Sporthymnen einer DDR-Band
Puhdys-Legende Dieter Birr hat mit Sport nicht viel am Hut, aber viele bekannte Sporthymnen geschrieben, besonders für Fußballklubs. Seit einem Vierteljahrhundert heizt unter anderem die "Eisbären"-Hymne Fans auch international ein. Von Gunnar Leue
Jeder große (und manchmal auch kleine) Sportverein hat sie: eine Vereinshymne. Ein Lied, das Identifikation und Zusammenhaltgefühl vermitteln soll. Manche Vereinshymnen haben es auf einer langen Traditionslinie bis in die heutige Zeit geschafft, ohne dass ihre Ursprünge völlig geklärt wären. Bei anderen ist die Entstehungsgeschichte als Auftragswerk eindeutig.
Während "normale" Gebrauchsmusiken oft von ein und demselben Komponisten stammen, ist das bei den Lobliedern auf Sportklubs in der Regel anders. Das hängt mit der Abgrenzung von den ungeliebten Konkurrenzvereinen zusammen. Aber jede Regel hat eine schillernde Ausnahme, die sie bestätigt.
In diesem Fall kommt sie aus Berlin und trägt den Namen Maschine. Genau gesagt ist es ein Spitzname, nämlich von Dieter Birr, langjähriger Sänger der Puhdys. Seit der Trennung der Band vor einigen Jahren ist der bald 80-Jährige solo unterwegs, im März bringt er ein neues Album heraus.
Der Urberliner ist nicht nur der Schöpfer der meisten Puhdys-Hits, sondern auch Urheber etlicher Hymnen auf diverse bekannte Sportklubs nicht nur, aber vor allem aus dem Fußballbereich. So schrieb er 1995 auf Wunsch der Rostocker nach ihrem Wiederaufstieg in die Erste Bundesliga das Lied "FC Hansa, wir lieben dich total". Auch der SC Paderborn und der 1. FC Union bekamen ihre Huldigungssongs.
Und sogar Dynamo Moskau. Die Hymne auf den russischen Hauptstadtklub war allerdings eine Art Abfallprodukt des Songs "Hey, wir woll’n die Eisbärn sehn", den Dieter Birr und Puhdys-Kollege Peter Meyer 1997 im Auftrag des Ostberliner Eishockeyklubs verfassten. Dieser Titel zog über die Ski-Gebiete mit ihren Apres Ski-Parties derart Kreise, dass etliche Sportfreunde und Vereine auf ihn aufmerksam wurden.
Während die Moskauer Fans den Song ungefragt adaptierten und mit einem russischen Text herausbrachten, wie Dieter Birr erzählt, scheuten andere die illegale Aneignung. Auch Borussia Dortmund hätte den Song gern übernommen, was Dieter Birr jedoch ablehnte. Er fand das dann doch irgendwie unpassend.
Nur einmal machte er eine Ausnahme, bei einem kleinen Fußballligisten aus der Nähe von London. Wie genau der heißt, daran kann sich Dieter Birr nicht mehr erinnern. "Es war ein kleinerer Verein. Ich habe gesagt, okay, mit einem englischen Text sollen sie es machen für ein bisschen Geld. Das habe ich dann an einen Tierschutz- und einen Kinderhilfsverein gespendet."
Dass Maschine der Name des englischen Klubs entfallen ist, liegt vielleicht auch daran, dass er von Fußball eigentlich keine Ahnung hat, wie er selbst freimütig sagt. Von der Existenz des brasilianischen Fußballstars Pelé etwa habe er erst erfahren, "als oft nach seinem Namen in Kreuzworträtseln gefragt wurde", erzählt Birr.
"Ich kannte nur die großen Fußballhelden Helmut Rahn, Uwe Seeler und Fritz Walter, denn als Jugendlicher hatte ich das WM-Finale 1954 gegen Ungarn übers Radio mitbekommen." Er habe damals als Kind auf der Straße gespielt und weil beim heißen Sommerwetter alle Fenster offenstanden, hätte er die Hörfunkreportage mitgehört. "Als das 3:2 fiel, hat der ganz Kiez gebrüllt, man wurde richtig angesteckt. Das vergisst du nicht."
Trotzdem habe er sich wenig für Fußball interessiert, auch weil er einfach ein schlechter Fußballer gewesen sei. War er überhaupt einer? "Oh ja, als Jugendlicher war ich bei Grün-Weiß Baumschulenweg. Ich weiß jedoch nicht mehr, auf welcher Position. Ich hatte richtige Stutzen und Töppen gekriegt und auch bei einigen Spielen sonntagsvormittags mitgemacht, aber oft wurde ich nicht aufgestellt. Ich war eigentlich nur gut im Schwimmen. Generell hat mich Sport und Fußball nicht interessiert, nur Musik."
Umso erstaunlicher, dass er so ein erfolgreicher Sporthymnenschreiber wurde. "Ich glaube, ich kann mich ganz gut in Stimmungen hineinversetzen. Das konnte ich schon bei Familienfeiern und ich war ja auch bei Fußball- oder Eishockeyspielen, wo ich gehört habe, was die Fans da sangen. Ich denke, ich habe die Gabe, das aufzunehmen und in Hymnen zu verwandeln, mit einem Rhythmus und einer Melodie, die anspricht. Bei mir kommt das alles vom Gefühl."
Da Dieter Birr und die anderen Puhdys-Mitglieder im Südosten Berlins leben, wunderte es vielleicht am wenigsten, dass sie auch dem 1. FC Union im Jahr 2000 einen Song widmeten. Er hieß "Eisern Union", genau wie die drei Jahre zuvor von Nina Hagen veröffentlichte Union-Hymne. "Unser Lied wurde nicht so angenommen und wir passten wohl auch nicht so zu Union, vom Image her", sagt Dieter Birr rückblickend.
Trotzdem läuft im Köpenicker Stadion regelmäßig noch ein Song, den ein anderes Puhdys-Mitglied geschrieben hat. Bassist Harry Jeske, der 2020 starb, hatte 1985 den Song "Stimmung in der Alten Försterei" für den Sänger Achim Mentzel verfasst. Und zwar im Auftrag von René Büttner, der als damaliger Amiga-Chefredakteur und zugleich Union-Fan eigenmächtig entschieden hatte, eine Single zum Vereinsgeburtstag herauszubringen.
Der Witz war, dass besagtes Union-Lied über Umwege sogar auf einer Single in Westberlin erschien. Der Hertha-Fan "Pepe" Mager hatte die Lizenz erworben und das Lied zusammen mit seiner eigenen Hertha-Hymne "Freunde hinter Stacheldraht" auf einer Single veröffentlicht.
Beitrag von Gunnar Leue
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