Hertha vor Partie in Rostock
Nach zwei Pflichtspiel-Siegen in Folge herrscht beste Laune rund um Hertha BSC. Vor dem Auswärtsspiel in Rostock scheint diese Stimmung wenig trüben zu können. Wenn da nicht eine gewisse Brisanz wäre.
So läuft es sportlich bei Hansa:
Rostock liegt aktuell mit zwölf Punkten aus elf Spielen auf Platz 15 in der Tabelle und damit immerhin noch sechs Punkte vor einem direkten Abstiegsplatz. Das Polster allerdings rührt vom gelungenen Saisonstart her. Die aktuelle Formkurve hingegen nimmt eher Union Berlin-Züge an. Sechs der letzten sieben Spiele verloren die Norddeutschen, einzig gegen Schlusslicht Braunschweig gelang Ende September ein 1:0-Sieg. Weshalb die Lage für Hansa-Fan und Autor Peter Czoch "mit bescheiden noch gut ausgedrückt" ist.
Der gute Beginn, mit drei Siegen aus den ersten vier Spielen, hätte über so einige Defizite hinweg getäuscht. Defensiv sei die Mannschaft dabei noch weitesgehend stabil. Offensiv hingegen "fehlt die Idee, was man eigentlich mit dem Ball macht, wenn man ihn denn mal hat", so Czoch. Zudem leide das Angriffsspiel an häufig ungenauen Pässen und schwachen Abschlüssen. Auf Czoch wirkt es, "als habe die verunsicherte Mannschaft keine klare Spielidee". Trotzdem sei die Stimmung rund um den Verein noch vergleichsweise ruhig. Auch Trainer Alois Schwartz stünde nur bei vereinzelten Fans in der Kritik.
Das Spiel gegen die Hertha steht unter besonderen Vorzeichen, das Duell gilt als vorbelastet. Grund dafür ist vor allem das letzte Aufeinandertreffen beider Klubs im August 2017. Der damalige Bundesligist aus Berlin gewann beim damaligen Drittligisten mit 2:0. Überschattet wurde das Spiel jedoch von Ausschreitungen und einer 18-minütigen Spielunterbrechung. Auch ein Spielabbruch schien zeitweise möglich. Grund für die Krawalle war ein 30 Meter breites Banner "Ostkurve Hertha BSC", welches im Jahr 2014 entwendet und bei diesem Spiel in der Kurve Hansas präsentiert worden war.
Zusätzliche Brisanz könnte die Begegnung durch den Tod eines Hertha-Fans im Mai 2022 erhalten. Nach dem Relegations-Hinspiel gegen den Hamburger SV am 19. Mai 2022 war dieser auf dem Heimweg mit einem Hansa-Fan in Streit geraten, nach einem Faustschlag mit dem Hinterkopf auf den Asphalt aufgeschlagen und an den daraus resultierenden Verletzungen verstorben.
Er ist nicht nur laut "transfermarkt.de" der wertvollste Spieler im Hansa-Kader, sondern laut Hansa-Autor Czoch auch der gefährlichste. "Auf Juan-José Perea sollte Hertha achten", sagt er über die kolumbianische Leihgabe des VfB Stuttgart, die mit drei Saisontreffern zugleich auch Top-Torjäger der Rostocker ist. Der 23-jährige Mittelstürmer sei "sehr gefährlich, sehr trickreich", müsse aber "bedient werden", so Czoch. Womit wir wieder bei den Problemen des kommenden Hertha-Gegners wären.
Pal Dardai: "Wenn wir so spielen wie zuletzt in Mainz, hat die Mannschaft eine richtige Ausstrahlung, dann haben wir gegen jeden Gegner eine Chance. Wir müssen das jetzt bestätigen und immer wieder zeigen."
Alois Schwarz: "Wir machen Schritte nach vorne, aber leider noch nicht im Ergebnis. Wir brauchen am Sonntag wieder 100 Prozent Energie auf dem Platz. Es ist ein wichtiges Spiel für uns als Mannschaft und für den Verein, auch für die Fans, deswegen müssen wir genau hingucken, wer auf dem Platz steht und das abrufen kann. Die Liga ist brutal, wenn du ein bisschen nachlässt, bist du zweiter Sieger. Jetzt müssen wir aus dieser Spirale, die nach unten geht, wieder herauskommen.
Hertha BSC ist schlecht gestartet, aber hat sich gefangen. Wir wissen um die Gefährlichkeit. Mit Tabakovic und Reese hat sich ein Duo gefunden. Sie haben diese Unterscheidsspieler, da müssen wir ein Augenmerk draufhaben, aber trotzdem dürfen wir unser Spiel nicht vergessen. Jede Mannschaft hat seine Vorzüge, aber auch seine Probleme und wir werden versuchen, in diese Probleme reinzustoßen."
Florian Niederlechner, beim 3:0-Pokalerfolg über Mainz 05 erstmals seit dem ersten Spieltag wieder in der Startelf, hat von Trainer Dardai eine Einsatzgarantie ausgesprochen bekommen. "Er ist ein Kämpfer, laufbereit und arbeitet für die Mannschaft. Er hat seine Sache sehr gut gemacht und Bonuspunkte gesammelt, deswegen wird er auch spielen", sagte der Ungar auf der Spieltags-Pressekonferenz. Über der durch die Sperren von Toni Leistner und Marc Oliver Kempf entstandene Vakanz in der Innenverteidigung schwebt hingegen noch ein Fragezeichen. Gesucht wird ein Partner für den gesetzten Marton Dardai.
Pascal Klemens überzeugte gegen Mainz auf der Sechs, soll nach dem Wunsch des Trainers "dableiben". Bei Linus Gechter sei laut Dardai die Frage, "durch seine Verletzung und die Fitness, ob er 90 Minuten schafft oder nicht". Sollte Klemens in die Innenverteidigung rücken, dürfte Allrounder Deyovaisio Zeefuik, gegen Mainz als Linksverteidiger aufgeboten, wieder ins Mittelfeld-Zentrum wechseln. Sein Platz in der Viererkette dürfte an Michal Karbownik gehen.
Herthas mögliche Startelf: Ernst - Kenny, Klemens, Dardai, Karbownik - Bouchalakis, Zeefuik - Winkler, Reese - Niederlechner - Tabakovic
Der Pokalerfolg gegen Mainz 05 sollte den Hertha-Anhängern gleich in mehrfacher Hinsicht Mut machen. Zum einen, weil schlicht und ergreifend das Ergebnis passte und die Mannschaft auch gegen einen Erstligisten, wenn auch gegen einen strauchelnden, durchaus mit individueller Qualität glänzen konnte. Zum anderen, weil die Mannschaft zu einer Dardai-Mannschaft zu werden scheint. Meckerte der Ungar nach dem Ligaspiel gegen Paderborn trotz 3:1-Erfolges noch über die schlechte Defensivleistung seiner Spieler, durfte er sich gegen die Mainzer vom Gegenteil überzeugen. Offensiv geht vor allem denk des starken Duos Fabian Reese/Haris Tabakovic ohnehin immer etwas. Angesichts der schwächelnden Rostocker dürfen die Berliner also durchaus berechtigte Hoffnungen auf den dritten Auswärtssieg der Saison haben.
Der Redaktionstipp: Selbstbewusstsein, ob vorhanden oder fehlend, ist ein Pfund im Fußball. Siehe Union Berlin. Hertha gewinnt bei kriselnden Rostockern mit 3:1.
Sendung: rbb24, 3.11.2023, 18 Uhr
Beitrag von Ilja Behnisch
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