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Quelle: IMAGO / Matthias Koch

Fußball-Fans und ihre Rechte

Wie und warum Fanhilfen die Anhänger ihrer Klubs gegen die Polizei vertreten

An nahezu jedem Spieltag entstehen Konflikte zwischen Fußball-Fans und der Polizei. Unabhängige Fanhilfen nehmen eine Helfer- und Vermittlerrolle ein. Allein ihre Existenz markiert schon ein großes Problem im Umgang mit den Fans. Von Marc Schwitzky

Es ist der 16. Februar dieses Jahres, Hertha BSC empfängt den 1. FC Magdeburg. Besonders für die Magdeburger Fans ist es ein Festtag - aus den vergangenen Jahren kennen sie höchstens die Spiele gegen Herthas zweite Mannschaft. Nun das große Berliner Olympiastadion, das sie zu füllen wissen - zwischen 15.000 und 20.000 Magdeburger sollen vor Ort sein, heißt es. Insgesamt ist das Olympiastadion mit 56.652 Fans an einem Freitagabend gut gefüllt.

Doch aus dem Festtag wird für die Magdeburger Anhänger eher ein Ärgernis. Nicht nur, weil ihr Team die Partie mit 2:3 verliert. Sondern auch, weil es vor und nach dem Spiel zu Vorkommnissen kommt. Später wird von einem massiven Polizeieinsatz berichtet. Und das, obwohl es zwischen den Fanszenen keine Rivalität gibt und es sich nicht um ein Risikospiel handelt.

Demnach sollen Magdeburger Fans von den Einsatzkräften vor dem Stadioneingang auffällig eng eingekesselt worden und eine hitzige, weil bedrohliche Stimmungslage entstanden sein. Es soll zu übertriebenen Körperkontrollen und körperlich ruppigen Auseinandersetzungen gekommen sein.

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Was sind Fanhilfen?

Hervor geht das aus Berichten der Fanhilfen von Magdeburg und Hertha. Sie kritisieren die an dem Tag gewählten Maßnahmen der Berliner Polizei deutlich. An solchen Spieltagen herrscht Hochkonjunktur bei eben diesen Fanhilfen. Bei Hertha gibt es das Fanorgan in seiner bestehenden Struktur bereits seit Sommer 2013, als Vereinsabteilung des "Förderkreis Ostkurve" - dem Dachverband der organisierten Hertha-Fanszene. "Es ist eine ehrenamtliche Struktur von Fans für Fans", erklärt Fanhilfe-Sprecher Fritz Müller rbb|24. Der Hauptgrund für die Gründung der Fanhilfe, sei "dass der Repressionsdruck auf Fußball-Fans durch die Polizei in den letzten Jahren immer mehr zugenommen hat."

Doch was tun Fanhilfen eigentlich und wie sind sie organisiert? "Als Fußball-Fan gerät man tatsächlich relativ schnell und schuldlos in den Konflikt mit der Polizei. Sei es bei Maßnahmen, wo die Polizei gleich eine ganze Gruppe festsetzt und man dabei war, ohne sich etwas zu Schulden hat kommen lassen. Teilweise weiß man dann gar nicht, wie man darauf reagieren und sich verhalten soll", führt Benjamin Weichert aus. Er ist Vorstandsmitglied der Eisernen Hilfe, der Fanhilfe von Union Berlin, die es ebenfalls seit 2013 gibt.

In genau solchen Fällen, in denen Fußball-Fans im Rahmen eines Spieltages mit der Polizei oder Justiz aneinandergeraten, will die Fanhilfe ein Helfer und Vermittler sein. Entweder durch eine erste rechtliche Einschätzung, das Vermitteln an einen Anwalt oder durch eine finanzielle Unterstützung. "Viele Menschen stecken ihren letzten Cent in den Fußball und dann bleibt nicht viel übrig, um einen Anwalt zu bezahlen. Es gibt also viele Punkte, wo Fanhilfe unterstützen kann", so Weichert.

Brennpunkt Spieltag

Meistens beginnt alles mit einem Brief – eine Anzeige oder Vorladung seitens der Polizei. "Es steht dann die Frage im Raum, ob es sich lohnt, dagegen vorzugehen – das steht und fällt meist mit der ersten Akteneinsicht", erklärt Weichert. "Die Sache ist nur, dass bereits dieses Vorgehen Geld kostet – Summen zwischen 200 und 300 Euro, die nicht alle Menschen zahlen können." Hier kann die Fanhilfe finanziell unter die Arme greifen. "Es kann sein, dass wir Anwaltskosten ganz oder zum Teil übernehmen. Vorrangig ist es dafür da, unschuldig oder ohne eigenes Verschulden in solch eine Maßnahme gekommene Menschen zu entlasten." Eine Einzelfallentscheidung.

Fanhilfen sind meistens eingetragene, oftmals als gemeinnützig anerkannte Vereine. Sie finanzieren sich durch Mitgliedsbeiträge und Spenden. "Es arbeiten verschiedene Personen aus der Fanszene aus allen Richtungen mit", erklärt Müller von der Fanhilfe Hertha BSC. Zudem gibt es einen Vorstand, der regelmäßig gewählt wird und sich ebenfalls aus Fans verschiedenster Lager zusammensetzt.

Ihr Hauptaugenmerk neben der Hilfe bei Anzeigen und Vorladungen ist die aktive Fanhilfe am Spieltag. "Wir sind an Spieltagen für alle Hertha-Fans ansprechbar – egal, ob Mitglied oder nicht. Wir haben auch eine Notfall-Handynummer, an die sich alle wenden können und von der regelmäßig Gebrauch gemacht wird, wenn es Probleme mit Ordnern oder der Polizei gibt", führt Müller aus. Zudem gebe es bei jedem Spieltag – wenn nötig – anwaltliche Unterstützung aus der Fanszene vor Ort.

"Es geht gar nicht darum, irgendwelche Pappenheimer zu schützen"

Hierbei betont Oliver Wiebe vom Dachverband der Fanhilfen, unter dem sich 24 Fanhilfen organisieren, um eine gewichtige Stimme der Fans zu verkörpern: "Die Fanhilfen wollen den Fans nur dort Recht verschaffen, wo sie auch Recht haben." Es solle nur ein grundsätzliches Hilfsangebot geben. "Es geht gar nicht darum, irgendwelche Pappenheimer zu schützen und rauszuhauen. Wir zweifeln die Rechtsprechung in Deutschland nicht an, wir wollen nur für eine faire juristische Auseinandersetzung sorgen und Fans befähigen, für ihre Rechte einzustehen."

Ihre Arbeit ist bei den Fußballklubs gerne gesehen, Fanhilfen stehen "vor allem mit der Fanbetreuung und dem Fanprojekt, die ja ein ähnliches Interesse haben" im regelmäßigen Austausch, so Weichert. Neben der Hilfe bei justiziablen Angelegenheiten und der aktiven Präsenz an Spieltagen spielt auch die Öffentlichkeitsarbeit eine immer größere Rolle bei den Fanhilfen. Informationsverbreitung über aktuelle Geschehnisse, neue Rechtslagen und die Rechte von Fans soll präventiv helfen.

Zudem versuchen Fanhilfen laut Weichert über die sozialen Medien, zu helfen, "die Öffentlichkeit zu schaffen, die Fanthemen sonst nicht bekämen" - vor allem als Gegendarstellung zu den laut den Fanhilfen mit Vorsicht zu genießenden Polizeiberichten nach Maßnahmen an Spieltagen.

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Fanhilfen wollen gegen die Stigmatisierung von Fußball-Fans ankämpfen

Doch warum haben Fußball-Fans überhaupt die Notwendigkeit gesehen, Fanhilfen zu gründen? "Wir haben in den Jahren unserer Arbeit festgestellt, dass Fußball-Fans oft keine Lobby haben, erst recht nicht, wenn ihnen zu Unrecht Repressionen durch die Polizei passiert sind, teilweise sogar direkte Polizeigewalt", erzählt Wiebe. Grenzüberschreitung seitens der Polizei sei laut Wiebe eine Entwicklung, die weit zurückgeht.

Anfang der 2000er Jahre hatte sich in Nürnberg die erste Fanhilfe der bestehenden Art gegründet. In jener Zeit begann es laut Wiebe, dass Fußball-Fans von der Polizei als Problem gesehen wurden. In Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land und die neuen Menschenmassen in den Stadien hätten die organisierten Fanszenen die Beobachtung gemacht, dass die Polizei massiver gegen Fans vorgegangen sei. Gepanzerte Polizisten, intensivere Körperkontrollen, Drohnenüberwachung an Spieltagen und das schnelle Landen in Polizei-Datenbanken wie der "Datei Gewalttäter Sport" seien nur ein paar der Symptome, so Wiebe.

Allen voran Auswärtsfans würden jene überstrenge Behandlung spüren. "Als Auswärtsfan wird man viel stärker in seiner Reisefreiheit beraubt und von der Polizei auf bestimmte Wege gelenkt. Es werden auch Reisezeiten überschritten, indem polizeiliche Maßnahmen vollzogen werden. Es gibt auch Fälle, bei denen man nach dem Spiel direkt zum Bahnhof geleitet wird und vor der mehrstündigen Rückreise nichts mehr einkaufen oder auf Toilette gehen darf", führt Weichert von der Eisernen Hilfe aus. Er, Müller und Wiebe nehmen gleichermaßen eine Kategorisierung und daraus entstehend Stigmatisierung von Fußball-Fans als gewaltbereite Chaoten wahr.

Anstehende EM als weitere Eskalationsstufe?

Die beschriebenen polizeilichen Maßnahmen gegenüber Fußball-Fans sollen in den letzten Monaten schlimmer geworden sein und erinnern die Fanhilfen an die Lage vor der Heim-WM 2006. Es entstehe, so Wiebe, der Eindruck, "dass gerade die Stadien der ersten Ligen als Versuchsfeld genutzt werden, um Taktiken einzuüben, die man dann während der EM bei großen und wichtigen Spielen ausführen will." Man erlebe derzeit Eskalationsstufen, die zuvor in Jahren nicht überschritten wurden. "Dass die Polizei in vollbesetzte Blöcke stürmt und dort wie wild mit Pfefferspray um sich sprüht, hatten wir in den letzten Jahren nicht erlebt."

Für Wiebe steht fest: "Wir als Fanhilfen fordern, um den Konflikt zu lösen, eine Abrüstung – wir müssen die Schraube zurückdrehen. Zum Beispiel durch ein Pfefferspray-Verbot, denn wir haben viele Probleme damit, dass immer wieder viele Unbeteiligte von Pfefferspray getroffen werden." Eine Abrüstung der Polizei würde demnach zur Beruhigung der Fans führen. Da dies jedoch unwahrscheinlich sei, geht die Arbeit der Fanhilfen weiter. "In einer idealen Welt könnten wir mit unserer Freizeit etwas anderes machen", so Müller von der Fanhilfe Hertha.

Sendung: rbb24, 02.03.2023, 21:45 Uhr

Beitrag von Marc Schwitzky

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