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Quelle: imago images/Welsh Images

Darts und Snooker-Elite in Berlin

Ein Sport wie das Schlesische Tor zur Primetime

Die besten Snooker-Spieler der Welt trumpfen derzeit in Berlin auf, gefolgt von der Crème de la Crème des Darts-Sports. Warum der inzwischen so viel beliebter ist und was das mit Fußball zu hat. Von Ilja Behnisch

Ein Fernsehturm großer Vorteil von Berlin: Weil es hier (fast) alles gibt (und auch vieles, was es eigentlich nicht geben dürfte), lässt es sich in dieser Stadt wunderbar über (fast) alles nachdenken. Zum Beispiel darüber, warum manche Dinge wahnsinnig populär sind und ganz ähnliche Dinge weitaus weniger. So wie im Sport.

Dort treffen dieser Tage und in Berlin zwei Disziplinen aufeinander, die sich irgendwie ähneln und doch längst weiter voneinander entfernt sind als Gesundbrunnen-Center und KadeWe. Von Snooker und Darts ist die Rede. Zwei Sportarten, die jeder schnell irgendwie kann und bei denen aber auch schnell ersichtlich wird, in welch anderen Sphären die Profis unterwegs sind. Die sich gerade die Klinke in die Hand geben in der Hauptstadt. Und das mit denkbar gegensätzlichen Vorzeichen.

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Tempodrom und Mercedes-Benz-Arena

Das fängt schon mit der "Venue" an, wie man so sagt unter modernen Leuten. Denn während das "German Masters" im Snooker das Tempodrom bespielt, darf es für die "Premier League Darts" gleich mal die Mercedes-Benz-Arena sein.

Und auch wenn im Tempodrom nach dem Finale am Sonntag (4. Februar) womöglich um die 20.000 Zuschauer für die fünf Turniertage gezählt sein könnten - die 12.000 Fans, die am Donnerstag, den 8. Februar, und für einen Abend auf fliegende Darts-Pfeile stieren, sind noch einmal eine andere Hausnummer.

Die Weltmeisterschaft als ultimatives Happening

Dafür, dass sowohl Snooker als auch Darts in Deutschland noch vor zehn Jahren als Nischensportarten abgetan wurden, sind diese Zahlen immens. Und zugleich die Lebensleistung vor allem eines Mannes namens Barry Hearn. Der Brite, ein ausgebildeter Wirtschaftsprüfer und Selfmade-Man aus einem Londoner Vorort, promotete in den Achtzigern Jahren zunächst den weltweiten Snooker-Sport, ehe er sich nach einem Zerwürfnis mit dem Weltverband seinem eigentlichen Geniestreich zuwandte, dem Riesen-Wachstum des Darts-Sport zum Volkssport. Mit der alljährlichen Weltmeisterschaft im legendären Londoner "Ally-Pally" als dem ultimativen Happening.

Und vielleicht, jetzt kommt der nachdenkliche Teil, haben Hearn und seine Mitstreiter aus dem erfolgreiche Pilot-Projekt, dass die Snooker-Tour für sie war, die richtigen Lehren gezogen. Um beim Darts noch erfolgreicher zu sein darin, eine Nische auszumachen und sie mit dem Nachdruck eines Tunnel-Bohrers auszuweiten. Auf der anderen Seite übernahm Hearn 2009 und angesichts sinkender Zuschauerzahlen wieder vermehrt Snooker-Events. Erneut mit Erfolg. Aber eben auch nicht auf Darts-Niveau. Woran also liegt’s?

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Eine Mischung aus Mozart und Michael Jordan

Machen wir einen Selbstversuch. Schließen Sie die Augen und denken sich an einen professionell bespielten Snooker-Tisch. Was hören Sie? Eben. Ungefähr soviel wie 1 Uhr nachts am S-Bahnhof Sundgauer Straße. Ab und an ein "klack". Das war’s. Darts hingegen! Herrje. Schlesisches Tor, Primetime Samstagabend.

Snooker ist ein vornehmer Sport, schon qua Regelwerk. Schwarze Hose, Hemd, Weste und schwarze Schuhe sind fest vorgeschrieben als Dresscode. Dazu eine Fliege um den Hals. Ein Versuch, die strengen Kleidervorschriften zu lockern, wurde 2004 schnell wieder einkassiert. Wer heute bei einem Turnier eines fliegenlosen Teilnehmers ansichtig wird, darf versichert sein, dass dieser über ein ärztliches Attest verfügt. So wie Stephen Maguire, ehemals Weltranglisten-Zweiter, der aufgrund einer Kehlkopferkrankung ohne das Gebinde aufspielen darf.

Mit welchem Ernst die Etikette gewahrt wird, durfte 2015 auch Ronnie O’Sullivan erfahren. Der Engländer ist für den Snooker-Sport so etwas wie eine Mischung aus Mozart und Michael Jordan. Man braucht kein Experte zu sein, um seinem Spiel das Geniale anzusehen. Weshalb er sich auch verhält wie ein Genie und also auch schonmal die kneifenden Schuhe auszog während einer Weltmeisterschafts-Paarung und auf Socken weiterspielte. Was der damalige Turnier-Direktor Mike Ganley nicht mit ansehen konnte und wollte. Weshalb er O’Sullivan kurzerhand seine eigenen Schuhe brachte.

In Berlin täte es auch die U8

Es ist der Ursprung als Offiziers-Sport, der Snooker bis heute als Gentleman-Sport definiert. Was auch immer das eigentlich bedeuten soll. Auf jeden Fall aber, dass nicht gejohlt, gejubelt oder gar geflucht wird. Weder von den Sportlern noch im Publikum. An dieser heiligen Kuh rüttelte selbst Barry Hearn nicht.

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Darts hingegen, geboren im Pub-Gebrüll, liebt den Lärm und den Überschwang der Emotionen. Kurzum: Darts ist perfekt, damit Zuschauer sich selbst vergessen können. Denn machen wir uns nichts vor, auch in einem mit 80.000 Menschen besetzten Fußball-Stadion sind längst nicht alle daran interessiert, mit spitzer Zunge über das Abkippen des Sechsers im Drei-Zwei-Aufbau zu reden.

Sport auf den Rängen ist ein Schleusenöffner. Dort lassen wir die Ärgernisse der Woche hinter uns und alles raus. Mit Gebrüll. Mit Verbündeten. Mit Alkohol. Sport ist Gemeinschaftsgefühl, beeindruckende Höchstleistung. Ja, ja. All das. Aber eben auch: Verhaltens-Therapie. Und der Darts-Sports bietet dafür das perfekte Umfeld. Wobei man fairerweise sagen muss. In Berlin braucht man für all das nun wirklich keine "Premier League of Darts". Da tut es auch die U8.

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.02.2024, 22:15 Uhr

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