Olympische Spiele 2036/40
Für die Bewerbung um die Olympischen Spiele 2036/40 möchte Berlin auf ein nachhaltiges Konzept setzen. Das heißt: Es sollen möglichst bestehende Sportstätten genutzt werden. Aber welche kämen überhaupt in Frage? Ein Überblick.
Seit Mitte des Monats steht fest: Berlin will die Olympischen Sommerspiele 2036 oder 2040 in die deutsche Hauptstadt holen. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und die Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) unterzeichneten dazu eine Bereitschaftserklärung mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und wollen so Teil einer nationalen Bewerbung werden.
Die Austragung der Wettkämpfe soll dabei vor allem eines werden: nachhaltig. Über diesen noch relativ unkonkreten Begriff zeigen sich Politik und der Landessportbund (LSB) einig. Sie wollen vor allem auf bestehende Sportstätten setzen und möglichst nicht neu bauen.
Im Zentrum von Olympischen Spielen in der Hauptstadt würde das Olympiastadion stehen, das die Nationalsozialisten für die Spiele 1936 errrichteten und für ihre Propaganda missbrauchten. Entsprechend kritisch sehen manche Beobachter vor diesem historischen Hintergrund eine mögliche Vergabe der Olympischen Spiele 2036 nach Berlin - das Jubiläum würde nicht nur eine Chance sein, sondern auch dunkle und schlimme Erinnerungen wecken.
Bis heute wird das Olympiastadion regelmäßig für Sport genutzt, was weltweit - verglichen mit anderen Olympiastadien - eher die Ausnahme als die Regel ist. Die blaue Laufbahn gilt als schnellste der Welt: Der jamaikanische Sprinter Usain Bolt stellte hier bei der Leichtathletik-WM 2009 den bis heute bestehenden Weltrekord über 100 Meter auf (9,58 Sekunden).
Das Stadion würde also auch nach 100 Jahren noch bestens geeignet für seine zweiten Olympischen Spiele sein – zumal nun auch noch einmal 18 Millionen Euro investiert werden, um es fit für die Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr zu machen.
Rund um das Stadion könnte auch der Olympiapark ein zentraler Veranstaltungsort werden. Der wird derzeit nicht nur von Fußball-Zweitligist Hertha BSC, sondern auch von diversen anderen Sportarten als Trainingsanlage genutzt und bietet viele verschiedene Möglichkeiten und Flächen. Es besteht allerdings Sanierungsbedarf, um das gesamte Areal zu modernisieren und vor allem auch bis zu möglichen Olympischen Spielen in 13 Jahren zu erhalten. LSB-Präsident Thomas Härtel rechnet nach eigenen Angaben damit, dass rund 150 Millionen Euro in Olympiastadion und -park gesteckt werden müssten.
Ein weiteres Stadion, das für die möglichen Spiele eine Rolle spielen dürfte, steht im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg. Schon seit Jahren gibt es hier große Umbaupläne, um den Park und das Stadion im Zeichen der Inklusion neu zu gestalten. "Und wenn wir uns um Olympische Sommerspiele bewerben, geht es gleichzeitig auch immer um die Paralympischen Spiele. Insofern hätten wir mit einem neuen Stadion und einem neuen Park eine sehr gute Veranstaltungsstätte für die verschiedenen paralympischen Sportarten", sagt Härtel.
Im kommenden Jahr soll der Umbau beginnen, der unabhängig von möglichen Olympischen und Paralympischen Spielen durchgeführt wird. Nach den Plänen des Siegerentwurfs eines Realisierungs-Wettbewerbs soll dann unter anderem für mehr als 110 Millionen Euro ein neues Stadion auf dem Gelände gebaut werden, das 20.000 Menschen Platz bietet.
In direkter Nachbarschaft des inklusiven Stadions könnte die Max-Schmeling-Halle zu einem wichtigen Wettkampfstandort werden. Auch diese müsste dafür allerdings wohl dringend modernisiert werden und bietet mit einer Kapazität von 8.500 eigentlich etwas zu wenig Platz.
Deutlich besser in Schuss ist hingegen die Mercedes-Benz-Arena am Ostbahnhof. Hier könnten bis zu 14.500 Zuschauer die Top-Spiele im Volleyball, Basketball oder Handball verfolgen. Die Halle befindet sich allerdings in privater Hand, Eigentümer ist die Anschutz-Gruppe. LSB-Präsident Härtel zeigt sich aber optimistisch, "dass der Veranstalter dafür offen ist und die Halle für die Spiele zur Verfügung stehen würde." Aussagen des Veranstalters dazu gibt es bisher nicht.
Doch die Arena am Ostbahnhof und die Max-Schmeling-Halle würden bei Weitem nicht ausreichen, um Platz für die zahlreichen Hallensportarten zu bieten. Schließlich gibt es bei den Ballsportarten jede Menge Vorrundenspiele und auch Disziplinen wie Tischtennis, Boxen, Squash, Fechten oder Judo brauchen ein Dach über dem Kopf. Berlin fehlt eine weitere Halle - auch ohne Olympische Spiele bemängelt der ansässige Basketball-Bundesligist Alba diese Situation bereits seit einiger Zeit.
Sollte sich daran bis 2036 oder 2040 nichts ändern, sieht Härtel nach eigenen Angaben dennoch genug Alternativen in der Stadt. So könnten zum Beispiel die Messehallen genutzt werden, wie bereits bei den Special Olympics World Games im vergangenen Sommer. Auch verschiedene Orte mitten in der Stadt – wie zum Beispiel am Brandenburger Tor oder am Neptunbrunnen – wurden damals zu Wettkampfstätten umfunktioniert.
Zu einem ebenfalls etwas ungewöhnlichen Austragungsort könnte nach Härtels Einschätzung der ehemalige Flughafen Tegel werden. "Da kann man jederzeit temporärere Veranstaltungsstätten errichten. Und auch ein Olympisches Dorf", sagt der LSB-Präsident.
Weitere Möglichkeiten bietet das Sportforum Hohenschönhausen, in dem derzeit vor allem Athletinnen und Athleten des Berliner Olympiastützpunkts in verschiedenen Disziplinen trainieren. Allerdings sind viele der 1954 errichteten Anlagen schon lange marode und benötigen dringend eine Sanierung, bevor Sportlerinnen und Sportlern aus aller Welt sie nutzen könnten.
Wie beim Jahn-Sportpark gibt es auch für das Lichtenberger Areal schon seit einiger Zeit Umbaupläne. Im vergangenen Jahr wurde mit dem Neubau einer Typen-Sporthalle begonnen – eine Bogensport-Halle, eine neue Traglufthalle und ein Sport-Funktionsgebäude sollen noch folgen. Um das gesamte Gelände zu modernisieren und fit für Olympische Spiele zu machen, rechnet Härtel nach eigenen Angaben mit Kosten von mindestens 170 Millionen Euro. Andere Schätzungen sind bisher nicht bekannt.
Das Steffi-Graf-Stadion in Grunewald könnte für die Tennis-Matches genutzt werden. Es bietet Platz für 7.000 Menschen und seit 2021 findet hier wieder regelmäßig ein WTA-Turnier statt. Allerdings ist die gesamte Anlage deutlich zu klein und in die Jahre gekommen. Außerdem wird hier auf Rasen gespielt, statt - wie vom IOC für Olympia gefordert - auf Sand. Alleine diese Umrüstung wird wohl um die 40 Millionen Euro kosten.
Für die Bahnrad-Wettkämpfe stünde das Velodrom an der Landsberger Allee bereit, dass für die Berliner Olympiabewerbung 2000 gebaut wurde. Dieses genügt den internationalen Standards und erhielt 2017 eine komplett neue Bahn. 2036 wäre diese allerdings auch wieder fast 20 Jahre alt und müsste möglicherweise zuvor erneut modernisiert werden.
Nicht den internationalen Standards genügt hingegen die in direkter Nachbarschaft liegende Schwimm- und Sprunghalle im Europa-Sportpark, erklärt Härtel. Diese sei zwar extra für Berlins Olympiabewerbung im Jahr 2000 gebaut worden, allerdings hätten sich die Kriterien des internationalen Schwimmverbandes mittlerweile geändert und das Becken sei nicht mehr groß genug. "Es bedarf zehn olympiatauglichen Bahnen und die haben wir an der Landsberge Allee nicht." Für Härtel ist "definitiv klar", eine neue, olympiataugliche Schwimmhalle her müsste."Ein Neubau würde uns ja immer helfen, auch für die Schwimm-Angebote im Breitensport. Jede Schwimmhalle ist ein Gewinn für die Stadt. Auf der anderen Seite kosten die natürlich auch sehr viel“, so Härtel.
Deswegen würde für Olympische Spiele wohl eher eine temporäre Halle errichtet werden. 2014 hatte man für die Schwimm-Europameisterschaften beispielsweise schon einmal vorrübergehend ein Becken ins Velodrom gebaut. Das würde aufgrund der Radsport-Wettkämpfe bei Olympia natürlich nicht funktionieren. Eine temporäre Halle könnte laut Härtel beispielsweise aber auch im Umland entstehen.
Wettkämpfe auf dem Wasser wird man bei Olympischen Spielen in Berlin aber wohl nicht sehen. Der Wannsee und die Ruderstrecke in Grünau würden nicht den Wettbewerbsanforderungen entsprechen, sagt Härtel. "Da blicken wir auf die Umgebung. Es gibt Zeichen aus Brandenburg, dass es daran Interesse gibt, und wir haben mit dem Landessportbund dort auch schon Gespräche geführt."
In der Umgebung der Hauptstadt könnte der Beetzsee bei Brandenburg an der Havel eine Ruderstrecke bieten. Im sächsischen Markkleeberg gäbe es eine Kanu-Strecke und die Segelwettkämpfe könnten an der Ostsee stattfinden.
Alles in allem habe Berlin 70 Prozent der Sportstätten, die für Olympische und Paralympische Spiele benötigt würden, sagt Härtel. Fest steht aber auch, dass die Hauptstadt sich keinesfalls allein bewerben möchte. Sollte sich der DOSB für eine nationale Bewerbung entscheiden, werden mindestens zwei Städte oder Regionen zu Austragungsorten.
"Wir werden in Berlin nicht alles machen können und das auch nicht wollen", sagt der LSB-Präsident. Gemeinsam mit München hätte man zum Beispiel bereits 95 Prozent der benötigten Sportstätten. Diese müssten dann allerdings größtenteils noch saniert und instandgehalten werden, was hohe Kosten bedeutet.
Die Olympischen Spiele in Paris im kommenden Jahr werden Schätzungen zufolge insgesamt zwischen acht und neun Milliarden Euro kosten. Der Präsident des LSB rechnet für Spiele in Deutschland insgesamt mit einer ähnlichen Summe, wie er sagt. Die Kosten würden sich dann die Austragungsorte und der Bund teilen.
Eine Vorentscheidung zu möglichen Bewerberstädten soll auf einer DOSB-Mitgliederversammlung am 2. Dezember fallen. Bis Sommer 2024 soll dann ein Grobkonzept inklusive Bürgerbeteiligung fertig sein. Eine endgültige Entscheidung, ob Deutschland sich um Olympia bewirbt, wird erst 2025 oder 2026 erwartet.
Sendung: rbb24, 22.11.2023, 18 Uhr
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