Interview | Trainer Claus-Dieter Wollitz
Der Saisonstart war holprig, aber seit neun Pflichtspielen ist Fußball-Regionalligist Energie Cottbus ungeschlagen. Trainer Claus-Dieter Wollitz über die Psychologie des verpassten Aufstiegs, die Leistungsexplosion eines Stürmers und seine Aufstiegsfavoriten.
rbb|24: Herr Wollitz, seit dem 0:7 im DFB-Pokal gegen Paderborn ist Energie Cottbus in neun Pflichtspielen ungeschlagen. Woran machen sie diese Serie fest?
Claus-Dieter Wollitz: In der Summe war das Ergebnis gegen Paderborn zu hoch. Die Frage ist dann: Wie reagiert eine Mannschaft, wie tritt sie auf, welche Entscheidungen werden getroffen? Nach dem 0:7 hatten wir das Spiel in Rostock [3:2-Sieg von Energie, Anm. der Red.]. Das war der Knackpunkt. Nach einem 0:2 das Spiel so zu drehen, wie wir es gedreht haben, das gibt Überzeugung, fördert den Zusammenhalt und das Selbstvertrauen. Danach war die Mannschaft überzeugt davon, dass die Qualität vorhanden ist, Spiele zu gewinnen.
Ging da in der Halbzeit ein Ruck durch die Mannschaft - auch aufgrund ihrer Kabinen-Ansprache?
Rostock hatte zwei außergewöhnliche Tore geschossen, eines sogar aus 50 Metern. Das muss man einfach akzeptieren. Es wäre völlig fehl am Platze gewesen, auf die Mannschaft draufzuhauen. Ich hatte zur Mannschaft gesagt: Wenn wir uns verbessern und tiefer in die Box spielen, bis zur 75. Minute den Anschlusstreffer schaffen - dann haben wir eine gute Chance, das Spiel zu drehen. Und so ist es dann auch gekommen.
Der Saisonstart bei Viktoria wurde mit 1:2 verpatzt, im Anschluss folgte ein Remis gegen Erfurt. Wie groß war der mentale Rucksack des verpassten Aufstieges?
Bei Viktoria haben wir nichts auf den Rasen gebracht, wofür die Mannschaft eigentlich steht. Am Anfang war das mehr als begründet, dass es schwierig werden würde mit nur zwei Wochen Urlaub und vier Wochen Vorbereitung nach den bitteren Niederlagen gegen Unterhaching, als wir den Aufstieg verpasst hatten. Da ist es nur menschlich, dass Spieler ein bisschen Zeit brauchen, um in die Saison zu finden. Das sind aber normale Prozesse.
Das Glück kam schließlich zurück. Vergangene Woche verschoss beim 2:1-Sieg gegen Meuselwitz der Gegner einen Elfmeter und in der Schlussphase wurde ihr Keeper Alexander Sebald mit starken Reflexen zum Matchwinner.
Grundsätzlich ist das ein Verdienst der Arbeit. Wenn man die 90 Minuten gegen Meuselwitz betrachtet, hatten wir genug Chancen, dieses Spiel vorher für uns zu entscheiden. Das Gegentor und der Elfmeter waren individuelle Fehler, die beim Fußball einfach dazugehören. Dann verlierst du auch mal deine Souveränität. Das kann jeder Mannschaft passieren. Wie wir aber im Anschluss gearbeitet haben, das war völlig in Ordnung und da gehört es dann auch dazu, dass in der 94. Minute unser Torwart mit einer Doppelparade mal den Sieg festhält.
Ein weiteres Gesicht des Cottbuser Aufschwungs ist Tim Heike, der mit acht Toren in neun Spielen eine beachtliche Quote aufweist. Zu Beginn der Saison kam er häufig von der Bank, jetzt ist er im Sturm gesetzt. Was sagen sie zu seiner Entwicklung?
Dass er anfangs von der Bank kam, war auch dem geschuldet, dass er in der Vorbereitung wegen muskulärer Probleme drei Wochen ausgefallen war. Schon im letzten Jahr war er fünf Wochen wegen eines Trainingsunfalls ausgefallen, hatte dann später eine Knie-Operation, die ihn auch mehrere Monate außer Gefecht gesetzt hat. Bei ihm braucht man eine gute Belastungssteuerung. Ansonsten ist er ein Spieler, den wir vor zwei Jahren aus tiefster Überzeugung geholt haben, weil er eine unfassbare Abschlussstärke hat und instinktiv die Situationen erkennt. Man darf nicht vergessen, dass seine Tore von der Mannschaft sehr gut vorbereitet wurden. Die hat auch einen Anteil an seinen Treffern. Sein Sturmpartner Timmy Thiele hat vier Tore erzielt, aber auch schon fünf Assists.
Stichwort Belastungssteuerung: Mit 21 Spielern ist Ihr Kader im Vergleich zu den anderen Teams der Liga eher klein. Wird da die Länge der Verletztenliste am Ende zum Schlüssel, ob es für den Cottbuser Aufstieg reicht?
Gegenüber anderen Mannschaften ist die Kadergröße natürlich gering. Fakt ist aber auch, es muss finanzierbar sein. Von daher haben wir uns für einen Kader entschieden, der sehr variabel und flexibel ist. Viele Spieler können bei uns auf unterschiedlichen Positionen spielen, ohne einen Leistungsabfall zu haben. Wir können uns momentan nur 18 Feldspieler plus drei Torhüter leisten. Wenn Spieler auf dem Markt sind, die finanziell passen würden, dann hätten wir sie verpflichtet.
Werden Sie Ihre Stammspieler häufiger schonen? Jonas Hofmann hatte aus dem Meuselwitz-Spiel eine Blessur am Oberschenkel davongetragen, Tobias Hasse bekam einen Tritt ins Gesicht. Auf beide haben Sie in Wildau im Landespokal verzichtet. Werden Sie am Freitag in Eilenburg spielen?
Bei Jonas Hofmann ist die Wahrscheinlichkeit äußerst gering, dass er spielen kann. Bei Tobias Hasse liegt sie höher. Wenn sie 25 Feldspieler haben, dann müssen sie ja pro Spieltag auch neun Spieler auf die Tribüne setzen, das heißt auch: neun Mal maximale Unzufriedenheit. Es ist da ein Für und Wider. Natürlich ist es ärgerlich, wenn ein Spieler verletzt ist, aber bei 18 Feldspielern kommen über eine Saison gesehen auch alle Akteure auf ihre Spielzeiten.
Am Freitag spielen Sie beim Tabellen-16. in Eilenburg. Ihre Mannschaft ist klarer Favorit. Wie schätzen sie den Aufsteiger ein?
Eilenburg hat sechs Mal in Folge nicht verloren. Das zeugt von Geschlossenheit und Identifikation. So spielen sie auch: mit maximaler Intensität. Sie können vorne anlaufen, verfügen über gutes Umschaltspiel und sie können Tore über Standardsituationen erzielen. Das ist die Erkenntnis der Spielbeobachtung. Und jetzt gilt es für uns, den Schlüssel am Freitagabend zu finden, unsere Intensität und unsere Prinzipien auf den Platz zu bringen, um erfolgreich zu sein. Wichtig wird sein, dass wir konzentriert und diszipliniert bleiben.
Nach Eilenburg empfängt Ihr Team Jena, ehe es in zwei Wochen zum Spitzenspiel beim Greifswalder FC kommt. Überrascht es Sie, dass die Pommern momentan an der Tabellenspitze stehen?
Sie haben schon vor der Saison aufgrund ihrer namhaften Verpflichtungen ihre Ambitionen untermauert. Sie haben viel Tiefe im Kader und sie haben gute finanzielle Möglichkeiten. Man muss sich nur mal den Sturm anschauen. Im Mittelfeld haben sie einen Tom Weilandt [175 Spiele in der 2. Liga, Anm, der Red.] und im Tor steht Jakubov, der zuvor in Chemnitz einige Jahre sehr stabile Leistungen gezeigt hat. Von daher kommt die Tabellenführung nicht überraschend. Es ist aber auch nicht so, dass sie sich gegenüber anderen Mannschaften als wesentlich besser definieren.
Wer sind neben Greifswald aus ihrer Sicht die härtesten Konkurrenten um die Meisterschaft? Der BFC Dynamo und Rot-Weiß Erfurt?
Es ist nicht überraschend, dass der BFC da oben steht. Viktoria Berlin hat - unabhängig vom Sieg gegen uns - in Jena gewonnen und hätte aufgrund der Leistung auch gegen Greifswald gewinnen müssen. Aber erinnern Sie sich an den Saisonbeginn, da stand Hertha II nach vier Siegen plötzlich an der Spitze und es wurde diskutiert, ob sie aufsteigen dürfen. Ähnlich war es letztes Jahr, als zum Auftakt der BAK ganz oben stand. Am Ende lagen sie 31 Punkte hinter uns. Egal, ob das jetzt Jena, Babelsberg oder Lok Leipzig ist – alle sind ambitioniert.
Was braucht man, um am Ende aufzusteigen?
Entscheidend ist am Ende die Konstanz in einer solch extrem ausgeglichenen Liga. Du musst bei dir bleiben, brauchst einen starken Zusammenhalt. Und du brauchst das Miteinander.
Herr Wollitz, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Fabian Friedmann für den rbbSport.
Sendung: rbb24|Interview, 05.10.2023, 15:15 Uhr
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