Fragen und Antworten
Der Senat investiert Geld in eine Stadionrenovierung und im Berliner Sport bricht ein Streit aus: Der BFC Dynamo fühlt sich benachteiligt. Bei Aufstieg in die dritte Liga droht den Ostberlinern ein Umzug ins 18 Kilometer entfernte Mommsenstadion.
Berlin bekommt ein drittes drittligataugliches Fußballstadion: Das Mommsenstadion im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf wird renoviert. Es soll während der Fußballeuropameisterschaft im Sommer als Trainingsstätte für die teilnehmenden Nationalmannschaften fungieren.
Dafür ist unter anderem ein neuer Rasen nötig. Diesen Umbau nutzt das Land Berlin, um zusätzlich eine Rasenheizung einzubauen und weitere bauliche Bedingungen zu erfüllen, die notwendig sind, um im Mommsenstadion Drittligafußball spielen zu dürfen.
Berlins Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) freute sich "sehr, dass wir wieder einen Schritt auf dem Weg zur Stärkung der Sportinfrastruktur in unserer Sportmetropole gehen". Die Kosten für den Umbau trägt der Senat. Bis spätestens Mai soll saniert werden. Die dafür benötigten drei Millionen Euro sind bereits im Haushalt eingeplant.
Rein auf die Europameisterschaft bezogen, ist das Mommsenstadion logistisch ein sehr praktischer Standort. Schließlich ist es nur rund sechs Mannschaftsbusminuten vom Olympiastadion entfernt, wo die großen Spiele stattfinden.
Doch Sportsenatorin Iris Spranger von der SPD bezog sich nicht nur auf die Europameisterschaft, als sie ihr Vorhaben der Öffentlichkeit vorstellte: "Ein Gewinn für alle – ob nun im Schul- oder Vereinssport, für potenzielle Drittligisten, denen ich beide Daumen drücke, oder die Teams der UEFA EURO 2024", sei die Modernisierung des Mommsenstadions.
Welche potenziellen Drittligisten damit akut gemeint sind, bleibt unklar. Schließlich spielen Tennis Borussia und der SCC fünft- beziehungsweise sechstklassig und sind von einem möglichen Aufstieg in die dritte Liga strukturell und sportlich meilenweit entfernt.
Viel wahrscheinlicher ist ein Aufstieg des BFC Dynamo aus Hohenschönhausen am anderen Ende der Stadt. Dort ist man wütend: Mal wieder werde der Osten benachteiligt und der Westen bevorzugt, klagen viele im Umfeld des DDR-Rekordmeisters.
Bei Peter Meyer, dem Chef des Wirtschaftsrates des BFC Dynamo, ist der Frust groß. Er habe keine Hoffnung mehr, sagte er dem Berliner Kurier: "Wir haben verloren. Es wird außer schönen bunten Bildern von einem neuen Stadion im Masterplan Sportforum bestimmt wieder nichts passieren. Ich bin enttäuscht, wie wir an der Leine durch den Ring gezogen wurden und parallel nun das Projekt Mommsenstadion im Rekordtempo realisiert wird."
Der Grund für seine herbe Enttäuschung ist der Koalitionsvertrag der Regierung Wegner: Darin wurde dem BFC der drittligataugliche Ausbau des Sportforums versprochen.
Als Wegner dann im November 2023 sogar ein Spiel der Weinrot-Weißen besuchte und die Absicht bekräftigte, wähnte man sich bei Dynamo am Ziel. Seitdem passierte nichts. Die Nachricht vom Ausbau des Mommsenstadions war deshalb ein Schock für den Tabellenzweiten der Regionalliga Nordost. Unterstützung gab es vom Lichtenberger CDU-Abgeordneten Martin Pätzold.
Als Ostberliner würde er das Thema besonders sensibel sehen, schrieb er auf Facebook. Und forderte: "Das Stadion im Sportforum muss ertüchtigt werden. An den Kosten darf es nicht scheitern." Laut Schätzung des BFC würde ein Drittliga-Ausbau des Sportforums 10 Millionen Euro kosten.
Pätzolds Partei steht hinter seiner Forderung. Stephan Standfuß ist der sportpolitische Sprecher der Berliner CDU. Im Interview mit der Berliner Zeitung [Bezahlinhalt] sagte er, dass der Ausbau des Mommsenstadions die Ertüchtigung des Sportforums keineswegs ausschließen würde.
Er verweist auf den Koalitionsvertrag und verspricht trotz der knappen Zeit: "Wenn der Aufstieg in die Dritte Liga klappen sollte, was wir uns natürlich wünschen, und wofür wir fest die Daumen drücken, dann wird auch dort ein Drittligastadion zur Verfügung stehen."
Zu Saisonbeginn würde seiner Auffassung nach eine Absichtserklärung über einen raschen Ausbau ausreichen, damit der BFC mit Ausnahmegenehmigung im Sportforum spielen könnte. Der nötige Ausweichspielort mit Rasenheizung für den Winter wäre dann das Mommsenstadion.
"90 Prozent der Spiele werden dann trotzdem im Sportforum stattfinden", prophezeit Standfuß. Bevor in Hohenschönhausen wirklich die Bagger anrollen können, muss die Koalition final über den Masterplan Sportforum entscheiden. Der sieht vor, das ganze Areal zu einem "nationalen Spitzensportzentrum" auszubauen.
TeBe-Sportdirektor Benjamin Borth sagt: "Also Freitag spielen noch wir im Mommse, alles andere steht noch in den Sternen." Er hofft deshalb auf schnelle Klärung durch Bezirk und Senat, die die Entscheidung über den Ausbau getroffen haben, ohne die Borussen vorher zu konsultieren.
Solange das Mommsenstadion modernisiert wird, werden die Charlottenburger und ihre knapp 500 Zuschauer auf eine andere Spielstätte ausweichen müssen.
Obwohl nach der Ankündigung Ende Januar erstmal Chaos herrschte, freut sich Borth grundsätzlich über den Ausbau: "An sich ist es schön für Berlin, dass es dann endlich ein Drittligastadion gibt." Allerdings könne er auch die Wut beim BFC gut verstehen. Schließlich sind die Ostberliner dem Aufstieg deutlich näher als TeBe, sagt auch Borth.
Beitrag von Till Oppermann
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