Amtszeitende am Samstag
Wolfgang Neubert hat wie kaum ein anderer Funktionär das Sportland Brandenburg geprägt. Am Samstag gibt der 69-Jährige sein Amt als Präsident beim Landessportbund ab. Von Thomas Juschus
So richtig weiß Wolfgang Neubert noch nicht, was er mit seiner neu gewonnenen Freizeit anfangen wird. Klar, es wird deutlich mehr gemeinsame Stunden mit Ehefrau Heike geben, Zeit für ausgiebige Spaziergänge mit seinem Hund oder für die weitere Renovierung und Verschönerung seines Elternhauses im Erzgebirgskreis, in das er nach dem Ende seines Berufslebens vor eineinhalb Jahren gezogen ist.
Im Juli 2022 schloss Neubert das Kapitel Lausitzer Sportschule in Cottbus, die er fast 30 Jahre geleitet hat. Jetzt zieht der ehemalige Multi-Funktionär auch einen Schlussstrich unter sein umfangreiches ehrenamtliches Schaffen im Land Brandenburg für den Sport: Nach zwölf Jahren als Präsident des Landessportbundes (LSB) tritt der 69-Jährige auf dem 10. Landessporttag am Samstag in Potsdam nicht für eine weitere Amtszeit an.
"Ja, ich schlage mein letztes Ehrenamt-Kapitel zu. Die Umstellung wird groß. Ich muss aufpassen, dass ich nicht in ein Loch falle", sagt Neubert, der in den letzten Jahrzehnten den Sport in der Mark an zahlreichen Stellen gestaltet hat, beim Gespräch am Rande des Bundesliga-Turnwettkampfes des SC Cottbus in Forst.
Zwei Jahre, von 2014 bis 2016, lenkte Neubert auch die Geschicke des FC Energie Cottbus als Präsident, er war Präsident der Fachhochschule für Sport und Management in Potsdam, Kuratoriumsmitglied der Europäischen Sportakademie (ESAB) oder Stadtverordneter in Cottbus. Mehr als zwei Jahrzehnte arbeitete Neubert in den Gremien des LSB: ab 2007 als Vizepräsident, ehe er 2011 die Nachfolge von Hans-Dietrich Fiebig als Präsident antrat.
Nach seinem Studium an der Humboldt-Universität in Berlin kam Neubert Mitte der 80er Jahre nach Cottbus – und hinterließ hier ab 1993 vor allem Spuren als Leiter der Lausitzer Sportschule. "Wolfgang Neubert hat einen riesigen Anteil am Erfolg der Sportstadt Cottbus und des Sportlandes Brandenburg. Er ist ein Macher, Entscheider und Kämpfer. Er hat sich immer für seine Schule und seine Stadt eingesetzt und sehr viel bewegt und bewirkt", sagt Sten Marquaß, der Mitte 2022 die Nachfolge Neuberts als Schulleiter übernahm. "Wenn man sich durch das Sportzentrum Cottbus bewegt, findet man überall Wolfgang Neuberts Fußspuren. Er hat sich durch seine unermüdliche Arbeit damit ein Denkmal gesetzt."
Neuberts nicht enden wollender Einsatz für den Sport wurde natürlich auch beim Landessportbund wahrgenommen. Ab 2007 arbeitete er im Präsidium mit und rückte 2011 als Wunschkandidat und ohne Gegenstimme auf den Präsidentenstuhl. "Das Amt war schon eine sehr große Herausforderung. Ich habe eine ganze Zeit gebraucht, um das System LSB überhaupt zu begreifen. Wer mich aber kennt, der weiß: Wenn ich eine Sache mache, dann mache ich sie richtig", sagt Neubert, der sich in der Folge schnell das Vertrauen von Präsidium, LSB-Hauptamt um Geschäftsführer Andreas Gerlach, von Vereinen und Verbänden und nicht zuletzt der Landespolitik erarbeitete.
Unter Neubert gelang es dem LSB, die Finanzierung des Sports in Brandenburg auf eine breitere Basis zu stellen. "Bei meinem Amtsantritt lag die Sportförderung durch die Landesregierung bei 15 Millionen Euro. Heute beträgt diese Förderung 24 Millionen Euro", erklärt er. Eine Corona-Soforthilfe spülte Ende 2022 nochmals weitere fast drei Millionen Euro in die Kassen der Vereine. "Das war ein ungemein starkes Zeichen, welchen Stellenwert unser Land und die Politik uns, dem Sport, zumisst", so Neubert.
Bis Ende 2024 läuft auch der 'Goldene Plan Brandenburg', mit deren Hilfe vereinseigene und kommunale Sportstätten saniert wurden und werden. Mehr als 50 Millionen Euro an Zuschüssen sind hier bereits vom Land geflossen. "Der Bedarf ist aber weiterhin groß – gerade im Speckgürtel von Berlin", sagt Neubert, denn die Vereinslandschaft erlebt einen Zulauf wie nie zuvor.
In diesem Jahr hat der LSB mit 361.829 Mitgliedern in 2.969 Vereinen, verteilt auf 56 Fachverbände, einen neuen Höchststand erzielt. Der Organisationsgrad liegt bei rund 14 Prozent. "In Ostdeutschland sind wir damit ganz vorne dabei, gesamtdeutsch betrachtet noch nicht. Die Geschichte des Sports hier ist aber einfach eine andere. Mit der Wende gab es auch einen totalen Umbruch in der Sportlandschaft, alles musste neu aufgebaut werden", erklärt Neubert. Gemeinsames Ziel sei immer gewesen, den Sport in den Vereinen und den Verbänden bestmöglich zu entwickeln und dabei die vier Stadt- und 14 Kreissportbünde bestmöglich zu unterstützen.
Nicht nur aufgrund wachsender Mitgliederzahlen in den Vereinen stehe der Sport unverändert vor der Herausforderung, Ehrenamtliche zu finden – ob als Übungsleiter:innen oder Funktionsträger:innen. "Das Ehrenamt im Sport ist unbezahlbar. Die Anerkennung des Sports in der Gesellschaft hat aber erheblich nachgelassen. In der heutigen jungen Generation sind nicht mehr so viele Menschen wie in meiner Generation bereit, in ihrer Freizeit ihre Kraft und ihr Können für Vereine einzubringen. Das Ehrenamt ist aber der Kitt der Gesellschaft – vieles würde ohne schon nicht mehr funktionieren", wirbt Neubert für mehr Engagement in den Sportvereinen. Gleichzeitig habe der LSB mit der Sportschule in Lindow, der Europäischen Sportakademie des Landes und der Fachhochschule für Sport und Management in Potsdam Einrichtungen im Land, in denen junge Menschen zu Sportfunktionären ausgebildet werden.
Neubert Lieblingsprojekt in zwölf Jahren LSB-Präsidentschaft ist aber klar das 'Haus des Sports' in Potsdam. "Das stelle ich ganz vorn an", sagt der 69-Jährige. Nach langjähriger Planung und mehr als zweijähriger Bauzeit wurde die neue Heimstätte des Brandenburger Sports in der ersten Jahreshälfte 2023 im Potsdamer Luftschiffhafen in Betrieb genommen. LSB, Sportjugend, ESAB und diverse Fachverbände sind seitdem in dem modernen Neubau unter einem Dach vereint und haben die Brandenburger Sportfamilie enger zusammenrücken lassen.
"Das 'Haus des Sports' ist ein absoluter Meilenstein für unser Sportland. Dass dieses Projekt in dieser verrückten Zeit realisiert werden konnte, macht mich schon sehr stolz. Daran lässt sich die positive Entwicklung im Land ableiten", sagt Neubert, zumal das Projekt während Corona- und Energie-Krise verwirklicht wurde – wiederum mit großer finanzieller Unterstützung seitens des Landes Brandenburg.
In seiner langen Funktionärs-Karriere war Neubert auch immer ein Fürsprecher für den Leistungssport – gerade auch im paralympischen Bereich. "Wolfgang Neubert hatte als LSB-Präsident immer ein offenes Ohr für alle Belange, vom Breiten- bis zum Spitzensport. Er ist ein Mann der klaren Worte, sowohl bei Erfolg als auch Misserfolg. Er hat sich mit Herz und Verstand für die Belange des Sports eingesetzt und bleibende Verdienste erworben", sagt Wilfried Lausch, Leiter des Olympiastützpunktes Brandenburg über seinen langjährigen Mitstreiter. "Wolfgang war streitbar in der Sache, aber immer lösungsorientiert im Sinne einer optimalen Förderung", ergänzt Lausch.
Noch als Schulleiter etablierte Neubert das Schule-Leistungssport-Verbundsystem, 2006 wurde Cottbus vom Deutschen Fußball-Bund als erste 'Eliteschule des Fußballs' ausgezeichnet. "Robert Harting 2012 und Christoph Harting 2016 als ehemalige Schüler der Lausitzer Sportschule live bei ihren Olympiasiegen in London und Rio bejubeln zu dürfen, das waren natürliche persönliche Höhepunkte", schaut Neubert zurück und blickt optimistisch in Richtung Paris 2024, vor allem im Kanurenn- und Radsport. Sollte es dort weitere Medaillen für die Mark geben, sind auch diese weiter eng mit dem Namen Wolfgang Neubert verbunden – auch wenn er dann nicht mehr im Amt des LSB-Präsidenten sein wird und in Börnichen seinen "Ruhestand" genießen wird.
Beitrag von Thomas Juschus
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