Wer sich gut genug kennt, kann sich irgendwann nichts mehr vormachen. Das Pokalfinale zwischen dem SC Potsdam und MTV Stuttgart markierte das sechste Aufeinandertreffen in dieser Saison. Mit einem erwartbaren Ende. Von Lynn Kraemer
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Anastasia Cekulaev und Krystal Rivers in dieser Saison durch das Netz in die Augen schauen. Und auch nicht das zweite oder dritte Mal. Vier Mal mussten sich die Brandenburgerinnen vom SC Potsdam bereits 0:3 gegen den MTV Stuttgart geschlagen geben. Der Spannungsbogen könnte hier aufhören, wenn da nicht der eine Sieg wäre. Der 3:0-Auswärtserfolg Anfang Februar, der Hoffnung gibt. Hoffnung, dass im Pokalfinale alles anders laufen kann. Dass das Pokalwunder vielleicht möglich ist.
Auch im dritten Anlauf hat es für den SC Potsdam nicht zum ersten Pokalsieg gereicht. Beim Klassiker gegen die favorisierten Stuttgarterinnen unterlagen die Brandenburgerinnen letztlich schnell und deutlich.
Diese Hoffnung ist der Grund, warum Felix Adamczik voller Vorfreude aus Block 202 aufs Spielfeld blickt. Warum er schon am Samstag mit dem Zug rund fünf Stunden nach Mannheim gereist ist. Und eine, wie er sagt, "kleine Fahne" mitgebracht hat. Bei der Teamvorstellung schwenkt er das vier mal fünf Meter Ungetüm. Die Armkraft, die er braucht, um die Fahne mit dem sechs Meter langen Stab in Bewegung zu setzen, wünscht er auch seinen Potsdamerinnen: "Wir haben es einfach mal verdient beim dritten Anlauf. Stuttgart braucht keinen fünften Titel."
Überragende Krystal Rivers
Die Frau mit dem größten Wumms ist am Sonntagnachmittag aber keine Potsdamerin, sondern Stuttgarts Diagonalangreiferin Krystal Rivers. Und die macht schon mit dem ersten Stuttgarter Angriff klar, dass sie ihre Angriffe in die orangene Fläche hämmern wird. 0:1, 0:2, 0:3 – da ist der Potsdamer Rückstand. Wer auf Krystal Rivers keine Antwort findet, muss zwangsläufig auf Rettungsmission gehen. Und Potsdam findet keine. Nicht beim 5:8, 11:15 oder 14:20-Rückstand. Mit 14:25 ist der Satz entschieden.
Potsdam gibt sich zwar nicht kampflos geschlagen, doch auch im zweiten Satz wiederholt sich das Bild: Für jeden Punkt, den sich Riccardo Boieris Mannschaft hart erkämpft, machen die Stuttgarterinnen ein bis zwei einfache. Der Stuttgarter Block steht wie eine Wand, während der Potsdamer Block nicht hinterher kommt. Auch Antonia Stautz, die erst in der Mitte des Spiels aufs Feld kommt, kann daran nichts ändern.
Die BR Volleys haben das Finale um den deutschen Volleyball-Pokal für sich entschieden und ihren Titel damit erstmals verteidigt. Gegen den krassen Außenseiter Herrsching war dabei nur der letzte Satz knapp.
Die anfängliche Frustration wandelt sich Stück für Stück in hängende Köpfe: Die Brandenburgerinnen gestehen sich die Überlegenheit ihrer Gegnerinnen ein. "Bei uns hat heute einfach nicht so viel funktioniert und bei Stuttgart hat alles funktioniert", sagt Stautz nach dem Spiel. Zustimmung kommt von Teamkollegin Cekulaev: "Wir haben uns immer mehr zurückgezogen." Sie habe das Gefühl gehabt, dass im Team eher Angst herrsche.
Hätte ein perfekter Tag gereicht?
Der perfekte Tag ist einfacher, wenn die Kulisse von über 10.000 Zuschauenden nicht so erschlagend ist. Während nur wenige der Potsdamerinnen schon mal im Pokalfinale standen, herrscht auf der Gegenseite deutlich mehr Routine. Und die würde gegen ängstliche Potsdamerinnen schon reichen. Doch Stuttgart spielt fast fehlerlos.
Die Anfeuerungsrufe der blauen Stuttgarter Ecke fließen direkt in die Mannschaft, die im letzten Satz sogar nochmal nachlegt. Während sich die Potsdamerinnen beim Stand von 9:19 gerade noch aufrichten, haut Krystal Rivers ihnen schon den 9:20 Rückstand um die Ohren. Der Pokalsieg ist beschlossen.
Felix’ Fahne bleibt bei Spielende unten. Stattdessen stürmt ein Stuttgarter mit einem ebenso großen blauen Exemplar aufs Feld und schwenkt sie über den Köpfen der strahlenden Siegerinnen. Stuttgart hat den fünften Pokalsieg vielleicht nicht gebraucht, aber verdient.