Interview | Rico Freimuth
Am 1. Januar 2024 wird der ehemalige Zehnkämpfer Rico Freimuth den Vorstandsvorsitz beim SC Potsdam übernehmen. Ein Gespräch über den Spagat zwischen Breiten- und Spitzensport und weiße Westen.
rbb|24: Rico Freimuth, vor Kurzem gab der SC Potsdam bekannt, dass sie ab dem 1. Januar das Amt des Vorstandsvorsitzenden übernehmen werden. Sie sind gebürtiger Potsdamer, hatten Ihre sportliche Heimat aber in Halle. Wie kam es jetzt zur Rückkehr nach Potsdam - und gab es über all die Jahre Kontakt zum Verein?
Rico Freimuth: Ich bin quasi ein Findelkind, ich habe nach meiner Geburt ja nur ein Jahr in Potsdam gewohnt. Aber ich kenne die Region. Ich habe schon als Sportler zwei Jahre in Potsdam Stabhochsprungtraining gehabt. Deshalb kenne ich auch die Infrastruktur und die Gegebenheiten dort. Außerdem ist Halle ja auch gar nicht so weit weg. Von daher hatte ich immer Kontakt nach Potsdam.
Sie haben 15 Jahre lang erfolgreich Zehnkampf betrieben. Welche Eigenschaften und Erkenntnisse aus Ihrer Zeit als aktiver Sportler können Sie denn für die neue Aufgabe mitnehmen?
Man kann überall im Leben etwas fürs Leben lernen. In meiner sportlichen Karriere habe ich gelernt, zielstrebig und teamorientiert an Dingen zu arbeiten. Genauso wie in der Leistungssportkarriere gehe ich es auch im Leben danach an: Man braucht ein Ziel, man braucht Lösungen und dann geht man einfach den Weg mit seiner eigenen Leidenschaft. Sport und alles, was damit zu tun hat, hat mich schon immer begeistert und so passt das auch gut zu meiner neuen Aufgabe.
Der SC Potsdam ist der größte Sportverein im Land Brandenburg. Haben Sie als ehemaliger Leistungssportler auch den Breitensport im Blick?
Ich komme als operativer Kopf in den Verein und habe da natürlich den ganzen Verein im Blick. Das sollte man auch, denn so ein gemeinnütziger Verein baut sich nicht auf Leistungssport auf, sondern auf den Mitgliedern. Natürlich ist es in einem modernen Verein aber auch wichtig, moderne Strukturen zu installieren. Das wird in den nächsten anderthalb Jahren ein wichtiges Thema sein. Gemessen an den Standards, die da sind, wollen wir natürlich auch die Leistungssportsparte wieder erfolgreicher machen. Ich habe schon als Athlet mitbekommen, dass die Infrastruktur in Potsdam deutlich besser ist als in Halle/Saale. Halle/Saale hatte trotzdem in der Leichtathletik in den letzten zehn Jahren mehr Erfolg. Und das kann nicht sein.
Olympiasiegerin Lisa Buckwitz hat den Verein gewechselt, weil sie bei ihrem neuen Verein eine "bessere Perspektive" gesehen hat. Was muss sich im Verein noch verbessern, damit solche Athlet:innen gehalten werden können?
Das ist eine gute Frage, verzeihen Sie mir, wenn ich das noch nicht im Detail beantworten kann. Ich kenne die Strukturen im Verein noch nicht genau genug. Ich muss erst die ganze Wahrheit erfahren, um dann basierend darauf Konzepte zu erstellen, wie man solche Sportler davon überzeugen kann, dass sie nicht wechseln. Denn darum geht es ja: Wir wollen nicht, dass die Topleute wechseln. Nüchtern betrachtet hat Potsdam alles, was man braucht. Wir müssen es nur in die richtigen Wege leiten.
Der SC Potsdam hat abseits des Sportlichen zuletzt wegen Betrugsvorwürfen u.a. gegen Ihren Vorgänger in der Öffentlichkeit gestanden. Wie haben Sie das als Außenstehender verfolgt und inwiefern wird Sie dieser mögliche Imageschaden auch beschäftigen?
Ich habe das selbstverständlich mitbekommen, gerade ab dem Moment, als ich mich aktiv eingesetzt habe, diesen Job zu bekommen. Aber ich will und werde kein Statement dazu abgeben, bevor ich nicht die ganze Wahrheit kenne. Basierend will ich den Weg so transparent gehen, wie er bei einem gemeinnützigen Verein sein sollte. Ich bringe frischen Wind mit, weil ich nicht aus dem Dunstkreis Potsdam komme. Ich kenne die meisten Leute dort nicht und habe eine weiße Weste.
"Das Präsidium setzt große Hoffnungen in ihn", sagte der Präsident Klemund: Welche sind das denn?
Ich interpretiere das so: Der Verein soll transparenter werden. Es ist der größte Verein in Brandenburg und einer der größten in Deutschland. Das ist eine große Aufgabe. Mit so vielen Mitgliedern sollte im Verein nichts hinter verschlossenen Türen passieren, damit auch wirklich alle alles mitbekommen und nichts verheimlicht wird. Das ist die Hauptaufgabe, bevor ich einen moderneren Verein konzipieren kann. Das ist wie im Sport: Alles geht Schritt für Schritt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führt Till Oppermann aus der rbb|24-Sportredaktion.
Sendung: rbb24 Inforadio, 8.12.2023, 19:15 Uhr
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