Berlin und Brandenburg
Die Fußball-Amateurklassen bieten seit jeher zahlreiche spannende Geschichten, Duelle und Dramen. Acht aktuell besondere Begebenheiten und Pflichttermine in Berlin und Brandenburg, von Fabian Friedmann
Die Insolvenz von Oberligist CFC Hertha 06 hat mittlerweile direkten Einfluss auf den Titelkampf in der Oberliga Nord. Dort duellieren sich der FC Hertha 03 und Lichtenberg 47 um die Meisterschaft. Dadurch, dass Hertha 06 als Verein aufgelöst und aus allen Wettbewerben des Berliner Fußball-Verbandes gestrichen wurde, fallen auch alle Ergebnisse gegen den Verein weg.
Lichtenberg 47 hat dadurch seinen Vorsprung auf zwei Zähler gegenüber Verfolger FC Hertha 03 ausbauen können, da man gegen Hertha 06 nur remis spielte, im Gegensatz zum Kontrahenten aus Zehlendorf. Am kommenden Sonntag trifft 47 zu Hause auf Kellerkind Schwerin, die "Nulldreier" müssen in Stahnsdorf ran.
In den Niederungen der Berlin-Liga hat sich der Ex-Kurzzeit-Bundesligist Blau-Weiß 90 in der Abstiegszone festgesetzt, ist momentan Vorletzter mit vier Punkten Rückstand aufs rettende Ufer. Aufgrund fehlender Jugend- und Infrastrukturen hatten man im Herbst 2022 den freiwilligen Rückzug aus der Oberliga und eine gleichzeitige Kooperation mit Tasmania Berlin angekündigt.
Ziel sollte es sein, die Kräfte zu bündeln, damit Tasmania langfristig sportlichen Erfolg feiern kann und Blau-Weiß so eine Art U23 für die Talente der Tasmania werden sollte. Dieser Plan ist bis jetzt nicht aufgegangen. Tasmania belegt den achten Platz in der Oberliga und Blau-Weiß könnte bald den bitteren Gang in die Landesliga antreten. Kommenden Samstag geht es um 14 Uhr zu Hause gegen Altglienicke II .
In Brandenburgs höchster Spielklasse geht das Märchen um Grün-Weiß Ahrensfelde ins nächste Kapitel. Erst 2022 in die Brandenburg-Liga aufgestiegen, steht das Team um den erfahrenen früheren Bundesliga-Profi Manuel Schmiedebach (unter anderem Hannover 96 und Union Berlin) ungeschlagen an der Tabellenspitze, mit 13 Siegen aus 15 Spielen. Ärgster Verfolger ist der 1. FC Frankfurt, der ebenfalls noch keine Saisonniederlage aufzuweisen hat, aber bereits fünf Punkte Rückstand und dazu ein Spiel mehr aufweist.
Zum großen Showdown im Titelkampf kommt es allerdings erst am 33. Spieltag am 8. Juni.
Die Frauen-Mannschaften des 1. FC Union und Hertha BSC treffen am Sonntag im Viertelfinale des Berliner Landespokals aufeinander. Klarer Favorit im Hauptstadtderby sind die Eisernen Ladies, die die Regionalliga souverän mit elf Siegen aus elf Spielen anführen, während Hertha den vierten Platz in der Tabelle belegt - und auch das bisherige Duell gegen Union in der Liga mit 1:6 verlor. Aber Fußballfans wissen: Der Pokal hat auch hier eigene Gesetze.
Anstoß ist um 14 Uhr auf dem Fritz-Lesch-Sportplatz in Berlin-Adlershof. Kurios: Am Sonntag hätten beide Teams auch in der Liga aufeinandertreffen sollen. Dieses Duell wurde auf den 28. April verlegt und steigt dann im Stadion An der Alten Försterei.
Das altehrwürdige Stadion am Quenz in Brandenburg an der Havel hat schon bessere Zeiten gesehen. Stahl Brandenburg spielte nach der Wende in der 2. Bundesliga, gehörte darüber hinaus zu den letzten Vereinen, die in der DDR-Oberliga antraten und feierte 1994 den Gewinn des Brandenburger Landespokals. Nach dem Konkurs im Jahr 1998 ist der Nachfolgeverein immerhin in der Nordstaffel der Landesliga angekommen.
Dort steht er momentan an der Spitze, hat aber den Dorfverein SV Altlüdersdorf im Nacken sitzen. Nur circa 700 Einwohner zählt der Ortsteil von Gransee im Landkreis Oberhavel, ist aber Fußball-Insidern durchaus ein Begriff. Aufgrund üppiger Finanzspritzen lokaler Sponsoren spielte der SVA lange Zeit in der Oberliga und will nun wieder zurück nach oben. Das Kräftemessen beider Teams gibt es am 1. April - willkommener Anlass für so manchen Groundhopper, das Stadion am Quenz endlich aufzusuchen.
Ursprünglich während einer Bierlaune im Jahr 1990 von ein paar Punkrockern im Schöneberger "Pinguin Club" gegründet, mischt der Fußball-Klub Polar Pinguin gerade den Berliner Amateurfußball auf. Mittlerweile stehen die Pinguine in der zweiten Abteilung der Berliner Landesliga auf dem zweiten Platz, nur zwei Punkte hinter Spitzenreiter Hohen Neuendorf.
Der Tabellenführer verlor am Wochenende völlig überraschend gegen den SC Borsigwalde mit 0:1. Bei jenem Klub wird Polar Pinguin am Sonntag (13:30 Uhr) versuchen, den Rückstand auf die Spitze weiter zu verkürzen, während Torjäger Valdrin Dakaj (19 Treffer) seine Führung in der Torschützenliste ausbauen möchte.
"Fußball aus Kreuzberg. Echt. Hart. Sozial." Das verspricht der Slogan auf der Webseite des FSV Hansa 07. Seit Jahrzehnten spielen bei dem Verein viele Migranten sowie Studenten aus der Kreuzberger Alternativbewegung. In den 1990er Jahren wurde Hansa 07 bekannt durch die Kampagne "Catenaccio gegen Rassisten" – nach den gewaltsamen Übergriffen gegen Ausländer wurde die Parole auf die Trikots gedruckt, um ein Zeichen zu setzen.
Auch heute noch engagiert sich der Verein, der über eine große Jugendabteilung verfügt, gegen Rassismus und Homophobie. Aktuell führt Hansa 07 souverän die zweite Abteilung der Bezirksliga an, nur Viktoria II kann dem Kiezklub noch gefährlich werden. Sollte am Ende der Aufstieg gelingen, würden die Gelb-Schwarzen erstmals seit ihrer Neugründung in der Landesliga spielen.
Zum Schluss noch etwas für wahre Fußball-Feinschmecker: In der Berlin-Liga der Ü32-Senioren tobt gerade der knappste aller Titelkämpfe im Berliner Fußball. Hertha BSC und der SC Charlottenburg sind dort nach zwölf Spielen punktgleich. Einzig die um einen Treffer bessere Tordifferenz zugunsten der Blau-Weißen trennt beide Teams.
Im Kader der Herthaner tummeln sich dabei so illustre Namen wie Karim Benyamina, Chinedu Ede oder Sami Allagui. Fußball-Gourmets, die ihre Traumtore bestaunen wollen, müssen allerdings früh aufstehen: Das nächste Spiel von Herthas erfolgreicher Senioren-Truppe findet kommenden Sonntag um 10 Uhr (!) beim SC Staaken statt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.02.2024, 16:15 Uhr
Beitrag von Fabian Friedman
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