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Sportvereine in Berlin und Brandenburg

Mit einem Rekordhoch aus der Pandemie

Nach einem Einbruch in Corona-Zeiten verzeichnen Sportvereine in Berlin und Brandenburg nun ein Rekordwachstum. Kaum eine Sportart verliert und vor allem die Ballsportarten erleben einen Ansturm. Das führt aber auch zu Problemen. Von Lukas Witte

Fast 800.000 Mitglieder haben die Sportverbände Deutschlands während der Pandemie verloren. Aktuelle Zahlen des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) zeigen nun: Der Sport hat sich wieder erholt, die Mitgliederzahlen lagen Anfang 2023 wieder auf dem Niveau von vor zehn Jahren. Auch in Berlin und Brandenburg macht sich diese Entwicklung deutlich bemerkbar.

6,6 Prozent Zuwachs

Berliner Sportvereine melden Rekord-Mitgliederzahlen

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Noch nie waren in den Sportvereinen der beiden Bundesländer so viele Menschen angemeldet wie zu Beginn des Jahres 2023. In Berlin haben die Sportvereine im vergangenen Jahr 45.324 neue Mitgliedschaften gewonnen und stehen somit auf einem neuen Rekordstand von 729.622. "Wir sind sehr zufrieden, dass wir die Schatten der Corona-Pandemie hinter uns lassen konnten und ein großes Wachstum verzeichnen konnten", sagt der Direktor des Berliner Landessportbunds (LSB), Friedhard Teuffel.

Dass die Steigerung nach der Pandemie aber so enorm ausfallen würde, darüber sei man schon überrascht gewesen, so der Direktor. Erstmals verzeichnete der LSB ein stärkeres Wachstum als die Hauptstadt selbst. Während sich die Mitgliederzahlen in Sportvereinen im Erhebungsjahr 2022 um mehr als sechs Prozent steigerten, wuchs die Einwohnerzahl Berlins im selben Zeitraum nur um rund zwei Prozent. "Dass es mehr werden würden als vor der Pandemie haben wir schon gehofft, aber von diesem Ausmaß waren wir dann doch überrascht", erklärt Teuffel.

Rekordhoch auch in Brandenburg

Auch der Brandenburger Landessportbund verzeichnete zum 1. Januar 2023 ein Allzeit-Hoch. 361.829 Menschen waren zu diesem Zeitpunkt Mitglied in einem der 2.969 Sportvereine. "Das ist eine wunderbare Entwicklung", sagte Andreas Gerlach, Vorstandsvorsitzender des LSB.

Zur Pandemie-Zeiten hatte es einen Knick in der Entwicklung der Mitgliedszahlen gegeben, nachdem die Kurve in den 20 Jahren davor eigentlich immer nach oben gegangen war. Dass sich der positive Trend nun wieder fortsetzt, freut beim LSB zwar alle, große Überraschung gab es darüber jedoch nicht. "Dass es mit der Wiedereröffnung wieder steigen würde, war eigentlich eine logische Folge. Denn die Bürgerinnen und Bürger wollen Sport treiben", so Gerlach.

Davon ist auch sein Kollege in Berlin überzeugt. "Viele Menschen haben gemerkt, was in der Pandemie gefehlt hat. Und das waren eben Bewegung und Gemeinschaft. Und Bewegung in Gemeinschaft ist am besten im Sportverein möglich", sagt Teuffel.

Wachstum ohne große Verlierer

Auffällig ist auch, dass dieses Wachstum sich sowohl in Berlin als auch in Brandenburg bunt auf die Sportarten verteilt. "Wir müssen uns definitiv um keine Sportart ernsthafte Sorgen machen und bei fast allen sind Zuwächse zu verzeichnen", berichtet Gerlach aus Brandenburg. Alle olympischen Sportarten wachsen im Land und lediglich der Reha- und Gesundheitssport hat derzeit noch etwas Schwierigkeiten, sich von der Pandemie zu berappeln.

Genau so sieht es in der Hauptstadt aus. "Wir haben die größten Einbrüche bei Sportverbänden verzeichnet, die eher auf ein Kurssystem gesetzt haben", erklärt LSB-Direktor Teuffel. Zwar würde sich auch der Rehasport wieder erholen, allerdings viel langsamer als andere. "Die Mitglieder sind dort meist nicht so stark mit dem Verein verbunden. Wenn der Kurs dann ausfällt, sind sie raus."

In anderen Sportarten würden Vereine weniger als Dienstleister, sondern mehr als Solidargemeinschaft angesehen, glaubt er. Deshalb seien die Sportlerinnen und Sportler diesen in der Pandemie eher treu geblieben und sie konnten sich nun schneller erholen als der Gesundheitssport. Aber auch dieser scheint sich mittlerweile wieder nach und nach zu stabilisieren.

Vor allem Ballsportarten profitieren

In beiden Bundesländern gibt es mittlerweile so viele Vereine wie niemals zuvor. Auch die Vielfalt an Sportarten ist stark gewachsen. Es gibt kaum mehr etwas, dass man nicht im Verein machen kann. Vor allem Trendsportarten ziehen dabei immer mehr Mitglieder an. In der Hauptstadt ist so zum Beispiel der deutsche Alpenverein zum mitgliederstärksten Sportverein hinter dem 1. FC Union Berlin und Hertha BSC geworden. "Früher waren die Menschen dort vor allem Mitglied, um die Hütten in den Alpen nutzen zu können. Heute ist Klettern aber eine populäre Sportart, die sogar olympisch ist und gerade bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt", erklärt Teuffel.

Vor allem junge Menschen sind nach der Pandemie wieder massenhaft in die Sportvereine geströmt. "Deshalb sind die Wachstumsraten bei Sportarten, die bei Jugendlichen beliebt sind, besonders hoch", so der LSB-Direktor. Das sind aber nicht nur Trendsportarten, sondern auch etablierte Kernsportarten. Fußball, Handball, Basketball und Volleyball haben zum Beispiel alle erheblichen Zuwachs seit Corona verzeichnet. "Dort werden immer wieder neue Mannschaften aufgemacht", berichtet Gerlach aus Brandenburg.

Volleyball-Boom in Brandenburg

In der Hauptstadt erlebt vor allem der Basketball-Verband derzeit einen Höhenflug: Fast 8.000 neue Mitglieder konnte die Sportart in den vergangenen Jahren gewinnen. In Brandenburg scheinen sich Menschen hingegen eher für Volleyball zu begeistern. Die Sportart boomt. In den vergangenen zehn Jahren stiegen die Mitgliedszahlen in den Volleyball-Klubs des Landes um rund 20 Prozent.

Einer der neueren Vereine ist der VC Blau-Weiß Brandenburg, der sich 2014 mit 36 Mitgliedern neu aufgestellt hatte – heute zählt er über 380. "Gerade in der Zeit nach Corona, als es wieder so richtig losging, gab es eigentlich keine Woche, in der wir nicht zwei oder drei neue Anfragen für ein Probetraining hatten", erklärt der hauptberufliche Trainer Sebastian Pfeiffer.

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Für Pfeiffer gibt es dafür mehrere Gründe. Es hätte zuletzt wieder geburtenstarke Jahrgänge gegeben und es würden deshalb grundsätzlich immer mehr Kinder ihren Weg in den organisierten Sport finden. Dass diese sich dann für Volleyball entscheiden, würde an der verbesserten Sichtbarkeit der Sportart liegen. "Volleyball wird in den Medien immer präsenter. Ab der Regionalliga gibt es eigentlich fast bei jedem Spiel die Möglichkeit, einen Livestream zu verfolgen. Und so doof es klingt: Ganz viele Kinder, die sich in der letzten Zeit bei uns angemeldet haben, haben es aufgrund einer Netflix-Serie getan", sagt der Trainer. Haikyu heißt diese japanische Manga-Serie, in der ein junger Spieler auf dem Weg zum Titel mit seiner Schulmannschaft einige Höhen und Tiefen erlebt.

Außerdem gibt es mit den Volleyballerinnen des SC Potsdams mittlerweile ein echtes Spitzenteam in Brandenburg. "In Potsdam ist die Halle meistens ausverkauft und die Stimmung ist klasse. Das trägt auch die Sportart. Die Begeisterung über den Erstliga-Frauen-Volleyball hat für einen enormen Schub gesorgt, das sieht man ganz deutlich", berichtet Britta Müller, die Präsidentin des Brandenburgischen Volleyball-Verbands. Doch nicht nur in der Landeshauptstadt zieht der Profi-Volleyball die Menschen mittlerweile an: Mit den Netzhoppers gibt es einen weiteren Erstligisten und mit dem SV Energie Cottbus, der TSGL Schöneiche und dem SV Lindow-Granssee mittlerweile auch mehrere Zweitligisten quer in Brandenburg verteilt.

Zu wenig Hallen und Personal für den Ansturm

Der Hype um die Sportart stellt die Vereine jedoch auch vor Probleme. "Wachstumsschmerzen" nennt Müller diese etwas scherzhaft. Die Präsidentin beschäftigt vor allem das fehlende Personal, um den vielen neuen Volleyballern beste Bedingungen bieten zu können. "Die Menschen stehen nicht mehr vor der Tür und wollen Aufgaben übernehmen. Es ist eine große Herausforderung, Ehrenamtliche zu finden", sagt sie.

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Diese Wachstumsschmerzen betreffen aber bei weitem nicht nur den Volleyball. "Wir hören von vielen Vereinen, dass es derzeit lange Wartelisten gibt – gerade in den Ballsportarten. Das ist sehr unbefriedigend", sagt der Direktor des LSB Berlin. Teuffel berichtet, dass die Vereine währen der Pandemie viele Übungsleiter verloren hätten. "Manche sind zurückgekommen, aber eben nicht alle", sagt er.

In Berlin käme zusätzlich das große Problem der fehlenden oder mangelhaften Sportstätten hinzu. Es würde einen hohen Sanierungsstau geben. "Der liegt bei fast einer Milliarde, wenn man die Bäder mitrechnet", erklärt Teuffel. "Wir werden, was die Förderprogramme betrifft, zwar insgesamt gut vom Senat unterstützt, bei der Infrastruktur muss man aber sagen, sind es meistens nur Tropfen auf den heißen Stein. Da müsste man wirklich mal eine Sanierungs- und Bauoffensive für Sportstätten ausrufen."

Neue Rekorde bereits in Sicht

Der LSB Berlin werde nicht müde, dieses Anliegen in der Politik zu platzieren, sagt Teuffel. Schließlich prophezeit er auch für die kommenden Jahre ein Wachstum des organisierten Sports. "Alleine deshalb, weil auch die Stadt weiterwächst." Aber nur wenn es mehr Personal und ausreichend Sportstätten gäbe, könnte man den vielen Sportlerinnen und Sportlern in Berlin auch gerecht werden. "Es geht uns ja nicht um ein Wachstum als Selbstzweck, sondern es geht um eine insgesamt bewegte Gesellschaft", sagt Teuffel.

Sendung: rbb24, 19.11.2023, 18 Uhr

Beitrag von Lukas Witte

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