Unions Leverkusen-Gastspiel in der Analyse - Zurück ins Unglück

So 12.11.23 | 20:28 Uhr
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Union-Trainer Urs Fischer (imago images/Matthias Koch)
Audio: rbb24 Inforadio | 12.11.2023 | Tabea Kunze | Bild: imago images/Matthias Koch

Vier Tage nach dem Ende der Niederlagenserie in Pflichtspielen holt sich der 1. FC Union die nächste Pleite. Beim 0:4 in Leverkusen patzten die Spieler, aber auch Trainer Urs Fischer muss sich Fragen zu seiner Aufstellung gefallen lassen. Von Till Oppermann

In der 64. Spielminute hätte Union Berlins Michael Gspurning auch einfach eine weiße Fahne schwenken können. Stattdessen hielt der Co-Trainer von Urs Fischer eine Tafel in den Himmel, mit der er die Einwechselung von Brenden Aaronson ankündigte. Beim Stand von 0:2 gegen Bayer Leverkusen brachte Urs Fischer den Mittelfeldspieler für Angreifer Sheraldo Becker.

Offenbar war der Trainer auf Schadensbegrenzung aus. "Heute war ein Klassenunterschied zu sehen", schimpfte Fischer nach dem Spiel im TV-Interview bei DAZN. Spätestens knapp 30 Minuten vor Schluss gab der Schweizer die Hoffnung auf einen Punkt auf.

Union wiederholt individuelle Fehler

Ihr letztes Bundesligator schossen die Eisernen vor über einem Monat in Dortmund. Seitdem rutschte Union bis auf die Abstiegsränge ab. Die kommende Länderspielpause verbringen die Berliner sogar auf dem letzten Tabellenplatz. Christopher Trimmel war sich sicher: "Wir müssen uns in sehr vielen Bereichen verbessern, wenn wir die Klasse halten wollen."

Auf das besonders von den Fans bejubelte 1:1 in Neapel und das Ende der Niederlagenserie im 13. Spiel folgt ein heftiger Kater. Union findet sich in der paradoxen Situation wieder, unter der Woche noch um den Einzug in die Zwischenrunde der Europa League zu spielen und am Wochenende für den Klassenerhalt zu kämpfen. Wobei "kämpfen" am Sonntag das falsche Wort für den Auftritt seiner Mannschaft war, sagte Urs Fischer, der ankündigte, die Haltung klar ansprechen zu wollen: "Wenn du im Abstiegskampf spielst, braucht es eine andere Körpersprache und Mentalität."

"Haben es ihnen viel zu einfach gemacht"

Nach der Leistung in Leverkusen werden sich die Spieler in der Tat reichlich Kritik anhören dürfen. Der Trainer fing schon wenige Minuten nach dem Abpfiff damit an. "Wir haben es ihnen viel zu einfach gemacht", klagte Fischer und meinte die Gegentore. Eines fiel nach einem Fehlpass am eigenen Strafraum, zwei nach gegnerischen Ecken und das letzte im Konter nach einem eigenen Freistoß.

In jeder dieser Situationen sahen die Berliner gruppentaktisch und individuell schlecht aus. Unions Spieler wiederholten Fehler, die sie in dieser Saison bereits häufiger gemacht haben. Schon vor Wochen hatte Christopher Trimmel gewarnt: "Wir sind gerade einfach nicht gut genug". Seitdem hat sich daran wenig geändert. Verein, Fans und Fischer selbst halten den Schweizer weiter für den richtigen Union-Trainer. Dass seine Spieler immer wieder individuell patzen, trägt einen Teil dazu bei – denn man kann es Fischer schwer vorwerfen, wenn sein Plan für eine Partie an sportlichen Aussetzern seines Teams scheitert.

Fischer sollte schneller wechseln

Für den Trainer wird es erst dann wirklich eng, wenn dauerhaft in Frage steht, ob er denn den richtigen Plan hatte. Für das Spiel gegen Leverkusen wählte Fischer – abgesehen von dem gesperrten Rani Khedira – dieselbe Startformation wie vor dem Remis gegen Napoli. Eine naheliegende Entscheidung. Schließlich war die Abwehr in diesem Spiel mit Paul Jaeckel und Jerome Roussillon stabiler gewesen als vorher, Aissa Laidouni brachte Passsicherheit und Körperlichkeit ins Mittelfeld und die schnellen Angreifer David Datro Fofana und Sheraldo Becker waren eine ständige Gefahr bei Kontern.

Gegen Leverkusen funktionierte dieser Ansatz nicht. Nach den ersten 45 Minuten hatte Union noch keinen Torschuss und konnte gleichzeitig froh sein, dass es erst 0:1 stand. "Wir hatten in der ersten Halbzeit keinen Zugriff", meinte auch Kapitän Trimmel. Fischers Reaktion: Zur Pause brachte er Rechtsverteidiger Trimmel für Josip Juranovic. Die Spielanlage änderte er nicht. Fischer beteuerte zwar, dass er nicht an Sachen festhalten würde, die nicht funktionieren. Im Kern tat er aber genau das: Die Köpenicker spielten gegen Leverkusen weiter im selben System denselben Fußball. Und jetzt ist Union Letzter.

Kral ist überfordert

Dabei wären Änderungen möglich gewesen: Becker und Fofana konnten ihr Tempo gegen die schnellen Leverkusen-Verteidiger kaum ausspielen. Um Bälle in der Spitze festzumachen, hätte der kopfballstärke Kevin Behrens einen der beiden Angreifer ersetzen sollen. Die Option hätte auch bei einem anderen Problem helfen können. Im Spielaufbau fabrizierte Union immer wieder schwere Fehler, die den Gegner ins Spiel brachten.

Besonders dem überforderten Alex Kral hätte es wohl gut getan, auch mal einen langen Ball schlagen zu können. Der Tscheche war es, der Leverkusen mit seinem Fehlpass am eigenen Strafraum erst zum 0:1 eingeladen hatte. Urs Fischers Plan, mit einem 5-2-2-1-System das Zentrum dicht zu machen, konnte mit Kral in seiner aktuellen Form nicht aufgehen. Seine fehlende Vororientierung und schlechtes Stellungsspiel reißen immer wieder Lücken in der Mitte. Kral scheint derzeit nicht in der Lage sein, sich genug auf seine Aktionen zu fokussieren. Unions einziger Vorteil: Der Kader ist gerade in der Zentrale groß genug, um Union neu zu erfinden.

Sendung: rbb24, 12.11.2023, 22 Uhr

17 Kommentare

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  1. 17.

    Haltet den Ball flach, Leute.
    Gegen Leverkusen sieht z. Zt. jeder schlecht aus, die spielen mit den Bayern dieses Saison bis jetzt in einer eigenen Liga.
    Nächstes Spiel wird es besser.

  2. 16.

    Außerordentlich realistisch. Nach ca. 29 Millonen Transferausgaben ist sicher ein Abstieg völlig belanglos.

  3. 15.

    ...mit einem Wort:
    Karma!

    Das, was die Köpenicker in ihrer bisherigen Bundesligakarriere anboten, war selbst nach eigenen Aussagen unattraktiver Ergebnisfußball.
    Nun klappt es nicht mehr damit und verdienter Maßen stehen sie da unten.

    An einen Abstieg glaube ich aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht - da sind andere Clubs noch schlechter, bzw. sind schlechter aufgestellt.
    Wäre aber auch nicht das schlechteste Saisonfinale für den neutralen Zuschauer, wenn es zu einer Relegation gegen Hertha kommen würde... Beide Vereine müssen sich diese aber auch noch verdienen...

  4. 14.

    Vlt sollte die Herrn-Mannschaft mal beim Spiel der eigenen Damen - Mannschaft vorbei schauen.
    In Dialog treten. Die Damen spielen auch nur mit einem Ball....... Zwinker

  5. 13.

    Erstens ist Kruse gegangen, weil das Angebot ein doppeltes Einkommen war! Und auch viele der Leistungsträger gingen von sich aus, weil sie eine weitere finanzielle und sportliche Entwicklung wollen! Wer immer noch glaubt, dass es im Profisport um Vereinsliebe geht, träumt den falschen Traum. Es geht in erster Linie um Geld. Und auch ich würde mein Arbeitsplatz für ein höheres Gehalt und bessere Konditionen wechseln.
    Eisernes HaHoHe

  6. 12.

    Mit der Meinung kann ich leben, allerdings sind die letzten Messen noch nicht gelesen, Union kann die Klasse noch allemal halten. Ich habe das letzte Punktspiel in der 2. Liga gesehen, war sonst nur noch bei Vorbereitungsspielen. Es ist auf jeden Fall viel zu früh für einen Abgesang. 2. Liga hat mir auch immer gereicht, jetzt ist Union aber nun mal ganz oben und es darf gerne so bleiben. U.N.V.E.U.

  7. 11.

    ... auch wenn hier beim rbb einige Union-Fans: "KEIN Problem, dann eben zweite Liga ... "
    Ob das die Führung bei Union genauso sieht ?!? Vor der Saison wurden für Transfers ein Minus von knapp 30 Mio € ausgegeben. Bestimmt nicht um in der CL nach 4 Spieltagen nur 1 Pünktchen zu haben.
    Umso länger der Negativtrend andauert desto mehr schwindet auch der Marktwert der Spieler.
    Viele Spieler (auch die geliehenen) haben bestimmt ein höheres Durchschnittsgehalt wie letzte Saison.
    Der Kader wurde für die CL und oberes Mittelfeld in der BL zusammengestellt - Viele Spieler können bei Erfolg super spielen, aber kennen keinen Abstiegskampf !!!
    Ob ein anderer Trainer mit dieser Mannschaft etwas ändern könnte, glaube ich nicht wirklich
    Mit jeder Niederlage wird der Kopf mehr blockiert und es immer schwerer. 2 Torschüsse bei Bayer waren auch den treuen Union-Fans zu wenig und es gab schon erste Missmutäußerungen.

  8. 10.

    Dieser Pessimismus - ab jetzt kann es doch nur noch Aufwärts gehen. Man muß keine Angst mehr davor haben in der Tabelle weiter abzurutschen. Die Erwartungen an die Mannschaft sind inzwischen minimal. Union hat also nichts mehr zu verlieren, das kann Last von den Schultern nehmen und den Kopf frei machen.
    Das einzige Problem ist die fehlende 2.Mannschaft, aus der man jetzt dem einen oder anderen mental unbelasteten Spieler eine Chance geben könnte.

  9. 9.

    "Am Ende spielen wir halt wieder gemütlich in der 2. Liga. Nicht schlimm."

    Für eine Mannschaft ohne Siegermentalität ist dies natürlich nicht schlimm.

  10. 8.

    Der Fischer klebt bis zum 30. Spieltag auf seinem Stuhl, danach kann Pedda Neururer den Abstieg auch nicht mehr verhindern!

  11. 7.

    Trimmel ist eine feste, besonnene Stütze. Ausgerechnet ihn hier schlechtreden zu wollen, spricht nicht für gute Absichten. Ohne Trimmel wäre Union für die Gegner ein leichtes Fressen.

    Hat jemand gemerkt, wie erfolgreich für Unionfrauen gerade sind?!

  12. 5.

    Am Ende spielen wir halt wieder gemütlich in der 2. Liga. Nicht schlimm. Hauptsache der Erstliga-Ausflug es endet nicht in Überschuldung (wie bei anderen, Zwinker). Erfolge kommen und gehen. Und wenn der Hype vorbei ist, sind die echten treuen Fans immer noch da und bekommen dann auch wieder Karten.

    Wir hätten den Aufstieg in die 1. Liga nicht gebraucht und sind nun auch nicht allzu enttäuscht. Union tickt anders. Die Eisernen sind echte Fans und nicht solche Erfolgsmitläufer wie die in München, die bei einem verlorenen Spiel schon vor dem Schlusspfiff das Stadion verlassen. Wir feiern unsere Spieler und unseren Trainer, auch wenn sie verlieren. Eisern!

  13. 4.

    Die Fehlentscheidungen des Trainers begannen doch schon Anfang 2022, als er den erfolgreichen Offensivspieler Max Kruse gehen ließ.

  14. 3.

    Es tut mir in der Seele weh und die eisernen Fans brauchen jetzt schon ein sehr dickes Fell. Ich weiss, Union tickt anders als die meisten BL-Vereine, aber irgendwann sind Konsequenzen unumgänglich. Dringende Analyse: Was ist in der Saisonpause schief gelaufen?

  15. 2.

    Und vor allem auch der Geschäftsführer, er hat diese Mannschaft zu verantworten.

  16. 1.

    Nicht nur der Trainer, sondern auch der Spielfuehrer Trimmel steht zur Disposition. Beide können der Mannschaft keine entscheidenden Impulse mehr vermitteln. Traurig aber wahr.

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