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Audio: rbb24 Inforadio | 03.12.2023 | Guido Ringel | Quelle: imago images/Matthias Koch

Analyse zu Herthas 5:1 gegen Elversberg

Ein trügerischer Kantersieg

Das 5:1 von Hertha BSC über die SV Elversberg wirkt auf den ersten Blick äußerst überlegen, verschleiert aber gleich mehrere Defizite der Berliner. Entscheidend für den Heimerfolg: Effizienz und ein lernwilliger Pal Dardai. Von Marc Schwitzky

Trainer-Ikone Sepp Herberger ist Vater gleich zahlreicher Weisheiten über den Fußball, die es in das kollektive Gedächtnis dieses Sports geschafft haben. Sein vielleicht schönster Satz: "Die Leute gehen ins Stadion, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht." Hertha BSC könnte sich diesen Satz sogar als Vereinsmotto in den Trikotkragen sticken lassen.

Die "alte Dame" lässt kaum eine Gelegenheit aus, um angebliche Gesetzmäßigkeiten des Fußballs außer Kraft zu setzen. So auch gegen die SV Elversberg. Rückstand nach wackeliger Anfangsphase? Hertha geht in Führung. Souveränität nach Führung? Hertha kassiert den Ausgleich. Und nach 15 teils desaströsen Minuten hätte wohl kein Hertha-Fan damit gerechnet, am Ende einen 5:1-Heimerfolg zu feiern. Die Leute wissen eben nicht, wie es ausgeht.

5:1-Erfolg

Effektive Hertha gewinnt wildes Spiel gegen Elversberg

Hertha BSC bleibt im sechsten Spiel in Serie ungeschlagen und holt nach zuletzt drei Remis mal wieder einen Sieg. Am Sonntagnachmittag waren die Berliner gegen Aufsteiger SV Elversberg erfolgreich - deutlicher als es der Spielverlauf hergab.

Eine erste Halbzeit zum Vergessen

Auch Hertha-Trainer Pal Dardai ist für seine Sprüche bekannt. Vor einigen Wochen sagte der Ungar über die mangelnde Effizienz seiner Mannschaft: "Wir lassen mal auf dem Trainingsplatz die Tore weg. Vielleicht werden die Jungs dann zielstrebiger." Sollte Dardai diese Methodik tatsächlich ausprobiert haben, hatte sie wohl Erfolg, wie die fünf geschossenen Tore zeigten. Doch eine weitere Folge könnte sein, dass die Spieler ebenfalls vergessen, wie sie eben jene Tore zu verteidigen haben.

Hertha erwischte gegen die SV Elversberg eine Anfangsphase zum Vergessen. Zum einen war das Fehlen von Kapitän und Abwehrchef Toni Leistner deutlich zu spüren – die Berliner brachten ohne ihn keine Ruhe in ihre Defensivordnung. Zum anderen bereitete das aggressive Anlaufen des Underdogs aus dem Saarland große Probleme, da Hertha zig individuelle Fehler und Ballverluste produzierte. Die Folge: Allein in den ersten 15 Minuten hätte Elversberg vier Tore schießen können, ja sogar müssen.

Effizienz rettet Hertha in die Halbzeitpause

Und doch waren es die Blau-Weißen, die nach 23 Minuten mit 2:1 führten. Sowohl das zwischenzeitliche 1:0 von Linus Gechter als auch der Treffer zum 2:1 von Florian Niederlechner kamen eigentlich aus dem Nichts und stellten den bisherigen Spielverlauf auf den Kopf. Es war bezeichnend, dass beide Tore nach Standardsituationen fielen. Davor und danach war Elversberg im ersten Durchgang nämlich die spielerisch deutlich bessere Mannschaft, Hertha nur die glücklichere.

Die Gäste offenbarten durch ihr mutiges Anlaufen einmal mehr, dass Herthas Aufbauspiel nur mangelhaft funktioniert. Zu wenig Bewegung und Mut führten dazu, dass Hertha den Ball nahezu nie kontrolliert ins Mittelfeld beförderte und so auch kein geordnetes Angriffsspiel zustande kam. Der Ball war weg, bevor Hertha überhaupt einmal die Mittellinie überquerte. Außerhalb von Pressing- und Umschaltmomenten erzeugt Hertha keine Gefahr.

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Zu wenig für eine Mannschaft, die nach wie vor das Ziel hat, zu den besten vier bis fünf Teams der Liga zu gehören. Zwar erlangte Hertha in den letzten Minuten der überaus wilden ersten Halbzeit etwas mehr Kontrolle, die Pausenführung war anhand der Spielanteile jedoch alles andere als verdient.

Pal Dardai reagiert goldrichtig

Trainer Dardai konnte trotz der Führung keinesfalls mit der Leistung der ersten 45 Minuten zufrieden sein. Die Probleme begannen bereits in der Arbeit gegen den Ball, da Hertha den durchaus spielstarken Elversbergern viel zu große Räume ließ. Darüber hinaus brauchte es einen anderen Ballvortrag. Herthas Übungsleiter entschied sich dazu, Michal Karbownik für Marc Oliver Kempf in die Partie zu bringen, Marton Dardai dafür in die Innenverteidigung zu ziehen und Deyovaisio Zeefuik ins zentrale Mittelfeld rücken zu lassen. Anpassungen, mit denen Dardai goldrichtig lag.

Daraus ergaben sich gleich drei Verbesserungen, die dazu führten, dass sich Hertha den Sieg im zweiten Durchgang verdiente. Joker Karbownik brachte sehr viel mehr Ballsicherheit, Dynamik und Vertikalität ins Spiel, sodass Elversbergs Pressing ausgehebelt und ihre schwache Rückwärtsbewegung offenbart wurde. Es tat Hertha sichtlich gut, neben Reese einen weiteren Ballträger im Spiel zu haben, der Tempo und Räume erzeugt. Elversbergs Manndeckung löste sich dadurch in Rekordschnelle auf.

Zeefuik, der zuvor große Probleme als Linksverteidiger hatte, konnte sich im defensiven Mittelfeld deutlich besser einbinden als zuvor Marton Dardai, und die Lücken zulaufen, die im ersten Durchgang noch so zahlreich angeboten wurden. Auch Marton Dardai profitierte von der Umstellung und baute in der Innenverteidigung das Spiel deutlich besser auf als Vorgänger Kempf. So fruchteten sämtliche Umstellungen und personellen Wechsel. Hertha wirkte agiler, verteidigte und bespielte die Räume deutlich besser und war weniger abhängig von Reese.

Hertha gewinnt zu hoch, aber verdient

Die neue Griffigkeit und Intensität mit und gegen den Ball ließen Hertha deutlich dominanter und weniger ausrechenbar daherkommen, sodass sich mit fortlaufender Spiellänge immer mehr die individuelle Qualität der Hauptstädter durchsetzte. Starke zehn Minuten zwischen der 61. und 71. Minute entschieden die Partie, Hertha nutzte seine Umschaltmomente perfekt und nahezu jede Chance für ein Tor. Vor allem Joker Karbownik sorgte mit unwiderstehlichen Tempovorstößen für Probleme, die Elversberg nicht lösen konnte.

So gewann Hertha eine Partie, die lange Zeit ausgeglichen war und eine ebenso lange Zeit enttäuschte, am Ende mit 5:1. Ein Heimsieg, der sicherlich zu hoch ausfällt und droht, die eklatanten Defizite in Halbzeit eins zu verschleiern. Andererseits zeigte die Partie auch, was mit der richtigen personellen und taktischen Mischung möglich ist.

Nach zuletzt drei Unentschieden ist Hertha zumindest ein kleiner Befreiungsschlag geglückt, der aber nur als solcher gewertet werden kann, wenn die Berliner den Schwung bis zur Winterpause mitnehmen und noch eine kleine Serie starten können, um den Anschluss in der Tabelle zu halten. Anderenfalls wird das 5:1 aufgrund der insgesamt durchwachsenen Leistung schon schnell wieder vergessen sein. Denn schon Sepp Herberger wusste: "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel."

Sendung: rbb24 Inforadio, 03.12.2023, 18:02 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

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