Regionalliga Nordost
Die Regionalliga Nordost stellt Vereine mit Aufstiegsambitionen vor eine schwierige Herausforderung. Für einen Spitzenkader muss immer auch ein finanzielles Risiko eingegangen werden – und das geht nicht immer gut. Von Lukas Witte
Alle drei Jahre bietet sich den Fußballvereinen der Regionalliga Nordost eine große Chance. Der Meister steigt direkt in die 3. Liga auf und muss nicht ins lästige Aufstiegsduell, in dem zuletzt sowohl der BFC Dynamo als auch Energie Cottbus scheiterten. Auch in dieser Saison geht es wieder ohne Umwege nach oben - die Ambitionen sind dementsprechend groß.
Um sich den Traum zu erfüllen, der in dieser Saison näher als sonst ist, haben viele Teams aufgerüstet. "Jetzt, wo wir den direkten Aufstiegsplatz haben, ist es für die Vereine in dieser Saison finanziell sicherlich sehr herausfordernd. Es gibt die große Chance zum Aufstieg und da galt es natürlich eine Mannschaft zusammenzustellen, die sportlich in der Lage ist, oben mitzuspielen", berichtet der Geschäftsführer des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV), Till Dahlitz.
Teams wie der BFC, Babelsberg 03 und Altglienicke haben sich mit talentierten Spielern verstärkt. Auch der Dauerfavorit auf den Aufstieg Energie Cottbus will die große Chance in dieser Saison natürlich nutzen. "Klar haben auch wir versucht, den bestmöglichen Kader zusammenzustellen, im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten. Wir haben geschaut, wo wir ein kalkuliertes Risiko eingehen können, um Spieler zu holen, die diese Chance erhöhen", erklärt Energie-Präsident Sebastian Lemke.
Tatsächlich kann es in den unteren Ligen aber schnell gefährlich werden, wenn man sich bei dem großen Wunsch nach sportlichem Erfolg finanziell zu weit aus dem Fenster lehnt. Immer wieder geraten Teams in finanzielle Schieflage und müssen im schlimmsten Fall die Insolvenz anmelden. Zuletzt ereilte in der Regionalliga Nordost dieses Schicksal Wacker Nordhausen und Viktoria Berlin.
"Es ist ganz häufig so, dass Teams sich, beim Versuch aufzusteigen, übernehmen", erklärt Prof. Dr. Torsten Martini. Er war 2018 als Insolvenzverwalter für Viktoria eingesetzt worden und half dem Verein bei der Sanierung. Zwar hatten die Himmelblauen damals einen finanzkräftigen Geldgeber, der sie jedoch im Stich ließ. Die "Advantage Sports Union" des chinesischen Investors Alex Zheng stellte irgendwann einfach die Zahlungen ein. "Wenn der Investor die Lust verliert und das Geld nicht mehr kommt, ist man relativ schnell weg vom Fenster", sagt Martini.
Mit großen Investitionen geht in der Regionalliga immer auch ein großes Risiko einher. Schließlich handelt es sich um eine Übergangsphase zum professionellen Fußball. Viele der Klubs hätten zwar Ambitionen den Sprung nach oben zu schaffen, würden allerdings oft auch noch große Breitensportabteilungen tragen, mit denen sich kein Geld verdienen ließe, erklärt Martini. Auch große Einnahmen durch TV-Gelder und Vermarktung würden sich kaum erzielen lassen. "In der Regionalliga stammen die Erlöse meist nur aus Eintrittsgeldern und ein wenig Sponsoring. Die Chance, dort außergewöhnliche Gewinne zu erzielen, ist überschaubar."
So wie jedes Unternehmen in der freien Wirtschaft machen den Vereinen außerdem die gestiegenen Energie- und Personalkosten zu schaffen. Die finanzielle Herausforderung den Vereinsbetrieb überhaupt am Laufen zu halten, ist größer denn je. "Man braucht also schon einen Investor, um aufzusteigen. Das Problem ist aber natürlich, dass wenn ein Team einen großen Investor hat, alle anderen Teams in der Regionalliga auch mitziehen müssen, um überhaupt eine Chance auf den Aufstieg zu haben", sagt Martini. Wenn dann aber der sportliche Erfolg ausbleibt und das Geld plötzlich weg ist, bleiben ambitionierte Vereine oft auf hohen Kader- und Betriebskosten sitzen und stehen vor der Pleite.
Auch in dieser Saison besteht also die berechtigte Sorge, dass sich manche Vereine wegen des möglichen direkten Aufstiegs zu weit aus dem Fenster gelehnt haben könnten. "Ich denke, die Vereine sind finanziell mehr ins Risiko gegangen. Aber ich hoffe jedoch, dass sie so vernünftig waren, dass sie bei einem möglichen Nichtaufstieg keine finanziellen Probleme bekommen", sagt NOFV-Geschäftsführer Dahlitz.
Beim Aufstiegsfavoriten Energie Cottbus hat man diese Sorge nicht. "Ich komme aus dem kaufmännischen Bereich. Wir buchen immer nur das, was wir auch bezahlen können", erklärt Präsident Lemke. Dass die Lausitzer trotzdem an der Spitze mithalten können, liegt vor allem an der Vielzahl an Sponsoren. "Wir haben über viele Jahre eine Basis an Sponsoren aufgebaut, die phänomenal ist und in der Breite in der Liga einzigartig", sagt er.
Der FC Energie ist ein Traditionsverein, der viele Jahre in der 1. und 2. Bundesliga gespielt hat. Außerdem hat er in der Region kaum Konkurrenz. Beides kommt ihm bei der Akquise von Sponsoren zugute. Viele regionale Unternehmen unterstützen den Verein und sorgen so dafür, dass die Lausitzer auch in diesem Jahr wieder einen Kader zusammenstellen konnten, der oben in der Regionalliga mitspielen kann, ohne dabei zu großes Risiko eingehen zu müssen. "Der finanzielle Spielraum ist aber trotzdem auch bei uns sehr eng", sagt Lemke.
Selbst für einen Verein mit guten Voraussetzungen ist der Spagat zwischen Aufstiegsambitionen und finanziellem Risiko also schwierig zu meistern. Auf die aktuelle Situation in der Liga schaut der Präsident der Cottbuser deshalb auch besonders kritisch: "In diesem Jahr machen viele Vereine Dinge, die aus kaufmännischer Sicht unvernünftig sind und gehen Risiken ein, aufgrund des direkten Aufstiegsplatzes. Teilweise spielen in der Regionalliga Leute, die vom Potential her höher spielen müssten. Das ist ein finanzieller Ritt auf der Rasierklinge. Natürlich guckt man da ein bisschen skeptisch rüber. Da verdienen manche Spieler Summen, die bei uns keiner verdient. Die würde sogar in der 3. Liga bei uns keiner verdienen. Da fragt man sich schon, wie das funktionieren kann", so Lemke.
Lemke würde sich strengere Kontrollen durch die Liga wünschen. Dazu gibt es allerdings keine Möglichkeit, erklärt NOFV-Geschäftsführer Dahlitz: "Wir haben kein wirtschaftliches Zulassungsverfahren. Das können wir personell und finanziell von Verbandsseite aus nicht stemmen. Wenn wir so etwas in Betracht ziehen würden, müssten vermutlich die Kosten auf die Vereine umgelegt werden, was zu einer zusätzlichen Belastung führen würde." Außerdem müssten auch die Klubs selbst zusätzliches Personal engagieren und Zeit und Geld aufwenden, um erfolgreich durch das komplexe Zulassungsverfahren gehen zu können
Der Verband kann also nur an die Vernunft der Teams appellieren. Und mit möglichen Sanktionen drohen. Im Falle eines Insolvenzantrags wird der betroffene Klub mit einem Punktabzug von neun Zählern bestraft.
Bei Cottbus ist Lemke davon überzeugt, dass die Strategie der vielen Sponsoren eine Sicherheit darstellt und nachhaltig funktionieren wird. Und zwar auch in der 3. Liga. "Wir haben viele Sponsoren, die für beide Ligen unterschrieben haben. Da ist vertraglich festgehalten, dass wir im Aufstiegsfall andere Summen bekommen würden. Hinzu kommt, dass wir aus der Vergangenheit wissen, dass man im Falle eines Aufstieges ja noch ganz andere und überregionale Werbeflächen hat, mit denen man ganz anders akquirieren kann."
Ob dieser Plan aufgeht und wie sehr sich die anderen Spitzenklubs in dieser Saison tatsächlich finanziell aus dem Fenster gelehnt haben, wird sich erst im nächsten Sommer zeigen. Den großen Traum des Aufstiegs erfüllen, kann sich schließlich nur eine Mannschaft – alle anderen müssen danach erneut versuchen, den Spagat zwischen Aufstiegsambitionen und finanzieller Nachhaltigkeit zu meistern.
Sendung: rbb24, 06.11.2023, 18 Uhr
Beitrag von Lukas Witte
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