Hertha empfängt den Club
Hertha und der 1. FC Nürnberg zeigen bislang einen ähnlichen Saisonverlauf. Nach Aufs und Abs stecken beide jungen Teams im Mittelfeld der Tabelle fest. Doch nach dem furiosen 5:2-Sieg gegen Schalke schöpfen die Berliner noch einmal Hoffnung.
Wenn Marcus Schultz über die Lage bei seinem geliebten 1. FC Nürnberg vor dem Duell am Samstag (20:30 Uhr) im Berliner Olympiastadion spricht, dann könnte die Beschreibung so manchem Hertha-Fan vertraut vorkommen. "Es gibt immer wieder Phasen in der Saison, in denen man denkt, vielleicht könnte man doch noch mal ein Stück weiter oben in der Tabelle anklopfen", sagt der Podcaster im Gespräch mit rbb|24. Aber: "Dann kriegt man wieder auf die Nase und ist wieder ein bisschen geerdeter." Das fasst die knapp 124 Jahre lange Geschichte des 1. FC Nürnbergs trefflich zusammen. Im Auf-die-Nase-kriegen macht den Clubberern so schnell keiner was vor.
Der fränkische Altmeister haust auch wegen seiner Wankelmütigkeit im Niemandsland der Tabelle, einen Punkt hinter der neuntplatzierten Hertha. Tatsächlich gelang es beiden Vereinen in dieser Spielzeit nicht, auch nur einmal ins vordere Tabellendrittel, mindestens den sechsten Platz also, vorzustoßen. "Solange wir nichts mit dem Abstieg zu tun haben, ist das alles schon so weit in Ordnung", zeigt sich Schultz trotzdem zufrieden. Letzte Saison lief es schlechter.
Spielerisch mache das Team Fortschritte, findet er. Der seit dem vergangenen Sommer amtierende Trainer Cristian Fiél verordnete seiner Mannschaft Ballbesitz, teilweise ließen die Clubberer dabei "schön den Ball laufen", so Schultz. Die Spielweise ist dem FC Barcelona entlehnt, als dessen großer Fan der in Schwaben aufgewachsene Spanier Fiél gilt. Man tritt den Nürnbergern jedoch nicht zu nahe, wenn man feststellt, dass deren spielerisches Potenzial nicht ganz der Kunstfertigkeit der Katalanen standhält. "Aber an guten Tagen läuft es dann doch ganz gut", sagt Schultz. Das Problem ist immer noch: Ob es heute ein guter oder ein schlechter Tag für den Club wird, ist leider fast unmöglich vorherzusagen.
Die Mannschaft sei abhängig "von den genialen Einfällen eines Can Uzun", sagt der Fan Marcus Schultz. Der erst 18 Jahre alte offensive Mittelfeldspieler legt eine beeindruckende Debütsaison im Profikader hin. Er traf bereits 13-mal, und stellt außerdem unter Beweis, wie hochkarätig die Jugendarbeit der Mittelfranken mittlerweile aufgestellt ist. Außer ihm sind insbesondere die Verteidiger Nathaniel "Nene" Brown (wechselt im Sommer zur Frankfurter Eintracht) sowie der seit dem Beginn der Rückrunde zum Einsatz kommende Finn Jeltsch Beweis des fruchtbaren Zusammenspiels zwischen Jugendabteilung und A-Kader.
Genau wie Hertha hat sich auch Nürnberg als Talentschmiede etabliert. Doch wie kann der Klub daraus letztlich Nutzen ziehen? Ob der Verein die Adresse sein wird, die große Talente wie Uzun wird halten können, das bezweifelt Schultz stark. "Dafür sind diese Spieler einfach zu gut und dafür müsstest du zumindest irgendwie auch mal wieder die Rückkehr in die Erste Liga anpeilen."
Davon scheinen die Nürnberger auch in ihrer fünften Saison nach dem Abstieg aus der Bundesliga weit entfernt. "Machen wir uns nichts vor, in Nürnberg ist so gut wie überhaupt keine Kohle da, der Verein lebt von der Hand in den Mund", sagt Schultz. Entscheidend werde sein, wie der Gewinn aus Verkäufen von Talenten re-investiert wird.
Der Senkrechtstarter Can Uzun mit der Nummer 42 gilt als gefährlichste Spieler der Mannschaft. "Der kann wirklich an einem guten Tag eine Partie allein entscheiden. Und das mit seinen 18 Jahren, das ist schon wirklich enorm", sagt Schultz. Auch den vom 1. FC Köln verpflichteten Jens Castrop sieht Schultz als Schlüsselspieler. "Er ist ein typischer Box-to-Box-Spieler, der defensiv gut steht und sich mit unheimlich viel Dynamik in die Offensive einschaltet."
Pal Dardai (Hertha BSC): "Wir möchten wieder offensiv spielen und dem Gegner keine Luft geben."
Cristian Fiél (1. FC Nürnberg): "Wir müssen mutig auftreten, sonst brauchst du da nicht hinfahren."
Die meisten Stammkräfte sind fit. Wegen Hüftbeschwerden steht der Torwart Tjark Ernst allerdings nach wie vor nicht zur Verfügung. Marius Gersbeck erhält dadurch zum dritten Mal nacheinander die Chance, sich zu behaupten. Der Keeper betonte am Donnerstag, es gehe gegen Nürnberg darum, zu gewinnen - ohne wieder vom Aufstieg zu reden: "Einfach die Füße auf dem Boden lassen und erst mal am Wochenende drei Punkte holen", sagte er.
Der Langzeitverletzte Agustin Rogel fehlt der Mannschaft weiterhin, er befindet sich mittlerweile im Aufbautraining nach einer Operation am Knie. Der Außenverteidiger Peter Pekarik, der beim 5:2-Sieg gegen Schalke 04 zumindest für wenige Minuten mal wieder auf dem Platz stand, muss gegen Nürnberg aufgrund muskulärer Probleme aussetzen.
Herthas mögliche Startelf: Gersbeck - Zeefuik, Gechter, Leistner, Karbownik - Dudziak, Klemens - Winkler, Maza, Reese - Tabakovic
Obwohl das Thema Aufstieg bei beiden Traditionsvereinen nicht mehr angesprochen wird: Wer das Aufeinandertreffen gewinnt, würde zumindest vorsichtig wieder in obere Tabellenregionen emporsteigen. Der Verlierer dürfte hingegen auch die letzte realistische Chance auf den Aufstieg verspielt haben. Es geht um nicht wenig, in diesem vermeintlichen Niemandsland-Duell.
Der Tipp des Gegner-Experten: "Ein schönes 2:2, damit könnte ich gut leben", sagt Marcus Schultz.
Der Redaktionstipp: Hertha gewinnt 3:2.
Sendung: DER TAG; 28.03.2024, 19:15 Uhr
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