Vor Fußball-EM 2024
Ab März beginnen die Umbau-Arbeiten im Mommsenstadion, um dort die Bedingungen für Profifußball zu schaffen. Einige Sportvereine müssen deswegen für mehrere Monate umziehen. Wohin? Noch unklar. Bei Tennis Borussia Berlin fühlt man sich überrumpelt.
"Back to the Mommse". Damit betitelte die Abteilung "Tennis Borussia Aktive Fans" des Fußball-Oberligisten ihren offenen Brief, der seit vergangener Woche kursiert [tebe.de]. Also: Zurück zum guten, alten Charlottenburger Mommsenstadion, das vor bald 100 Jahren errichtet wurde.
In dem Schreiben äußern die Unterzeichnenden ihre "Verwunderung und Enttäuschung über die überstürzten baulichen Maßnahmen am Berliner Mommsenstadion". Diese sollen Anfang März beginnen – demzufolge wird TeBe schon am 2. März gegen den SC Staaken das vorerst letzte Heimspiel vor vertrauter Kulisse absolvieren. Dann brauchen die Lila-Weißen eine Ausweich-Spielstätte.
Der Slogan des offenen Briefs ist wohl nicht zufällig im Design des Abenteuerfilms "Zurück in die Zukunft" gehalten, in dem der Held Marty McFly drohende Probleme und Schwierigkeiten durch Zeitreisen ausbügeln kann. Doch es steht gerade infrage, inwieweit die betroffenen Sportvereine bei den anstehenden Umbauarbeiten im Mommsenstadion eigentlich mitbestimmen können.
Worum es bei den Bauarbeiten – neben der Renovierung der angrenzenden Hans-Rosenthal-Sportanlage – vor allem geht: Es soll sich in einen Trainingskomplex für mehrere Nationalmannschaften während der anstehenden Fußball-Europameisterschaft verwandeln und im selben Zuge in eine drittligataugliche Arena. Darauf haben sich die Senatsverwaltung für Inneres und Sport sowie der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf geeinigt. Zweieinhalb bis drei Millionen Euro kostet das.
Die Motive klingen nachvollziehbar. Sechs EM-Spiele werden in Berlin stattfinden, die dort spielenden Nationalteams benötigen dafür Trainingsplätze mit entsprechenden Bedingungen. Als Standort ist das Mommsenstadion ideal, es liegt nicht einmal zehn Autominuten vom Olympiastadion entfernt.
Und: In der Fußball-Regionalliga Nordost scharren aktuell die Berliner Vereine BFC Dynamo, FC Viktoria und VSG Altglienicke mit den Hufen, um in die 3. Liga und damit in den Profifußball aufzusteigen. Den Klubs fehlt allerdings aktuell eine drittligataugliche Spielstätte. Ein aufpoliertes Mommsenstadion wäre eine probate Ausweichmöglichkeit. Zumal der Abriss und Neubau des profifußballtauglichen Pankower Jahnsportparks noch bis 2027 dauert, während die Renovierung des Sportforums Hohenschönhausen wohl erst mal vertagt ist.
Allerdings hätten die Verfasser des offenen Briefs noch einige Fragen zur Umsetzung des Umbaus, vor allem: Entsprechen die Neuerungen der Nachhaltigkeit, die sich die Veranstalter des Turniers bei jeder Gelegenheit auf die Fahne schreiben? Eine der Unterzeichnerinnen ist Anna Schmidt, die seit mehr als zehn Jahren bei den organisierten TeBe-Fans ist. "Eigentlich wird überall versucht, Energie einzusparen", sagt sie und fragt: "Wie zeitgemäß ist es noch, eine Rasenheizung einzubauen, mit allen Energiekosten, die damit verbunden sind?"
Und wie wirkt sich das auf den angrenzenden Kiez aus, wenn in naher Zukunft zu Drittliga-Spielen Fans von überall her mit Bussen und Pkw anreisen? Was ist mit der Lautstärke? Wie sieht es aus mit der Parkplatzsituation? Auch der angrenzende Bahnhof (S-Bahnhof Messe Süd) sei für Zuschauermassen eigentlich zu klein.
Und die vorerst drängendste Frage: Wo trainieren und spielen all die Sportvereine, deren Heimstätte normalerweise das Mommsenstadion ist? Das betrifft außer TeBe etwa auch das Footballteam der Berlin Rebels sowie die Leichtathleten des SC Charlottenburg. Die Vereine befinden sich mit der Senatsverwaltung Charlottenburg in Gesprächen über Alternativen, denn bis Mitte Juli soll der Betrieb im Mommsenstadion ruhen.
Der Präsident des Leichtathletik-Vereins SCC Andreas Statzkowski zeigt sich optimistisch: "Wichtig ist erstmal, dass das Tribünengebäude weiter genutzt werden kann. Das wurde uns fest zugesagt, dass die Umkleidekabinen und Duschen, aber auch die Besprechungsräume im Tribünengebäude weiter zur Verfügung stehen sollen."
Bei TeBe gilt das Stadion Wilmersdorf als Favorit für den Ausweich-Standort. "Das ist aber nicht ganz gesichert", sagt TeBe-Vorstandsmitglied Michael Lachmann dem rbb. Nicht ganz gesichert - obwohl bereits beim übernächsten Heimspiel am 16.03. (gegen TuS Makkabi) eine Stadionlösung gefunden sein muss. Die Zeit drängt.
Erfahren habe der Klub von den Umbaumaßnahmen überhaupt erst im Januar dieses Jahres, sagt Lachmann, der sich von der Politik "überrumpelt" sieht.
Bei mehreren Betroffenen ist der Eindruck entstanden, nicht ausreichend in die Entscheidungsprozesse der Senatsverwaltung hinsichtlich der Europameisterschaft und den neu zu vergebenden Standorten eingeweiht gewesen zu sein. "Wir hätten uns gewünscht, dass wir im Vorfeld mit einbezogen werden", sagt auch Anna Schmidt von der Abteilung der aktiven TeBe-Fans. Denn es gebe da schon konkrete Änderungswünsche. Zum Beispiel sehe die Abteilung aktuell Probleme in den Zugängen für gehbehinderte und blinde Menschen, auch die sanitären Anlagen seien zu klein und unzureichend ausgestattet.
Um solcherlei ins Gespräch zu bringen, dafür ist es vielleicht noch nicht zu spät. Am 4. März beginnen die Umbaumaßnahmen bereits, aber in der ersten Umbauphase, die bis Sommer andauert, ist im Stadion zunächst nur der Rasen und die zu installierende Rasenheizung betroffen. Bei anderen Themen wolle sich "der Klub nun vordrängeln", sagt Lachmann. Bis 2026 sei der Umbau geplant.
Die zuständige Sport-Senatssekretärin Franziska Becker (SPD) habe sich in einem gemeinsamen Telefonat gesprächsbereicht gezeigt, so Lachmann.
Ein "Back to Mommse" wird es nicht geben. Vielleicht lässt sich die Zukunft des Stadions aber auch ohne Zeitreisen trotzdem noch positiv gestalten.
Sendung: DER TAG, 22.02.2024, 19 Uhr
Beitrag von Shea Westhoff
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