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Audio: rbb24 Inforadio | 08.11.2023 | Ilja Behnisch | Quelle: imago images/Beautiful Sports

Hertha-Präsident Kay Bernstein

500 erste Dates

Seit 500 Tagen ist Kay Bernstein nun Präsident bei Hertha BSC. Die Stimmung im und um den Verein ist seither erheblich besser geworden. Auch, weil Bernstein häufig so wirkt, als sei er erst seit gestern im Amt. Dabei gibt es durchaus Kritik. Von Ilja Behnisch

Vielleicht hat Michael Preetz es ja kommen sehen. "hinzufügen. I k kkmm mom", lautete der bis dato letzte Tweet [twitter.com], den der ehemalige Hertha-Manager auf der damals noch Twitter genannten Social-Media-Plattform absetzte. Kurz vor der zumindest in seiner Deutlichkeit überraschenden Wahl von Kay Bernstein zum neuen Präsidenten von Fußball-Bundesligist Hertha BSC. Seither sind 500 Tage vergangen. Was die Frage aufwirft: Wie fällt die Zwischenbilanz aus? Alles dufte oder doch eher "I k kkmm mom"?

Präsidentschaftswahlen bei Bundesliga-Klubs sind selten Straßenfeger. Meist interessiert sich nur ein Bruchteil der Anhänger dafür, wer formell das Sagen hat in ihrem Klub. Dass das im Juni 2022 anders war, als bei der Hertha nach 14 Jahren Amtszeit ein Nachfolger von Werner Gegenbauer gesucht wurde, lag vor allem an ihm, an Kay Bernstein. Dem Präsidenten aus der Kurve. Dem ehemaligen Ultra-Vorsänger mit Stadionverbot in der Vita. Mit dem sich Schlagzeilen machen ließen ("Wird er Pyros legalisieren und das Olympiastadion in einen Feuertopf verwandeln?"; BILD). Und offenbar Wahlen gewinnen.

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Ein elektrischer Mannschaftsbus und keinesfalls "Sportwetten-Kohle"

Als Bernstein einen Monat zuvor seine Kandidatur bekannt gab, lächelte noch so mancher Beobachter munter auf. Zwar vermittelte Bernstein gekonnt den Eindruck, mit seiner Kommunikationsagentur "Team Bernstein" zu einem erfolgreichen Unternehmer geworden zu sein. Doch die mangelnde Erfahrung als Funktionär und in Gremien werde ihm bald um die Ohren fliegen, unkten die Kritiker. Und dann war da noch das Wahlprogramm seiner Initiative "Wir Herthaner".

Von Fahrrad-Sternfahrten an Spieltagen und "Pressekonferenzen mit Mehrwert" war da die Rede. Der Mannschaftsbus solle künftig elektrisch fahren und Gremien-Sitzungen live im Internet übertragen werden. Die Botschaft war klar. Hier entwarf einer eine grundsätzlich andere Vision von Fußball-Klub. "Stell dir vor, Hertha BSC verzichtet auf die schmutzige Sportwetten-Kohle", hieß es zum Beispiel. Eine Passage, die ihm von beratender Seite ins Programm geschrieben worden sein soll und über die noch zu reden sein wird.

Die Ansprache jedenfalls kam an. Womöglich auch, weil die Präsidentschaftswahl am Ende auf ein Duell zwischen Bernstein und Frank Steffel hinauslief. Steffel, alter, West-Berliner Politik-Adel mit einer Biographie, deren Eckpunkte fast schon als Klischee durchgehen würden: mittelständischer Unternehmer, aberkannte Doktorwürde, krachende Niederlage bei der Wahl zum Bürgermeister 2001, dafür Wahl zum "peinlichsten Berliner", ehrenamtlicher Präsident des Handball-Klubs Füchse Berlin. Bernstein gegen Steffel, das war "alles anders machen" gegen "weiter wie immer". Man muss sich das nochmals vor Augen führen, um zu verstehen, warum Bernstein überhaupt zum Präsidenten gekürt wurde. Und um richtig einordnen zu können, wie seine Arbeit seither zu bewerten ist.

Nach Brüggemann-Rücktritt

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"Wir haben ganz viel zum Positiven verändert"

50.000 Mitglieder hat der Verein Hertha BSC, dessen Präsident Bernstein ist, inzwischen und damit auch: 50.000 Stimmberechtigte. Bei der Wahl vor 500 Tage hingegen wurden insgesamt nur 3.016 (gültige) Willensäußerungen gezählt. 54 Prozent davon entfielen auf Bernstein. Der von der stillen Mehrheit, jenen, die Hertha im Herzen tragen, die aber nicht auf Mitgliederversammlungen auftauchen, mit einem "na, soll er mal machen, schlimmer kann es ja nicht werden" ins Amt begleitet wurde. 500 Tage später fällt die Bilanz zwiegespalten aus.

Bernstein selbst sagt gegenüber rbb|24: "Ich würde mich ungern selbst bewerten. Aber nach 500 Tagen kann ich sagen — wir haben ganz viel zum Positiven verändert. Wir im Präsidium, wir im Verein. Wir haben die Sanierung und die Restrukurierung vorangetrieben, den sportlichen Umbruch gemeistert. Wir haben eine demütigere Kommunikation als Verein. Wir haben das mitgliederstärkste Jahr der Vereinsgeschichte, einen Zuschauerrekord. Wir sind auf einem guten Weg. Wenn wir demütig bleiben und weiter alles für diesen Verein tun, wird der Berliner Weg zum Erfolg führen."

Bernstein mischt überall mit

Hört man sich um, rund um den Verein, erntet Bernstein zumindest in Hinblick auf die Außendarstellung jede Menge Lob. Die Stimmung ist geradezu prächtig und das trotz Abstiegs, Lizenz-Problemen, schleppender Sommertransfers und durchwachsenem Start in die 16. Zweit-Ligasaison der Geschichte. Bernstein, Präsident des eingetragenen Vereins, der wiederum die Kontrolle über die ausgegliederte Profi-Abteilung hat, versteht es, die aktuelle Situation zu begleiten, in dem er sie als alternativlos darstellt.

Natürlich waren Trainer Sandro Schwarz und Manager Fredi Bobic, die sportlich Hauptverantwortlichen während des Bundesliga-Abstiegs 2022/23, schon da, als Bernstein ins Amt kam. Natürlich waren die Windhorst-Millionen längst verbrannt und zum Schulden-Bumerang geworden. Und natürlich hat der Präsident des e.V. tatsächlich nur bedingten Gestaltungsspielraum. Doch Bernstein, von dem es heißt, er habe ein tragfähiges Bündnis mit Torsten-Jörn Klein, dem Aufsichtsratsvorsitzenden des e.V., mischt kräftig mit im Alltagsgeschäft. Er mache sogar ein bisschen zu viel, heißt es, sitze in sämtlichen Gremien und Sitzungen, die auch wegen ihm tendenziell eher zu lange dauern.

Alles alternativlos

Die Kritiker innerhalb des Vereins sind nach und nach gegangen oder gegangen worden. Zuletzt der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Brüggemann, der öffentlichkeitswirksam am Tag der Mitgliederversammlung seinen Rücktritt einreichte und Bernstein attestierte, im Amt "überfordert" zu sein. Diskussionswürdig ist in Bernsteins 500 Tagen tatsächlich so einiges.

So sagte Bernstein Ende 2022 gegenüber dem "Kicker" [kicker.de]: "Diese und die folgende Saison sind durchfinanziert." Pläne Ingo Schillers, bis zum 31. Oktober 2022 Geschäftsführer Finanzen bei Hertha BSC, der eine Anleihe über 40 Millionen Euro vorzeitig verlängern wollte, um die Liquidität zu sichern, erteilten Bernstein und Co. eine Absage. So wirklich durchfinanziert war die "folgende" Saison, also die nun gestartete Saison 2023/24, dann aber offenbar doch nicht. Hertha drohte im Sommer der Lizenz-Entzug. Am Ende behalf man sich, siehe da, unter anderem mit der Verlängerung einer Anleihe über 40 Millionen Euro, aus der nun dank gestiegenem Zinssatz rund 60 Millionen Euro Schulden werden.

Für Unruhe unter den Anhängern hat dieses Manöver nicht gesorgt. Alles alternativlos, alles Berliner Weg. So kommuniziert es der Klub unter Bernstein und die Anhänger nehmen es hin. Auch als entgegen der Ankündigung im Wahlprogramm Bernsteins plötzlich doch ein Wettanbieter als Brustsponsor des Vereins an Land gezogen wird, regt sich nur kurz Widerstand. So wurde der Umstand auf der Mitgliederversammlung Mitte Oktober mit keiner einzigen Wortmeldung erwähnt. Und Bernstein? Spricht davon, dass es "keine Alternative gab" und gut ist.

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Wenig Ergebnis, viel Gefühl

Auch der Umgang im Fall von Torhüter Marius Gersbeck hätte durchaus für Unruhe sorgen können. Schließlich hatte man Fredi Bobic, den ehemaligen Geschäftsführer Sport, noch fristlos gekündigt, nachdem dieser einem rbb-Reporter angedroht hatte, bei neuerlichen Nachfragen "eine gescheuert" zu bekommen. Gersbeck hingegen hatte im österreichischen Trainingslager tatsächlich zugelangt, sich dafür vor Gericht verantworten müssen und dennoch eine zweite Chance erhalten. Über die Vergleichbarkeit der beiden Vorfälle ließe sich trefflich streiten. Dass die Anhängerschaft das kaum tut, ist mindestens erstaunlich.

Und so bleibt nach den 500 Tagen, die Kay Bernstein nun Präsident von Hertha BSC ist, zu konstatieren, dass die Bilanz bei den harten Themen, bei allem rund ums Sportliche und Finanzielle, maximal durchwachsen ist. Das Gefühl rund um den Klub hingegen, das ist freilich so gut wie lange nicht. Und vielleicht ist das die Lehre. Dass es im Ergebnis-Sport Fußball eben doch nicht immer nur um Ergebnisse geht. Sondern vor allem auch ums Gefühl. Oder um es mit den Worten von Michael Preetz zu sagen: "I k kkmm mom".

Sendung: rbb24 Inforadio, 8.11.2023, 21 Uhr

Beitrag von Ilja Behnisch

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