Proteste gegen Investoren
Die Fan-Proteste gegen einen möglichen Einstieg eines Investors in die Deutsche Fußball Liga bestimmen derzeit die Spieltage in erster und zweiter Bundesliga. Doch wie sieht es eigentlich generell um die Teilhabe der Fans aus? Von Ilja Behnisch
Geht es nach der Deutschen Fußball Liga (DFL), ist die Sache eigentlich ganz einfach. Die 36 Profi-Vereine der ersten und zweiten Bundesliga kommen zu wichtigen Fragen zusammen und regeln in eindeutig geregelten Abstimmungsverfahren die Zukunft von Deutschlands liebstem Kind. Wie die Vereine sich zu den Vorschlägen der DFL-Geschäftsführung verhalten, ist dabei "Sache des Vereins selbst", wie die DFL auf Anfrage schreibt.
Abgestimmt wurde bei der DFL bekanntlich auch im Dezember 2023 und zwar über die Frage, ob ein strategischer Investor an Bord geholt werden soll. Doch die mit nur einer Stimme zu Stande gekommene absolute Mehrheit, die für den Beschluss, entsprechende Gespräche aufzunehmen, nötig war, kam nur zustande, weil sich Martin Kind, Geschäftsführer von Zweitligist Hannover 96, offenbar nicht an das Votum des Stammvereins hielt.
Seither protestieren die deutschen Fan-Szenen gegen den Einstieg eines Investors. Mit Erfolg. Wohl auch aufgrund der Proteste ist nur noch ein einziger Bieter in der Verlosung. Doch neben der ganz aktuellen Frage über den sogenannten "Investoren-Deal" ist darüber längst eine grundsätzliche Debatte entbrannt. Eine Debatte, der die Frage zu Grunde liegt: Wem gehört der Fußball? Und wer hat eigentlich das Sagen bei den Vereinen?
Der Fan-Forscher Harald Lange von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg sagt: "Die Mehrheit der Vereine haben ganz offensichtlich darauf verzichtet, das Votum ihrer Fans und Mitglieder einzuholen." Es sei ein Kennzeichen des Fußballs, dass die Spitzen der Verbände, ob DFB oder DFL, aber auch die Spitzen vieler Klubs losgelöst von ihren Klubs Entscheidungen treffen. Natürlich, so Lange, solle nicht für alle Themen eine Art Volksentscheid abgehalten werden. Bei einem "so wichtigen Thema wie dem Einstieg eines Investors, wäre man allerdings gut beraten gewesen, wenn man diesen Prozess auf breitere Füße gestellt hätte."
Dass so mancher Funktionär dieser Tage von einer schweigenden Mehrheit sprach und also meinte, das Gros der Fußball-Fans Deutschlands solidarisiere sich keinesfalls mit den Protesten der aktiven Fan-Szenen, kann Lange dabei entkräften. Einer Studie seines Instituts folgend, bewerten 62,1 Prozent aller befragen Fußball-Fans einen möglichen Investoren-Einstieg mit nur einem von fünf möglichen Punkten. 76,8 Prozent der Befragten unterstützen die Proteste ausdrücklich.
Der Fußball, so Lange, sei nur deshalb so wertvoll, weil ihn Menschen mit Bedeutung aufladen. Dass diese Menschen vermehrt Gehör verlangen, sei dabei ein Prozess, der in den letzten Jahren an Dynamik gewonnen habe. Dabei geht es nicht mehr nur, wie zuvor meistens, um Fragen von Fan-Rechten, sondern um den Kern des Spiels selbst. Der Fußball, sagt Lange, "ist eine Instanz, vor der alle gleich sind“, weshalb Proteste vorprogrammiert sind, "wenn der Verdacht aufkommt, es gehe nur noch um die monetären Interessen einiger weniger".
Hertha BSC und der 1. FC Union, die beiden Berliner Bundesliga-Klubs, haben im Dezember 2023 gegen den Einstieg eines Investors gestimmt. Herthas Fan-Szene hat sich anschließend besonders hervorgetan im Protest. Die mehr als 30-minütige Tennisball-Unterbrechung aus dem Zweitliga-Spiel gegen den Hamburger SV war so etwas wie eine bundesweite Initialzündung für die nächste Stufe des Protests.
Nun kann das durchaus merkwürdig anmuten angesichts der eigenen Historie, angesichts des Investments von ehemals Lars Windhorst und nun 777. Doch, so Lange, gerade diese Erfahrung mache den Protest der Hertha-Fans umso glaubwürdiger. Die Heilands-Versprechungen, die Windhorst einst mit nach Berlin brachte, wurden schließlich nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil. Wer, wenn nicht Herthaner sollte also vor den Konsequenzen eines Investors warnen?
Dass Hertha gegen einen Investoren-Einstieg in die DFL stimmte, hatte also mit der eigenen Geschichte zu tun und mit einer Vereinsführung, die unter dem verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein nicht nur nah dran war an der Basis, sondern aus ihr stammte. Der Klub selbst schreibt auf Anfrage: "Wir stehen regelmäßig, nicht nur im Rahmen des Investorenprozesses, im Austausch mit unserer aktiven Fanszene, zu der wir auch die Vertreterinnen und Vertreter unserer OFCs sowie weitere organisierte Fans zählen. Dieser fortwährende konstruktive Dialog ist ein wichtiges Gut für alle Seiten, auch im Sinne der Nachhaltigkeit und des Berliner Wegs. Darüber hinaus bieten unsere zweimal im Jahr stattfindenden Mitgliederversammlungen die Möglichkeit für Austausch und Diskussionen."
Wie diese Teilhabe funktioniert, zeigt dabei das Beispiel von Inis Heidekrüger. Heidekrüger gehört zum Fanclub "AKJ" und ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass Hertha seit dieser Saison mit gleich neun Frauen-Mannschaften vertreten ist. Der Antrag darüber wurde auf einer Mitglieder-Versammlung eingebracht, auch, weil "uns wichtig war, dass er von allen getragen wird."
"Du kannst Dich einbringen, Anträge einbringen, Stimmen sammeln und dann hast Du schon die Möglichkeit der Einflussnahme", so Heidekrüger, die sich genau deshalb ärgert, dass nicht mehr Mitglieder den Weg zu den Mitgliederversammlungen finden. Auch wenn aktuell nur elf der 36 Profi-Klubs noch als eingetragene Vereine agieren und ansonsten also ausgegliederte Kapitalgesellschaften oder GmbHs das Bild bestimmen, gilt laut der im deutschen Fußball maßgeblichen 50+1-Regel, dass der Stammverein immer Mehrheitsgesellschafter sein muss. Kurzum: Die Einflussnahme der Mitglieder ist immer gewährleistet, sie funktioniert nur nicht immer so direkt wie etwa bei Union Berlin, einem der elf eingetragenen Vereine.
Beim Champions-League-Teilnehmer aus Köpenick ist die Teilhabe dabei klar geregelt. Die sogenannte FUMA (Fan- und Mitgliederabteilung) ist laut Satzung eine Abteilung des Vereins, welche wiederum einzelne Arbeitsgemeinschaften (AG Marketing, AG Stadion usw.) unter sich vereint. Allerdings, so Helge Meves, aktiver Union-Fan und Autor, "sind es vielleicht 400 Vereinsmitglieder, die da mitmachen". Angesichts der inzwischen knapp 65.000 Union-Mitglieder insgesamt eine verschwindend geringe Zahl.
Auch zu Unions Mitgliederversammlungen kommen, ähnlich wie bei der Hertha, vielleicht maximal fünf Prozent aller Berechtigten. Viele seien eben vor allem deshalb Mitglied, weil sie so bessere Chancen auf Eintrittskarten haben, so Meves. Oder schlicht, weil sie "Union dufte finden". Auch um dieser Diskrepanz Rechnung zu tragen, hat sich im Umfeld des Vereins ein Fanclub-Beirat organisiert. "Da treffen sich von den etwa 60 Fanclubs Unions die Sprecher. Zwei Mal im Jahr. Und da kommt dann auch der Präsident (Union-Präsident Dirk Zingler, Anm. d. Red.) dazu." Nur in einem Bereich hielten sich die Fans komplett raus: dem Sport. Sein Fazit: "Fuma und Co. sind schon gut."
Fan-Forscher Harald Lange sagt: "Der Fußball als Kulturgut bekommt nur durch die aktive Teilhabe der Anhänger seine Wertigkeit." Eigentlich ganz einfach. Es bleibt abzuwarten, ob das auch bei der DFL ankommt.
Sendung: rbb24 Inforadio, 16.02.2024, 09:15 Uhr
Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Textes war von einem "Pokalspiel" gegen den HSV die Rede. Richtig ist, dass es sich um das Zweitliga-Spiel gegen den HSV handelte. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Beitrag von Ilja Behnisch
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