Regionalliga Nordost
Markus Zschiesche hat den SV Babelsberg 03 zu einem der aufregendsten Teams der Regionalliga Nordost geformt, was ihn zu einem begehrten Trainer macht. Nun läuft sein Vertrag aus. Ob Zschiesche bleibt, hängt stark von Babelsbergs Ambitionen ab. Von Marc Schwitzky
Die große Geschichte der bisherigen Saison der Regionalliga Nordost ist zweifelsohne der Dreikampf an der Tabellenspitze. Der Greifswalder FC (56 Punkte), Energie Cottbus (54) und der BFC Dynamo (53) konkurrieren beinahe im Gleichschritt um die Meisterschaft und damit um den direkten Aufstieg in die dritte Liga - Profifußball! Ein echter Krimi.
Doch da gibt es noch eine weitere Erfolgsgeschichte, nicht weit von jenem Dreigestirn - um genau zu sein, nur einen Tabellenplatz entfernt. Dort, auf Rang vier, weilt der SV Babelsberg 03. Die Potsdamer haben nach 27 Spieltagen stolze 45 Punkte auf dem Konto und führen damit die Tabelle hinter den Uneinholbaren an.
Um die vorherige Saison zu toppen, fehlen bei noch sieben ausstehenden Partien gerade einmal fünf Zähler. Doch die Ambitionen der "Nulldreier" gehen darüber hinaus. Ein maßgeblicher Grund dafür ist Trainer Markus Zschiesche, der im Juli 2022 bei den Babelsbergern anheuerte.
Zschiesche ist ein Kind der Region. Der heute 42-Jährige ist gebürtiger Berliner, spielte in der Jugend für Hertha BSC. Von 2001 bis 2013 schnürte er die Fußballschuhe im Herrenbereich, unter anderem für Füchse Berlin, den MSV Neuruppin, Union Berlin und Türkiyemspor Berlin. Als Trainer arbeitet Zschiesche seit 2013, auch hier hat ihn Berlin-Brandenburg nie wirklich losgelassen - bis auf ein kurzes Gastspiel beim Bonner SC im Jahr 2019. Er trainierte die Jugend von Energie Cottbus und TeBe Berlin, ehe er beim Berliner AK und von 2020 bis 2022 als Cheftrainer von TeBe erste Regionalliga-Luft schnupperte.
"Das erste Jahr kann man aufgrund der Corona-Unterbrechung nicht richtig mitzählen, aber auch da hat man seine Handschrift bereits erkennen können. Das zweite Jahr war sehr, sehr positiv. Wir haben mit Spielern, die nicht wirklich regionalligaerfahren waren, eine souveräne Saison gespielt, wurden Tabellenneunter und haben alle mit unserer Spielart begeistert", erinnert sich Tim Oschmann "nur positiv" im Gespräch mit rbb|24. Der 29-Jährige ist Kapitän bei TeBe und war es auch in den zwei Jahren unter Zschiesche.
TeBe sollte eine prägende Schule wie auch Visitenkarte für Zschiesches Arbeit sein. Mit dem Verein im Westend bewies er, auch mit geringen Mitteln offensiven, mutigen Fußball in der Regionalliga spielen lassen zu können. "Er wollte den Ball so früh wie möglich gewinnen, desto kürzer ist der Weg zum Tor. Viel Fußball spielen, wenig lange Bälle und eine hohe Intensität fahren", so Zschiesches Philosophie laut Oschmann. Der Trainer sei impulsiv, leidenschaftlich und sehr akribisch.
"Das war wirklich keine leichte Aufgabe", erinnert sich Zschiesche gegenüber rbb|24. Seine Amtszeit endete im Sommer 2022. Zschiesche sah sich zu Höherem berufen, mit TeBe war er am Zenit angelangt. "Ich kam damals von TeBe und mir war es wichtig, eine bessere Perspektive aufgezeigt zu bekommen", erklärt Zschiesche. "Babelsberg war und ist ein solider Verein, hatte damals aber in kurzer Zeit mehrere verschiedene Trainer, deren Arbeit ich gar nicht inhaltlich bewerten will. Der Verein wollte etwas Neues aufbauen, das hat zu meinen Ambitionen gepasst."
In seiner ersten Saison wurde Zschiesche mit Babelsberg Tabellenzehnter. Angesichts des größeren Kaderumbruchs - 15 Spieler verließen den Klub, 13 neue kamen hinzu - ein zufriedenstellendes Ergebnis. Bereits in der Spielzeit 2022/23 war die Handschrift des Übungsleiters zu erkennen, doch wirklich aufblühen sollten die Nulldreier in der laufenden Saison. "Ich sehe Fußball als aktiv und mutig an, das ist mein Anspruch. Ich gehe eher auf das 5:4 als auf das 1:0", so Zschiesche. "Aber: Wir haben diese Saison auch öfter 1:0 gewonnen, insofern nimmt man beides mit. Der Anspruch ist die Perfektion, also Fußballstil und Ergebnis in Einklang zu bringen."
Tatsächlich haben die Potsdamer bereits fünf Partien mit 1:0 gewonnen, mit 34 geschossenen Toren stellen sie nur den elftbesten Angriff der Regionalliga Nordost. Dennoch attestiert Ex-Spieler Oschmann: "Man merkt, dass die Handschrift gleichgeblieben ist." Womöglich ist genau jene effiziente Dosierung der Offensivstärke ein Schlüssel für den aktuellen Erfolg. Claus-Dieter Wollitz, Trainer von Ligakonkurrent Energie Cottbus findet jedenfalls: "Babelsberg ist bockstark. Sie haben einen sehr guten Trainer, den ich sehr schätze."
Doch Zschiesche ruht sich nicht auf dem Lob aus, sondern bleibt ambitioniert. "Aktuell haben wir noch nichts erreicht, das ist einfach so. Dass wir aktuell Tabellenvierter sind, ist aber unglaublich - auch weil die Liga nochmal stärker geworden ist und man keinen Gegner mal eben so besiegt", analysiert er. Er hat noch zwei klare Ziele: Zum einen will Zschiesche Energie Cottbus im Finale des Brandenburger Landespokal schlagen.
Zum anderen will er gar Historisches erreichen - die beste Babelsberger Saison seit der Regionalliga-Neustrukturierung. 2016/17 kamen die Babelsberger auf Platz fünf ins Ziel, sammelten 55 Zähler. "Es ist ein Ziel von uns, die 56-Punkte-Marke zu knacken. Bei TeBe haben wir das beste sportliche Ergebnis der letzten 20 Jahre des Vereins erzielt. Solche Dinge motivieren mich, ich will jeden Verein und jede Mannschaft voranbringen", so seine Vision. "Wir wollen dieses Statement setzen und uns in die Vereinsgeschichte schreiben. Das ist eine unglaubliche Motivation."
Womöglich auch, weil es Zschiesches letzte Tat für Babelsberg werden könnte. Der Vertrag des 42-Jährigen läuft am Saisonende aus, seine Zukunft ist unklar und die Liste der Interessenten lang. "Ich bin ehrlich: Aktuell ist alles offen. Aktuell verfolgen wir unsere Saisonziele sehr ambitioniert. Es gibt natürlich Anfragen und es werden Gespräche geführt - auch mit Babelsberg", berichtet er. "Die Perspektive ist für mich das wichtigste: Was hat der Verein vor? Wie wollen sie es angehen?"
Zschiesche wolle daran erinnern, dass die Vereinsverantwortlichen bei seinem Amtsantritt gesagt hatten, in zwei Jahren oben mitspielen zu wollen, um mit etwas Schwung womöglich wieder in dritte Liga zurückzukehren. Die Nulldreier spielten von 2010 bis 2013 dort. "Oben mitzuspielen, haben wir jetzt schon geschafft. Babelsberg hätte auf jeden Fall das Potenzial, die Zuschauerzahlen sind in den letzten zwei Jahren merklich gestiegen - hat vielleicht auch ein wenig damit zu tun, wie wir Fußball spielen. Nun muss der Verein entscheiden, wie sehr er für jenes Ziel investieren will", so Zschiesche, der laut übereinstimmenden Medienberichten auch bei Herthas U23 im Gespräch sein soll.
"Ich freue mich und bin sehr stolz, dass ich für andere Vereine interessant bin - gerade für Vereine wie Hertha", so Zschiesche, der aber alles offen lässt. Eins ist für ihn allerdings klar: "Ich habe in den letzten Jahren - ob beim Berliner AK, Bonner SC, der Cottbus-Jugend, TeBe oder nun Babelsberg - immer die Aufgabe gehabt, einen Neuaufbau zu schaffen. Ich musste immer aus wenig viel machen", erklärt Zschiesche.
Nun soll der nächste Schritt in der Karriere folgen - ob in Babelsberg oder woanders. "Babelsberg ist ein sehr solider Verein und ich fühle mich hier sehr wohl. Vielleicht kann man sich finanziell so aufstellen, eine noch schlagkräftigere Truppe zusammenzustellen, um wirklich oben mitmischen zu können", so seine Hoffnung. "Das ist die Perspektive, die ich will, da ich auch sehr ehrgeizig bin. Ich weiß aber auch, dass das, was man will und das, was man bekommt, immer unterschiedlich sein wird."
In den nächsten Wochen sei keine Entscheidung bezüglich seiner Zukunft in Sicht. Bis dahin wollen Zschiesche und Babelsberg Historisches erreichen - ob als letzte gemeinsame Geschichte oder nur als weiteres Kapitel.
Beitrag von Marc Schwitzky
Artikel im mobilen Angebot lesen