Kretzschmar über Füchse
Stefan Kretzschmar ist eines der Gesichter der Füchse Berlin, nun wurde sein Vertrag um zwei weitere Jahre verlängert. Im Interview spricht der Sportvorstand über die große Belastung seiner Profis und welche Teams es zu schlagen gilt für den Titel.
rbb|24: Herr Kretzschmar, wieviel Füchse Berlin steckt inzwischen in Ihrem Handball-Herz?
Stefan Kretzschmar: Das sind schon 100 Prozent. Wenn man sich einer Aufgabe verschreibt, muss man das auch ganz machen. Für mich ist das Fluch und Segen zugleich, weil die ursprünglichen Bedingungen, unter denen ich den Vertrag vor vier Jahren unterschrieben habe, nicht mehr mit dem zu vergleichen sind, was ich jetzt mache. Meine Leidenschaft ist mit der Zeit weiter gewachsen, meine Verbindung zu Klub, Spielern und Trainer-Team ist enger und größer geworden. Ich bin sehr ehrgeizig, ich habe das Gefühl, dass wir hier noch lange nicht fertig sind. Ich freue mich auf zwei weitere Jahre mit einem tollen Team. Ich finde auch, dass es für mich der reizvollste Klub ist, den es gerade gibt. Es ist meine Heimatstadt, und deswegen wäre es auch überraschend gewesen, wenn ich mich für etwas anderes entschieden hätte.
Ihre Begründung neulich für die Vertragsverlängerung bis 2026 hatte etwas von einer kleinen Liebeserklärung an den Verein...
Ja schon auch. Das ist wirklich eine maximale Identifikation. Ich würde nicht so weit gehen, dass ich tatsächlich eine Liebeserklärung ausspreche, das hat meine Frau exklusiv. Aber es ist etwas, das mir sehr am Herzen liegt. Ich fühle mich hier sehr wohl, ich mag die Max-Schmeling-Halle, ich mag den Weg, den wir bislang gegangen sind. Aber es fehlen dann doch noch ein paar Dinge, die ich mit dem Klub gerne erreichen möchte, damit dann auch mal etwas auf der Visitenkarte steht, außer dem European-League-Sieg. Daran werden wir weiter hart arbeiten.
Was für Erfolge wären das in nächsten zwei Jahren?
Wie realistisch das ist, steht mal auf der einen Seite - aber der Traum von der deutschen Meisterschaft oder von der Champions-League-Teilnahme ist natürlich da. Das ist die Vision, die wir hier haben, die wir auch den Spielern mitgeben und mit ihnen teilen, und wo wir auch alle in dieselbe Richtung gehen.
Mit Blick auf die Tabelle ist der große Konkurrent mal wieder der SC Magdeburg, also der Verein, mit dem sie auf eine lange und erfolgreiche Zeit als aktiver Spieler zurückschauen.
Ganz ehrlich: Mich freut es für den SC Magdeburg, dass er auch nach schwierigen Zeiten wieder in diese dominante Rolle zurückgefunden hat. Das haben sich der Verein und die Stadt einfach verdient, weil es dort wirklich enthusiastische Fans gibt. Aber aus meiner Sicht ist es jetzt ein Rivale. Und dass wir die Magdeburger auch besiegen wollen und möglichst vor ihnen bleiben wollen, ist doch klar. Sie haben in den letzten Jahren einen unfassbar guten Job gemacht.
Was hat Magdeburg richtig gemacht?
Sie haben sich stark verpflichtet, haben ein wirklich gutes Trainer-Team, es ist ein starker, gewachsener Klub, der nun die Erfolge aus gewonnener Meisterschaft und Champions League zusätzlich im Rücken hat. Dadurch haben sie viel Selbstbewusstsein und gute finanzielle Möglichkeiten. Es wird schwer sein, den SCM in den nächsten Jahren in Bedrängnis zu bringen. Sie haben sich einen kleinen Vorsprung herausgearbeitet. Und dann hast du noch die anderen: die Flensburger, die Kieler, die Melsunger. Gegen diese Mannschaften wird es in den nächsten Jahren gehen. Auch darum geht es im Wettkampf: Wie entwickeln sich die anderen? Sie machen ihren Job sehr gut.
Vor der Saison war die Prognose für die Füchse eher zurückhaltend. Starspieler Jacob Holm ging - ohne dass Ersatz verpflichtet wurde. Kapitän Paul Drux fehlte bis zum vergangenen Wochenende verletzt, auch Fabian Wiede fällt seit mehreren Monaten aus.
Wir haben einen sehr schmalen Kader. Und unsere Stammspieler reißen ein unfassbares Programm ab. Für mich ist das, was wir dieses Jahr spielen, ganz ehrlich ein Wunder. Weil wir eine der wenigen Mannschaften in der Bundesliga sind, die in meinen Augen am Optimum spielt. Unsere Jungs holen tatsächlich immer das Maximale heraus. Davor habe ich absoluten Respekt. Ich glaube, dass andere Mannschaften Entwicklungsmöglichkeiten haben und noch längst nicht am Ende der Fahnenstange angekommen sind. Unsere Jungs machen das Woche für Woche am Optimum. Und das ist natürlich eine Qualität, die mir Respekt abnötigt. Ich weiß aber, dass das endlich ist.
Das heißt?
Wir müssen aufpassen, dass wir den Jungs, die so ein Pensum abreißen - ich nenne exemplarisch Mathias Gidsel, Lasse Andersson, Nils Lichtlein und Mijajlo Marsenic – dass wir denen Hilfe geben. Weil das kann über einen gewissen Zeitraum gutgehen, das wird aber nicht ewig gutgehen. Das kann ich denen nicht ewig abverlangen. Von daher überrascht es mich und stimmt mich froh, dass sie das so gut gemacht haben bisher. Aber für die Rückrunde müssen wir uns schon noch etwas einfallen lassen. Ich würde mich nicht ärgern, wenn wir noch einen Spieler dazubekommen würden.
Welche Bedeutung hat die Rückkehr des Langzeitverletzten Paul Drux?
Für den Klub und für die Mannschaft ist es ungemein wichtig, weil wir schon merken, dass die anderen Rückraumspieler an ihre Grenzen kommen. Wir haben zwar die Möglichkeit, das immer wieder auch durch jüngere Spieler zu kompensieren in der European League – aber die Bundesliga ist noch mal eine andere Hausnummer. Paul zurückzuhaben als Kapitän, ist sowohl mental als auch physisch wichtig. Ich weiß selber, wie schwierig so ein Reha-Prozess ist. Das ist eine mentale Belastung. Jetzt wieder dabei zu sein, ist wie eine Befreiung. Und das merkt man ihm auch an.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Dennis Wiese.
Sendung: rbb24, 18.12.2023, 18 Uhr
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