Hallenfußball zwischen Firmen-Event und Heuchelei
Seit nunmehr fünf Wochen schickt sich ein neues Format an, den Fußball zu retten. Schaut man sich die "Baller League" genauer an, muss man allerdings konstatieren: Sie hat den Hilferuf missverstanden, kommentiert Ilja Behnisch
Ich soll mich nicht mehr so aufregen. Sagt meine Frau. Sagt mein Arzt. Sagt meine Vernunft. Und die Baller League, um die es jetzt hier also gehen soll, schadet ja auf den ersten Blick auch niemandem. Die was? Höre ich so manchen Power-User von rbb|24 fragen. Also bitte: "Erlebe den neuen, alten Fußball, so wie er einst auf den Bolzplätzen der Nation entstand. Hier bei der Baller League präsentieren wir unvorhersehbaren, authentischen und technisch versierten Fußball. Ein Spiel für alle Fußballfans, aber auch für alle, die es noch nicht waren." Steht so auf der Twitch-Startseite der Baller League [twitch.tv]. Dort, wo die Spiele hauptsächlich übertragen werden. Tja. Und jetzt rege ich mich doch auf. Über ein bisschen Hallenfußball. Aber aus Gründen! Bleiben Sie dran.
Es wurde schon immer viel Geld gemacht mit der Sorge um und Versprechen auf die Zukunft. Die Baller League betreibt dieses Geschäft mit perfider Perfektion. "Wir müssen es wieder schaffen, die Kinder für den Fußball zu begeistern", sagt Lukas Podolski. Der Eis-Fabrikant, Döner-Ketten- und Hallenfußball-Betreiber Podolski spielt selbst Fußball, professionell sogar. Aktuell steht er bei Gornik Zabrze unter Vertrag. Ach ja, Weltmeister 2014 wurde er auch. Und spätestens da zum Zugpferd für die (Fußball-)Massen.
So wie Weltmeister-Kollege Mats Hummels, der zusammen mit Podolski als "Präsident", also Werbegesicht, der Baller League fungiert. Hummels, aktuell noch Reserve-Spieler bei Borussia Dortmund, gilt gemeinhin als Intelligenz-Bolzen unter den deutschen Fußball-Profis. Was vor allem auch daran liegt, dass Fußball-Profis ansonsten als eher unterdurchschnittlich intelligent gelten. Und daran, dass Hummels sich gern reden hört. Weshalb er zusammen mit seinem Bruder Jonas auch einen Podcast unterhält ("Alleine ist schwer"), in dem mal mehr und meist weniger versiert über die bunte Welt des Sports geredet wird. Was natürlich voll ok ist. Alte-weiße-Männer-Zeug halt.
Es wäre auch sonst alles fein, würde die Baller League nicht mit diesen schweren (Marketing-)Geschützen um sich, Verzeihung, ballern. Würde sie einfach nur von sich behaupten, ein neues Format für Content-Creator zu sein und mithin ein neues Erlösmodell, wäre der Aufregung ihr Nährboden entzogen. Sollen "Team-Manager" wie Comedian Felix Lobrecht, der Streamer Montana Black oder der Musiker Kontra K doch gern alles machen, um mit möglichst leichter Hand das Konto aufzuhübschen. Aber es soll doch bitte, bitte niemand so tun, als würde man selbstlos an der Rettung oder Wiederherstellung des wahren Fußballs arbeiten.
"Mit unserem ganzheitlichen Ansatz sehen wir uns klar als First Mover in Deutschland und möchten eine Liga, eine Marke, ein Movement kreieren. Es ist ein Format für alle, die den Bolzplatz-Fußball lieben und die Hallenturniere von früher", ließ sich Hummels vor Start der inzwischen fünf Spieltage alten Liga zitieren. Wer sich die Mühe macht, auch nur Ausschnitte der 6 Stunden und 35 Minuten langen Übertragung von "Gameday 5" anzuschauen, muss angesichts der überbordenden Werbepartner konstatieren: Dass mit der Marke kriegen sie ganz gut hin. Den Rest eher so überhaupt nicht.
Lassen wir die viel zu oft von der (Werbe-)Industrie missbrauchten Bolzplätze mal in Ruhe und stürzen uns auf den Hallenfußball. Hallenfußball war toll, solange die Bundesliga-Teams ihre Stars geschickt haben. Hallenfußball ist toll, wo er historisch gewachsene Rivalitäten klärt. So wie bei den Stadtmeisterschaften im Ruhrgebiet. Wo das Ur-Prinzip des Fußballs weiterlebt und die Zuschauerränge der Hallen schier explodieren vor Konkurrenz-Gedanken. Ober- gegen Unterdorf. Es ist die alte Frage: Wer hat die beste Mannschaft der Region, des Landes? Übersetzt auf die Baller League müsste die Frage allerdings lauten: Welche der ankerlos aus dem Boden gestampften Teams hat die beste, eher wahllos zusammengewürfelte Mannschaft aus Amateuren und mehr oder minder strahlenden Ex-Profis?
Ein anderer Grund, Fan von Hallenfußball zu sein, war oder ist der Fußball an sich. Zaubermäusen dabei zuzusehen, wie sie Dinge mit ihren Füßen machen, die bei Normal-Begabten zur Ad-hoc-Krankschreibung führen würden, hat was. Im besten Fall bietet Hallenfußball Kabinett-Stückchen im Akkord. Was zu dem passt, was über unsere Jugend gesagt wird: 90 Minuten "echter" Fußball sind zu lang für die. Die schauen nur Highlight-Clips. Die Baller League hingegen bietet über 6 Stunden und 35 Minuten vor allem eines: Langeweile.
"Ey, ich bin hier reingekommen, da standen direkt von Las Ligas Ladies Diego Contento, Moritz Leitner, Mehmet Ekici. Alle voll gut drauf. Richtig guter Vibe und ich denke, damit können wir direkt gut loslegen", sagt ein als "Experte" deklarierter, junger Mann zu Beginn der Übertragung von "Gameday 5". Nun hatten die ehemaligen Bundesliga-Profis Diego Contento, Moritz Leitner oder Mehmet Ekici sicher so ihre Fans während ihrer aktiven Karriere. Sollten Ihnen die Namen allerdings nichts (mehr) sagen, grämen Sie sich nicht. Sie sind sicher nicht allein.
Und sollte es doch das sein, was Sie hinter dem Ofen hervorlockt, dann herzlichen Glückwunsch. Denn dann ist schwer davon auszugehen, dass Sie die wirklichen aufregenden Dinge, die so ein Leben ausmachen, bereits als ausreichend erlebt abgehakt haben. Ob ehemalige Bundesliga-Profis aus dem mittleren Regal aber allgemein dazu dienen, den Aufbruch in eine "neue Ära" des Fußballs anzuführen, sei zumindest in Frage gestellt.
Die Spiele sind weder dynamisch noch technisch hochwertig. Dagegen waren die Auftritte von Hertha BSC unter Trainer Tayfun Korkut pures Entertainment. Es ist, als würde man in der Soccer-Halle am Rande der Stadt der Betriebsmannschaft eines Start-Ups zusehen. Aus lauter Jux und Dollerei wurden dann noch ein paar Ex-Profis eingeladen, die jetzt hoffen, da möge nach der Laufbahn als Fußballer noch irgendwas anderes kommen als die Fußball-Schule für dicke Kinder im Sommer.
Die absurden "Gamechanger"-Regeln, die zum Ende jeder Paarung künstlich Spannung und Abwechslung heraufbeschwören sollen, tun ihr Übriges und sind vor allem eines: nervig. Fußball war auch deshalb immer so erfolgreich, weil er so verdammt einfach zu verstehen ist. Dass in den letzten Minuten eines Baller-League-Spiels zum Beispiel nur Tore gelten, die per Volleys erzielt wurden, mag beim Brainstorming im Gründungs-Meeting der Baller League als nette Idee gewirkt haben. Die Wahrheit aber liegt bekanntlich auf dem Platz und lautet: gähn.
Wenn man unbedingt alles schauen muss, was die Promis hinter den Fantasie-Teams so treiben, dann, bitteschön, ist die Baller League vermutlich eine gute Sache. Für alle anderen gilt, was Peter Lustig zurecht berühmt gemacht hat: abschalten. Und wenn man es zudem schafft, nie wieder was davon zu hören, muss man sich nicht mal mehr drüber aufregen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 13.02.2024, 19:15 Uhr
Beitrag von Ilja Behnisch
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