, ausgesehen haben, und: "Ob wir das annehmen mussten." Das, damit ist die Partnerschaft mit Crazybuzzer gemeint.
Der Jurist blickt deswegen umso gespannter auf die nächste Mitgliederversammlung am 15. Oktober: "Natürlich wird Kay Bernstein sich erklären müssen, und ich denke, er wird sich auch erklären, warum wir dieses Angebot annehmen mussten."
Er ist optimistisch, dass die Angelegenheit dann "mit Magengrummeln, aber doch hingenommen wird". Dann fügt er hinzu: "Natürlich steht unsere Linie, es künftig vermeiden wollen, solches Geld anzunehmen."
Beitrag von Shea Westhoff
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