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Basketball
Albas Jugendarbeit gilt als besonders, weil sie nicht nur die Spitze fördert, sondern in die Breite investiert und damit den Basketball verändert hat. Doch mittlerweile holen andere Klubs auf. Von Shea Westhoff
Die schillernden Absolventen der Alba-Schule waren in der Vergangenheit zahlreich: Moritz und Franz Wagner, mittlerweile NBA-Spieler bei den Orlando Magic, Niels Giffey, der gemeinsam mit den Wagner-Brüdern den WM-Titel 2023 feierte oder Tim Schneider, um nur ein paar zu nennen.
Wie schaffte es der Klub, sich beim Nachwuchs bislang eine solche Schlüsselposition zu erarbeiten?
Dass der Klub scheinbar so verlässlich vielsversprechenden Nachwuchs präsentieren konnte, ist auch deswegen so bemerkenswert, weil in Randsportarten eigentlich der Zufall zu regieren scheint: Ob sich talentierter Nachwuchs für eine bestimmte Disziplin entscheidet, geht hierzulande weitgehend planlos vonstatten. Es hängt zum Beispiel davon ab, ob es überhaupt ein entsprechendes Vereinsangebot vor Ort gibt. Oder in welcher Region man aufwächst. Oder ob der Lehrer an der Schule die Schüler für eine bestimmte Sportart begeistern kann.
So hat es auch Henning Harnisch erlebt. Der heute 55-Jährige gewann 1993 die Europameisterschaft mit dem Nationalteam, stieg später in die Führungsriege von Alba Berlin auf. Doch dass er überhaupt zum Basketball kam, hing, wie er sagt, unter anderem damit zusammen, dass er in Oberhessen aufwuchs, einer Region, in der die dort stationierten US-Amerikaner mit ihrem geliebten Basketball präsent waren. Was es auch gab: drei Lehrer an seiner Schule, "die sich intensiv darum gekümmert haben, Basketball weiterzugeben", sagt Harnisch. Es war "Glück", sagt Harnisch.
"Man könnte das so hinnehmen und sagen: So läuft das. Aber man kann sich auch fragen: Was war damals alles gegeben?". Harnisch wollte zumindest in Berlin den Faktor "Zufall" etwas minimieren.
2004 wurde Harnisch Team-Manager bei Alba Berlin und regte im Jahr darauf scheinbar Abwegiges an: Nicht mehr nur in der Spitze sollte Alba Talente fördern - bis dahin gab es die Kooperation mit TuS Lichterfelde, wo sich vielversprechende Talente für ein Engagement bei Alba Berlin empfehlen konnten. Sondern: "Die Frage war, warum bauen wir das nicht selber von unten auf. Sofort mit der Idee: Schule ist ein Schlüssel. An den Grundschulen sind alle Kinder, da wollen wir starten."
Ausgehend vom damals weitgehend Basketball-uninteressierten Prenzlauer Berg, wo der Klub seinen Sitz hat, war der Plan, sich zu vernetzen, Partnerschaften mit Schulen zu schließen und ein neues, professionelleres Basketballnetz über Berlin zu spannen.
Zur Saison 2005/2006 begann das Projekt, mit einer Schulmannschaft mit 15 Kindern, trainiert von zwei Coaches. Und heute? "Sind wir über 100 Trainer, 90 Mannschaften, über 1.500 Kinder, die einen Spielerpass haben", sagt Marius Huth, der seit den Anfangsjahren dabei ist und unter anderem die Wagner-Brüder in deren Jugend trainierte.
"Das ist eigentlich verrückt, wie sich das alles entwickelt hat", so Huth.
Zu beobachten etwa an der Grundschule am Kollwitzplatz. Stephanie Süß kurbelt in der Sporthalle gerade noch die Korbanlagen von 3,05m auf kindgerechte 2,60m herunter. Um sie herum wuseln 12 Mädchen über das Parkett, spielen Fangen, während sie mit kleinen Basketbällen dribbeln. Süß koordiniert den weiblichen Minibereich zwischen sieben und 14 Jahren, und trainiert mehrerer sogenannter Schulvereinsteams.
Der Grundgedanke bei diesen Mannschaften: "Die Kids haben die Möglichkeit, direkt nach dem Unterricht Basketball zu spielen und müssen dafür nicht erst die Schulen verlassen und lange Wege zurücklegen", sagt Süß. Solche Schulteams nehmen darüber hinaus am regulären Spielbetrieb teil.
Das auf Breite angelegte Nachwuchssystem kostet rund dreieinhalb Millionen Euro pro Jahr, eine enorme Summe. Finanziert wird das laut Vereinsangaben durch Sponsoren, Stiftungen, außerdem durch Gelder der Senatsverwaltung. Und wenn das nicht ausreicht, schießt Albas Profibetrieb Gelder hinzu.
An Profis wie Malte Delow – heute gestandener Profi bei Alba - zeigt sich, dass das aufgehen kann. Der damals 12 Jahre alte Delow aus dem Berliner Norden hatte nämlich zuvor wenig mit Basketball zu tun, seine Leidenschaft galt dem Fußball. Dann nahm er an einem von Alba angebotenen Schnuppertraining für Schüler teil - und fing Feuer für den Sport mit dem orangefarbenen Leder. Der heute 22-Jährige durchlief alle Nachwuchsstationen bei Alba und setzte sich zuletzt auch beim Kooperationsteam Lok Bernau durch.
Zusätzlichen Antrieb habe er als Jugendspieler durch das Wissen erhalten, dass der Übergang bei den Berlinern zwischen Nachwuchs und Profis durchlässig ist: "Es ist immer einfach zu sagen: 'Wir wollen die Jugend fördern', aber wenn niemand aus der Jugend bei den Profis spielt, dann denkt man sich auch: 'Ok, das ist nicht so ambitioniert scheinbar'", berichtet der Flügelspieler. "Und hier hatte ich schon Moritz Wagner, Franz Wagner und natürlich mit Jonas (Anm.: Mattisseck) und Tim (Schneider) vor mir, wo man gesehen hat, das kann funktionieren und an denen kann man sich orientieren."
Doch im Hier und Jetzt steht Alba vor großen Herausforderungen. Strukturell scheint etwas ins Rutschen zu geraten. In der vom Deutschen Basketball-Bund (DBB) erfassten Rangliste der 100 größten Basketballvereine thront Alba zum ersten Mal seit Jahren nicht mehr auf dem ersten Platz. Gemessen werden in dem Ranking die Anzahl der Teilnehmerausweise – inklusive der gemeldeten Spierlerinnen und Spieler bei Schulwettbewerben. Die Zahl ist bei Alba rückläufig.
Vorbeigezogen am Hauptstadtklub sind nun die Rostock Seawolves, die dieses Ranking anführen [dbb.de]. Schwächelt Alba nun ausgerechnet beim Vorzeigemodell der Jugendarbeit?
Auf Anfrage verweist Alba auf die "infrastrukturellen Nöte" in Berlin: "Uns fehlen Hallenzeiten, um mehr Kinder und Jugendliche im Verein aufzunehmen". Der Stellenwert der Jugendarbeit bleibe aber unverändert.
Der Klub betont außerdem, dass er unabhängig von beim Spielbetrieb gemeldeten Nachwuchsspielern durch "zahlreichen Kita- und Schul-Kooperationen rund 15.000 Kinder pro Woche in Bewegung" bringe. Das sei nach wie vor "einzigartig" für einen Profiklub in Deutschland.
In der Tat ist es bereits jetzt ein Vermächtnis von Alba Berlin, den jüngsten Dribblern der Hauptstadt ganz niedrigschwellig einen professionellen Zugang zum Basketballball zu ermöglichen.
Doch weil im Profikader recht verlässlich die stärksten Kräfte zu reicheren Klubs und in finanzkräftigere Ligen abwandern, könnte die Nachwuchsabteilung nach dem Erreichen ihrer Volljährigkeit möglichweise vor der ausgewachsenen Aufgabe stehen, die Profis zeitnah und dringlichst mit neuen Toptalenten zu versorgen.
Denn in der glanzvollen Euroleague scheint der Anschluss an die Playoff-Aspiranten bereits verloren gegangen zu sein, Alba steht dort auf dem letzten Platz. Und in der Liga (acht Siege, vier Niederlagen) scheinen außer den üblichen Verdächtigen wie der FC Bayern München und Ratiopharm Ulm nun auch andere Klubs aufzuholen, die man vorher nicht unbedingt auf der Rechnung hatte, wie Würzburg, Chemnitz oder eben Rostock.
Immerhin: Der Verein hat vor gut 18 Jahren ja schon mal bewiesen, dass man dort ein Näschen für erfolgsversprechende neue Konzepte hat.
Sendung: rbb24 Inforadio, 09.12.2023, 14:20 Uhr
Beitrag von Shea Westhoff
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