2. Bundesliga der Frauen
Sieben Spieltage vor Saisonende steht Turbine Potsdam auf Platz zwei der 2. Liga. Der einstige Frauenfußball-Riese hat gute Chancen auf die Erstliga-Rückkehr – doch das Rennen könnte kaum enger sein. Mut macht die aktuelle Form. Von Marc Schwitzky
Oft wird über die so enge 2. Fußball-Bundesliga der Männer gesprochen. Das muss auch Bundesliga-Absteiger Hertha BSC derzeit am eigenen Leib erfahren, sowohl Sieg als auch Niederlage können an einem Spieltag gleich mehrere Tabellenplätze Unterschied bedeuten. Doch auch ein anderer Erstliga-Absteiger im regionalen Fußball macht momentan sehr ähnliche Erfahrungen: Turbine Potsdam.
Der einstige Riese des deutschen Frauenfußballs ist nach vielen enttäuschenden Jahren in der vergangenen Saison in die 2. Bundesliga abgestiegen. Finanzielle Probleme und ein immenser Umbruch im Kader hinterließen die Fragen, wann und ob überhaupt Potsdam jemals wieder in die 1. Liga zurückkehren könnte.
Nach 19 ausgetragenen Ligaspielen lautet die vage Antwort: vielleicht schon sehr bald. Die Brandenburgerinnen befinden sich mitten im Aufstiegsrennen, 38 Punkte bedeuten derzeit Tabellenrang zwei – ein direkter Aufstiegsplatz.
Platz zwei klingt zwar komfortabel, doch die enge Konkurrenzsituation in der 2. Frauen-Bundesliga lässt Turbine keine Luft zum Atmen. Positiv: Mit 38 Punkten hat Potsdam genauso viele wie Tabellenführer Andernach. Und der hat zudem verkündet, nicht aufsteigen zu wollen – somit würden auch Platz zwei und drei für den direkten Aufstieg reichen.
Doch auch ohne Andernach ist das Aufstiegsrennen zu fünft eng genug. Der SV Meppen und der Hamburger SV stehen mit jeweils 37 Zählern nur einen hinter Turbine. Carl Zeiss Jena mit 35 und der SC Sand mit 34 Punkten sind ebenfalls sehr nahe an den Aufstiegsrängen angesiedelt.
Dass es in dieser Liga ganz schnell nach unten gehen könnte, hat Turbine zu Beginn des Jahres erlebt. Der Erstliga-Absteiger hatte die Hinrunde in starker Form beendet, doch nach der längeren Pause kamen die Brandenburgerinnen nicht gut in den Ligaalltag zurück. Es setzte gegen Meppen und Jena – zwei direkte Konkurrenten – jeweils eine 1:3-Niederlage. "Irgendwie hat es nicht ganz gestimmt, wir waren in den Spielen zu hektisch, jeder hatte etwas zu viel mit sich selbst zu tun und hat dadurch zu wenig Verantwortung fürs Team übernommen", sagt Stürmerin Viktoria Schwalm.
Doch die Verantwortlichen bei Turbine ließen sich nicht aus dem Konzept bringen. Co-Trainer Dirk Heinrichs berichtet: "In der Phase ist viel auf die Mannschaft eingeprasselt, aber wir sind im sportlichen Bereich ruhig geblieben, haben unsere Arbeit gemacht und so konnten wir unsere Leistungen irgendwann wieder bestätigen."
Nach den zwei Niederlagen zu Jahresbeginn konnte sich Potsdam gegen Sand einen 1:0-Sieg erarbeiten. "Gegen Sand haben die Mentalität und der Kampfgeist wieder gestimmt, wie in der Hinrunde haben wir uns wieder in jeden Zweikampf gehauen. Das zeichnet uns aus", so Angreiferin Schwalm, die in jener Partie die Vorlage zum Siegtreffer beisteuerte.
Das Erfolgsrezept dafür, auch solche Saisondellen zu überwinden, ist die Zusammenstellung des Potsdamer Kaders. "Unsere Stärke liegt darin, dass wir eine gute Mischung aus den jungen wilden und älteren erfahrenen Spielerinnen haben. Daraus ergibt sich ein guter Teamspirit, die Spielerinnen motivieren sich untereinander – das passt zurzeit richtig gut", sagt Co-Trainer Heinrichs. Laut Torhüterin Vanessa Fischer bringen die jüngeren Spielerinnen das gewisse Unbekümmerte und die Routiniers die nötige Führungsstärke mit.
Mit jener Mischung gelang Potsdam der Sieg gegen den SC Sand – und damit die Kehrtwende. Turbine gewann auch die drei Spiele danach – eine Siegesserie von gleich vier Partien. "Mit so einer Siegesserie hat man natürlich eine breite Brust und fühlt sich stark. Wir sind gut drauf und haben Selbstvertrauen getankt – besonders im letzten Spiel gegen Frankfurt hatten wir gut spielerische Akzente. Wir haben ein ziemlich gutes Hoch", so Übungsleiter Heinrichs.
Der jüngste Sieg gegen die Zweitvertretung der Frankfurt Eintracht fiel am 31. März mit 3:0 deutlich aus. Es war zudem nicht nur der vierte Sieg infolge, sondern auch das vierte Spiel hintereinander, in dem Turbine keinen Gegentreffer kassierte.
Mit nur zwölf Gegentoren stellt Potsdam die beste Defensive der Liga – das persönliche Faustpfand im Aufstiegsrennen. Das liegt auch an Torhüterin Fischer, die seit dem Abstieg die klare Nummer eins ist. "Ich glaube schon, dass ich der Mannschaft in dieser Saison den nötigen Rückhalt liefern kann. Dafür bin ich aber auch da", so die 25-Jährige.
Co-Trainer Heinrichs kam im Jahr 2003 zum Verein, Fischer 2011 und Schwalm 2012 – alle drei haben noch die glorreichen Zeiten der Turbine Potsdam erlebt. Und den Absturz.
"Es ist schön, was Turbine in der Vergangenheit alles erreicht hat, aber davon können wir uns nichts kaufen. Wir sind im Hier und Jetzt, geben alles, damit Potsdam bald wieder in der 1. Liga spielt und sich dort etabliert", stellt Schwalm klar. "Es ist unser klares Ziel, in die 1. Liga zurückzukehren. Man spürt es im Team, jede Einzelne will das. Klar, wir sind auf dem zweiten Platz, aber ich bin ganz ehrlich: Ich will noch den ersten Platz erreichen, um am Ende die Meisterschale nach oben zu halten."
Große Ziele, die sich aus der derzeitigen Siegesserie speisen. Doch klar ist auch: "Man darf sich nun nicht mehr den einen Ausrutscher erlauben", sagt Torhüterin Fischer. Dabei werden vor allem die nächsten drei Spiele entscheidend: Potsdam spielt gegen die drei Tabellenletzten, die Konkurrentinnen um den Aufstieg spielen teilweise gegeneinander. "Wir dürfen diese Gegner nicht unterschätzen und mit halber Kraft reingehen. Dann werden wir sehen, wo wir stehen."
Klar ist: Bei noch sieben ausstehenden Spielen hat es Turbine Potsdam als Tabellenzweiter in der eigenen Hand. Eine komfortable wie auch tückische Situation.
Sendung: rbb24, 09.04.2024, 21:45 Uhr
Beitrag von Marc Schwitzky
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