Radprofi Geschke
Simon Geschke ist eines der Gesichter des deutschen Radsports. Nun gab der Berliner bekannt, dass er Ende des Jahres seine Karriere beendet. Im Interview spricht er über die Abschieds-Saison, große Momente seiner Laufbahn und seine Zukunftspläne.
rbb|24: Herr Geschke, 2024 wird Ihr letztes Jahr als Radprofi sein. Wie kam es zu der Entscheidung?
Simon Geschke: Irgendwann kommt dieser Zeitpunkt nun mal. Ich werde bald 38, was für einen Leistungssportler auch nicht mehr so jung ist. Es ist also kein frühes Karriereende. Nach 16 Jahren wird es so langsam zäher für mich. Es ist ja auch ein Sport, der viel abverlangt. Außerdem wollte ich ein bisschen mehr zu Hause sein. Ich habe mich nie als jemand gesehen, der mit 40 Jahren noch Rad fährt. Von daher war es jetzt ein schöner Zeitpunkt.
War es am Ende trotzdem eine spontane Entscheidung - oder war schon lange klar, dass 2024 das letzte Jahr werden würde?
Spontan war es nicht. Es sind ja auch immer kurzweilige Verträge im Radsport. Als ich 2021 einen Zwei-Jahres-Vertrag unterschrieben habe, dachte ich schon, dass das der letzte sein würde. Es stand also im Raum, 2023 aufzuhören. Nach der Tour habe ich aber dann doch noch für ein weiteres Jahr unterschrieben. Da war aber klar, dass es das letzte werden würde.
Diese Saison wird also eine Art Abschluss-Tournee für Sie. Haben Sie sich etwas Besonderes vorgenommen?
Nein. Ich muss es nehmen, wie es kommt. Ich habe im Winter sehr gut trainiert, weil ich gerne ein gutes letztes Jahr haben und es nicht einfach ausklingen lassen will. Wenn man nur hinterherfährt, macht es auch keinen Spaß und so würde ich ungern in Rente gehen. Ich will es noch mal richtig genießen, gute Leistungen zeigen und ein Paar meiner Lieblingsrennen fahren.
Welche Rennen sind das?
Ich hatte drei Wünsche, die ich mir alle erfüllen werde: Jetzt gleich am Anfang des Jahres die Tour Down Under in Australien, dann das Strade Bianche im März und die Giro d’Italia im Mai. Alles andere nehme ich, wie es kommt.
Eine zwölfte Teilnahme an der Tour de France gehört nicht dazu?
Doch, ich würde sehr gerne nochmal die Tour fahren. Wenn das Jahr aber schleppend anläuft und ich mich nach der Giro schon platt fühle, würde ich den Platz bei der Tour gerne jemand anderem überlassen. Durch meine Erfahrung weiß ich, dass wenn man zur Tour nicht hundertprozentig fit ist, dass es dann kein Geschenk ist. Natürlich würde ich sie gerne noch einmal fahren, aber nur, wenn alles passt.
Vor zwei Jahren trugen Sie bei der Tour neun Tage lang das Bergtrikot – so lange wie noch kein Deutscher zuvor. War das einer der Höhepunkte Ihrer Karriere?
Definitiv. Vor allem, weil es ja schon zum Ende meiner Karriere war. Das würde ich natürlich gerne noch einmal wiederholen. Es war aber gleichzeitig auch eine meiner größten Enttäuschungen, als ich das Bergtrikot dann so knapp an den späteren Gesamtsieger verloren habe. Es sind also gemischte Gefühle, wenn ich daran zurückdenke.
16 Jahre Ihres Lebens haben Sie im Radsport-Peloton verbracht, feierten drei Siege, unter anderem einen Etappenerfolg bei der Tour de France 2015 und gelten als eines der Gesichter des deutschen Radsports. Jetzt, wo sich diese Zeit dem Ende zuneigt: Sind Sie rundum zufrieden mit dem, was Sie erreicht haben?
Als Leistungssportler denkt man natürlich immer an Situationen zurück, aus denen man mehr hätte machen können oder mit denen man nicht ganz so zufrieden war. Man ist sehr selbstkritisch. Im Großen und Ganzen bin ich aber super zufrieden. Vor allem mit dem Tour-de-France-Etappensieg, aber auch mit den vielen Rennen, in denen ich ein wichtiger Helfer war. Zusätzlich kamen Olympische Spiele und acht WM-Teilnahmen. Ich bin fast alle der größten Rennen der Welt gefahren und darauf bin ich sehr stolz. Man muss sich erstmal 16 Jahre in dem Business behaupten.
Man hat immer mal so ein paar Schaffenskrisen, wo man alles in Frage stellt. Ich hatte viele Stürze und kann gar nicht mehr zählen, wie viele Knochenbrüche ich insgesamt hatte. Allein das Schlüsselbein habe ich mir viermal gebrochen. Da bin ich schon ganz froh, dass beruflich das Risiko dafür bald nicht mehr so hoch sein wird.
Als Sie 2008 den Sprung auf die internationale Bühne des Radsports schafften, kam die Sportart gerade aus schwierigen Zeiten und war von Doping-Skandalen durchrüttelt. Wie sehr hat Sie das Thema während Ihrer Karriere begleitet?
Während meiner Karriere gab es zum Glück keine größeren Doping-Skandale, das ist alles davor passiert. Aber es war natürlich trotzdem immer ein Thema, gerade zu Beginn meiner Karriere hatte der Radsport ein sehr schlechtes Image. Als ich Profi wurde, wurde die Tour de France nicht mal mehr im öffentlich-rechtlichen Fernsehen in Deutschland übertragen. Das war immer schade, weil ich weiß, was es für ein großartiger Sport ist, nicht nur im Profibereich, sondern auch in der Breite. Deswegen habe ich mich damit über die Jahre immer schwergetan, aber das Thema gehört auf jeden Fall dazu. Ich bin froh, dass in meiner Zeit die großen Skandale ausgeblieben sind und es während meiner Karriere möglich war, sauber Erfolge einzufahren.
Hat der Radsport sein Image also wiederhergestellt?
Nein. Das muss auch nicht sein, weil die Skandale ja da waren und diese nun komplett auszublenden wäre auch falsch. Ich denke es gibt noch viele Menschen, die mit dem Thema Radsport seitdem komplett abgeschlossen haben. Das ist sehr schade, aber eben auch ein Produkt von dem, was passiert ist. Viele Radsport-Fans sehen das Ganze mittlerweile aber in einem größeren Bild und wissen, dass es sauberer ist. Durch die strengen Regularien ist gar nicht mehr so viel Raum für Betrug da. Das ist gut für das ganze Feld.
Am 12. Januar starten Sie im australischen Adelaide ins erste Rennen ihrer Abschluss-Saison. Gehen Sie – mit dem Wissen um den bevorstehenden Abschied – mit einem anderen Gefühl als sonst ran?
Ein bisschen schon. Alles, was ich jetzt mache, mache ich zum letzten Mal. Die Rennen, das Team-Treffen, die Trainings-Lager. Deshalb versuche ich, das alles ein bisschen bewusster wahrzunehmen. Ich freue mich aber auch schon sehr auf die Zeit danach. Jetzt ziehe ich erstmal die zehn Monate bis zum letzten Rennen durch, bleibe hoffentlich verletzungsfrei und genieße es noch einmal.
Was kommt denn in der Zeit danach? Gibt es schon Pläne?
Ganz konkret ist das noch nicht. Es gibt ein paar Sachen, die ich mir nicht vorstellen kann, und ich werde eine gewisse Zeit auch erstmal gar nichts machen, um mich neu zu orientieren. Ich will Fortbildungen machen und mich weiterbilden. Seit dem Abitur bin ich eigentlich nur Rad gefahren – was sich natürlich auch ausgezahlt hat – aber jetzt ist die Zeit gekommen, die berufliche Karriere in Schwung zu bringen. Ich denke aber schon, dass ich im Radsport bleiben werde. In meiner Wahlheimat Freiburg haben wir ein Projekt, wo wir ein Höhenhotel für Sportler machen. Da will ich mich mehr einbringen und freue mich sehr darauf. Alles, was daneben noch kommt, wird sich zeigen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Lukas Witte, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 12.01.2023, 18 Uhr
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