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Audio: rbb|24 Inforadio | 14.03.2024 | Lars Becker | Quelle: IMAGO / Beautiful Sports

Herthas Fabian Reese im Interview

"Kiel bleibt immer meine Heimat, aber mein Zuhause ist Berlin"

Leistungsträger, Fan-Liebling, Identifikationsfigur: All das ist Fabian Reese bei Hertha BSC. Im Interview spricht er über seine vorzeitige Vertragsverlängerung, seinen bisherigen Karriereweg, seine Spielweise und Ziele - auch abseits des Rasens.

rbb: Herr Reese, Sie sind erst seit einem Dreivierteljahr in Berlin und längst Führungsspieler und Fan-Liebling bei Hertha BSC geworden. Es hieß schon: "Reese steht auf Berlin, Berlin steht auf Reese." Ist da etwas zusammengekommen, was zusammengehört?

Fabian Reese: Da ist eine einmalige Symbiose entstanden. Der Verein und ich sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Es hat sehr gut gematcht – wir haben schon schöne Momente gemeinsam erleben dürfen. Die gegenseitige Wertschätzung ist groß.

Die Begeisterung hat besonders mit Ihrer Art Fußball zu spielen zu tun, mit Leidenschaft, Emotionalität, dem absoluten Siegeswillen. Sehr eindrücklich war das beim Pokal-Spiel gegen den Hamburger SV zu sehen, als Sie das ganze Stadion angezündet haben. Hatten Sie diese Art Fußball zu spielen schon immer in sich?

Alles, was ich mache, mache ich mit einhundert Prozent, mit großer Arbeitsmoral und maximaler Leidenschaft. In solchen Spielen erst recht: Abendspiel, Flutlicht, K.O.-Runde. Wenn man dann selbst einen guten Tag erwischt, kann man das Stadion mitnehmen. Die Wucht, die das Olympiastadion hat, muss man nutzen. Meine Art, Fußball zu spielen, ist Vollgas-Fußball: Attacke, Visier runter. Die Menschen sehen, dass ich mit dem Herzen dabei bin und sie honorieren das. Es ist schön zu spüren, dass die Fans positiv auf mich reagieren und ich sie mitnehmen kann. Das ist ein Schulterschluss.

Diese "Fan-Liebe" scheint auch mit Ihrer Person zusammenzuhängen. Sie sind nahbar, ansprechbar, näher bei den Leuten als andere Profis.

Da schaue ich nur auf mich. Es ist immer schwer, über andere Leute zu sprechen oder zu urteilen. Ich bin der Junge von nebenan. Ich bin der Mensch Fabian Reese – das steht über allem. Mir ist wichtig, dass man mich immer ansprechen kann und dass ich offen für den Austausch mit allen Leuten bin. Ich bin dankbar für jede Unterstützung und konstruktive Kritik. Und ich versuche vorzuleben, dass wir alle nur miteinander erfolgreich sein können und dass man sich gemeinsam entwickeln kann. Ich versuche, ich selbst zu sein, das möglichst authentisch zu zeigen und die Leute mitzunehmen.

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Sie appellieren auch immer wieder an den Mut der Leute, zu machen, worauf sie Lust haben oder woran sie Spaß haben. Selbst wenn das mal als "nicht normal" empfunden werden sollte. Nach Ihrem Wechsel zu Hertha waren Ihre Fingernägel und Ihre Frisur ein großes Thema. Ist die Zuschreibung, der etwas andere Fußball-Profi zu sein, für Sie in Ordnung oder ist das auch schon wieder eine Schublade?

Ich glaube, das ist etwas platt ausgedrückt. Wir alle sind individuell – ich appelliere einfach nur daran, dass wir uns so zeigen und ausdrücken sollten, wie wir sind. Dann werden wir noch viel mehr Individualität sehen und merken, was uns gefällt, was uns nicht so gut gefällt. Nur dann leben wir in einer Welt, die von Offenheit, Diversität und Vielfalt geprägt ist und die nicht nur schwarz und weiß ist.

Schon vor einem Jahr, im Winter, haben Sie bekanntgegeben, zu dieser Saison von Holstein Kiel zu Hertha BSC – einem damaligen Bundesligisten – zu wechseln. Dann ist Hertha in die 2. Liga abgestiegen. Ihre Zeit in Berlin begann also mit einer Enttäuschung, bevor Sie überhaupt das erste Training für Ihren neuen Verein absolviert hatten. Wie war das damals für Sie?

Es wäre gelogen, zu behaupten, dass das keine große Enttäuschung war. Ich wollte damals schon im Winter nach Berlin wechseln, aus unterschiedlichen Gründen hat das nicht hingehauen. Natürlich habe ich mir gewünscht, in die Bundesliga zu wechseln. Das ist aber wie im Leben auch: Die schönsten Geschichten fangen ein bisschen negativ an. Die Leute haben mir vom ersten Tag an gesagt, wie wichtig ich für den Weg von Hertha BSC bin. Ich habe die Liebe, den Zuspruch und den Zusammenhalt gespürt. Der ganze sportliche Bereich, die Fans und die Stadt haben mich so aufgenommen wie ich bin und mir den Raum gegeben, der zu sein, der ich bin. Sie honorieren meine Leistungen. Das ist ein Miteinander, was es selten so gegeben hat.

Der direkte Wiederaufstieg, so ehrlich muss man sein, ist in dieser Saison nicht mehr realistisch. Trotzdem haben Sie Ihren Vertrag bei Hertha BSC vor wenigen Wochen vorzeitig bis 2028 verlängert. Abgesehen von Implikationen wie Gehalt oder möglichen Klauseln: Ist das Ihr klares Bekenntnis dazu, mindestens noch ein Jahr – vielleicht noch mehrere – für Hertha zu spielen? Im Zuge der Vertragsverlängerung haben Sie schließlich auch nochmal Ihren Traum betont, mit Hertha in der Bundesliga spielen zu wollen.

Erstmal haben wir in dieser Saison noch zehn Spiele (das Interview wurde am 6. März geführt, Anm. d. Red.). Ich bin ein Träumer. Wir müssen von Woche zu Woche schauen, rechnerisch ist noch alles möglich. Aber sicherlich werden die Chancen immer kleiner, wenn wir unsere Spiele nicht gewinnen. So ehrlich muss man sein, ich bin auch Realist. Aber: So lange es nicht rechnerisch unmöglich ist, werde ich einen Teufel tun und aussprechen, dass es abgehakt ist. Die Vertragsverlängerung sollte ein Zeichen an die Fans und an den Verein sein, wie sehr ich diesen Weg hier sehe und wie dankbar ich für das bin, was mir hier gegeben wurde. Ich bin überzeugt davon, dass Hertha wieder dahinkommt, wo sie hingehören: in die Bundesliga. Wir müssen aber auch ehrlich sagen: Wer weiß schon, ob ich noch vier oder zehn Jahre hier bleibe. Dafür müsste ich in die Glaskugel gucken. Ich bin immer vorsichtig, Versprechen für die Zukunft zu geben. Ich kann nur sagen: Jeden Tag, den ich hier bin, werde ich hundert Prozent für die Fahne und den Verein geben! Ich bin super dankbar und glücklich, hier sein zu dürfen.

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Leiden Sie sehr an der fehlenden Konstanz der Mannschaft?

Die 2. Liga ist jedes Jahr sehr eng. Im März und April trennt sich die Spreu vom Weizen. Bis dahin muss man kontinuierlich Punkte gesammelt haben. Man sagt nicht umsonst: Nichts ersetzt Siege. Wir hatten große Chancen – im Nachhinein noch größere – Spiele zu gewinnen. Es ist auch eine Qualität, Spiele über die Bühne zu bringen und zu gewinnen. Das ist uns jetzt ein paar Mal nicht gelungen. Wir sind nicht gut in die Rückrunde gestartet, haben einiges verspielt. Man sieht aber, was mit drei, vier oder fünf Punkten mehr möglich wäre und ist. Aber noch einmal: Ich schaue nur auf das nächste Spiel. Die nächste Aufgabe ist die einzige, die man beeinflussen kann. Wenn wir uns daran halten und jeder versucht, das umzusetzen, haben wir auf jeden Fall am Sonntag (gegen den FC Schalke 04; Anm. d. Red.) eine große Chance, ein gutes Spiel zu machen.

Fußballerisch sind Sie bis zur B-Jugend bei Holstein Kiel groß geworden. Dann folgte der Schritt nach Gelsenkirchen in das Nachwuchsleistungszentrum von Schalke 04. Wie war das für den jugendlichen Fabian Reese damals?

Ich war 15 Jahre alt, das war eine andere Welt für mich. Das war sehr wichtig für mich, ich habe einen anderen Blick auf Dinge bekommen, habe sehr viel erfahren und erleben dürfen. Der Schritt aus dem gewohnten, familiären Umfeld heraus war riesig. Ich bin sehr dankbar, dass ich ihn gegangen bin.

Für Schalke 04 haben Sie in der Bundesliga debütiert und international gespielt. Warum konnten Sie sich damals nicht nachhaltig durchsetzen?

Das war eine Verkettung mehrerer Dinge: Ich habe zu wenige Tore geschossen, nicht gut genug gespielt, bin noch nicht weit genug gewesen. Ich glaube, der Weg, den ich jetzt gegangen bin, war sehr gesund. Es war nicht immer einfach, aber ich bin total glücklich darüber, hier zu sein, weil ich mir das alles erarbeitet habe.

Sie sind dann von Schalke zwei Mal verliehen worden, nach Karlsruhe und Fürth, ehe Sie nach Kiel heimgekehrt sind. Ein Schritt zurück, um weiterzukommen?

Ich wollte regelmäßig spielen und ein wichtiger Teil der Mannschaft sein. Bei Schalke sind die Spielzeiten einfach ausgeblieben, daher musste ich einen Schritt zurückgehen. In Kiel habe ich mit meiner Familie, in meiner Heimat und mit dem Verein, in dem ich groß geworden bin, dreieinhalb wunderschöne Jahre gehabt. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich gesagt habe: Ich möchte mich noch entwickeln und nochmal in eine größere Stadt, zu einem größeren Verein und im besten Fall Bundesliga spielen.

In Kiel sind Sie schnell in eine Führungsrolle gewachsen. Hat es schon vor Ihrem Wechsel zu Hertha Angebote gegeben, in die Bundesliga zu wechseln? Oder haben Sie diese Anlaufzeit gebraucht, um sich so zu präsentieren, wie Sie es jetzt tun?

Eine Entwicklung dauert. Bei dem einen geht es schneller, bei dem anderen dauert es etwas länger. Da gibt es keine Schablone. Ein Jahr vorher hatte ich auch schon eine Option, da hatte Kiel etwas dagegen. In dem Winter (vor dem Wechsel nach Berlin; Anm. d. Red.) hatte Kiel auch etwas dagegen. Deshalb hat das alles etwas länger gedauert.

Den Traum, mit Hertha in der Bundesliga zu spielen, haben Sie oft genug ausgedrückt. Was können Sie sich mit Hertha sonst noch alles vorstellen?

Wir konzentrieren uns erstmal auf die laufende Saison. Bundesliga mit Hertha ist das ausgesprochene Ziel von ganz vielen Leuten in dieser Stadt und im Verein. Alles weitere ist noch viel zu weit weg, es sind noch viele Schritte zu gehen. Wir wollen den Berliner Weg, den unser verstorbener Präsident (Kay Bernstein; Anm. d. Red.) angefangen hat, weitergehen und mit großer Vehemenz daran arbeiten, dieses Vermächtnis und diesen Weg weiter zu bestreiten.

Konstanz in der Vereinsführung

Hertha BSC verlängert Vertrag von Geschäftsführer Thomas Herrich

Thomas Herrich bleibt auch in den kommenden Jahren Geschäftsführer von Hertha BSC. Am Montag gab der Klub die Vertragsverlängerung mit Herrich bekannt, der sein Amt bei der Hertha seit Sommer 2022 innehat.

Was verbinden Sie nach diesem ersten Dreivierteljahr mit Berlin?

Ein neues Zuhause.

Das ging tatsächlich so schnell?

Ich durfte im letzten Dreivierteljahr extrem viel erleben, hatte viele einprägsame Momente und bin zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Das Zuhause ist da, wo man sich sehr wertgeschätzt und wohl fühlt – sei es mit seiner Partnerin oder im Beruf. Dann ist es auch keine Frage der Zeit. Kiel bleibt immer meine Heimat, aber mein Zuhause ist Berlin.

Was ist Ihnen im Leben wichtig – neben dem endlichen Dasein als Fußball-Profi?

Facettenreich zu sein, sich nicht zu sehr auf etwas einzuschießen und zu sagen: Das ist es jetzt, ich mache nichts anderes mehr. Offenheit, neue Dinge zu erleben und wahrzunehmen, sich zu entwickeln und nicht still zu stehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Lars Becker, rbb Sport.

Sendung: rbb24 Inforadio, 14.03.2024, 10:15 Uhr

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