Gegner der Eisbären in DEL-Finalserie
Die Teilnahme an einer Finalserie um die Deutsche Eishockeymeisterschaft ist für die Fans des neunfachen Meisters Eisbären Berlin fast normal. Ganz anders sieht das beim diesjährigen Gegner aus: Mit den Fischtown Pinguins fiebert eine ganze Stadt. Von Simon Wenzel
Die Nacht war kurz für viele Fans der Fischtown Pinguins. Rund 1.000 von ihnen waren mit in Berlin, bis kurz vor zehn Uhr am Freitagabend ging das Spiel. "Wir sind erst um sechs Uhr mit dem Fanbus aus Berlin zurückgekommen und sitzen jetzt schon wieder zusammen und bereiten hier ein bisschen was vor", sagt Thorsten Hein am Telefon. Der 57-Jährige ist Fischtown Pinguins-Fan, bereits seit den 1990er Jahren geht er in Bremerhaven zum Eishockey. Was Hein und andere Fans am Samstagvormittag in der Eisarena vorbereiten, ist eine Choreografie für das dritte Spiel der Finalserie am Sonntag (15.30 Uhr).
Während die Eisbären in der Finalserie in ihrem natürlichen Habitat sind - bereits zum zwölften Mal stehen die Berliner im DEL-Finale - sind die Pinguins auf ungewohntem Terrain unterwegs. Und die Fans wollen jedes der bis zu sieben Spiele in dieser Finalserie nutzen, um ihrem Team zu danken. Die 3:5-Niederlage in Berlin hat der Stimmung keinen Abbruch getan: "Das, was wir bis jetzt erreicht haben, ist mehr, als alle vor der Saison erwartet haben. Wenn uns das vorher jemand gesagt hätte, dass wir im Finale gegen die Eisbären antreten und das erste Spiel sogar gewinnen, hätte ich den für verrückt erklärt", sagt Hein. Bislang war das Viertelfinale die beste Platzierung in der noch kurzen DEL-Geschichte der Fischtown Pinguins.
Allerdings hatte sich bereits in der regulären Saison angedeutet, dass in diesem Jahr in Bremerhaven etwas außergewöhnliches passieren könnte. Fischtown beendete die Hauptrunde als Tabellenführer - noch vor den Eisbären Berlin. Ihr Kapitän Jan Urbas und Sturmkollege Ziga Jeglic waren die nach Punkten besten Scorer der Liga. Und Bremerhaven wurde immer mehr zur Eishockey-Stadt. Während die Finalteilnahme der Eisbären in Berlin an weiten Teilen der Stadtbevölkerung vorbeigehen dürfte, sind die Pinguins in "Fischtown" Bremerhaven allgegenwärtig.
"Man spürt das in der ganzen Stadt", erzählt Thorsten Hein. "In vielen Fenstern hängen Fahnen oder Trikots. Wir haben hier so Wochenmärkte, da haben die Marktbeschicker ihre Stände mit Fahnen ausgekleidet. Die Leute gehen mit Trikots zur Arbeit. Man wird beim Einkaufen an der Kasse angesprochen: 'Warst du gestern da, hast du das gesehen?'" Seine Tochter, die durch ihn schon früh zum Eishockey-Fan geworden ist, werde in der Schule neuerdings von Mitschülerinnen und Mitschülern gefragt, wie das funktioniere mit dem Hockey und wieso die Pinguins noch so oft spielen müssten, um Meister zu werden. "Die ganze Stadt ist mittlerweile in einer Eishockey-Euphorie", sagt Hein.
Nach dem entscheidenden 3:0-Sieg in der Halbfinalserie gegen München und dem damit verbundenen Finaleinzug stellten sich viele Fans noch in der Nacht um 3 Uhr in die Schlange vor der Stadthalle, um ein Ticket für die ersten zwei Final-Heimspiele gegen die Eisbären zu kaufen - mitten in der Woche. Um 9 Uhr öffneten die Verkaufsschalter. 25 Minuten später waren alle Tickets für die ersten beiden Heimspiele der Serie ausverkauft.
Durch den ersten Platz in der Hauptrunde hat Bremerhaven einen kleinen Heimvorteil: Sollte es über sieben Spiele gehen, hätten die Pinguins ein Heimspiel mehr als die Eisbären.
In Spiel eins der Finalserie in Bremerhaven haben die Fans bereits gezeigt, dass sie den nutzen wollen: Eine leuchtend rote Choreografie mit großem goldenem Pokal und eine ohrenbetäubende Atmosphäre gaben in der rund 4.600 Zuschauer fassenden Eisarena den Rahmen für den 4:2-Sieg der Pinguins gegen die Eisbären.
Es gab rund um die Finalserie allerdings auch ein wenig Kritik am Klub, weil für die ersten Finalspiele bis zu zehn Tickets auf einmal gekauft werden konnten. So gingen zahlreiche Fans leer aus. Die hatten nun eine neue Chance, denn durch den Sieg der Eisbären am Freitagabend ist klar: Es wird noch mindestens ein Spiel mehr in Bremerhaven geben - das fünfte der Finalserie. Am Samstagmorgen startete der Verkauf, kurze Zeit später waren auch diese Tickets bereits wieder vergriffen. Thorsten Hein musste sich nicht in die Schlangen stellen. Er hat seit Jahren eine Dauerkarte.
Zur historischen Dimension des Finaleinzugs kommt außerdem noch eine kitschig-romantische Geschichte: Das langjährige Führungsduo der Fischtown Pinguins verabschiedet sich wahrscheinlich nach dieser Saison. Manager Alfred Prey will Medienberichten zufolge mit 70 Jahren in den Ruhestand, Trainer Thomas Popiesch (gebürtiger Ostberliner) soll es aus privaten Gründen nach Krefeld ziehen.
Prey arbeitet bereits seit 1992 für die Pinguins, damals hieß der Klub noch REV Bremerhaven und Prey fing als Pressesprecher an. Popiesch kam 2016 nach Bremerhaven. Damals spielten die Fischtown Pinguins noch in der zweiten Liga. Die Meisterschaft wäre der krönende Abschluss einer Ära. Vielleicht wird es für sie im Rahmen der Finalserie auch noch eine Choreografie geben. Genaues will Thorsten Hein aber nicht verraten - auch bezüglich der Unterstützung am Sonntag "Das soll noch geheim bleiben, was wir hier aufbauen", sagt er.
Fest steht: Gelingt den Pinguins die Sensation, der Gewinn der ersten Meisterschaft, bahnt sich eine riesige Party in Bremerhaven an - mit Thorsten Hein: "Ich habe zum Glück einen entspannten Arbeitgeber. Weil die Euphorie so groß ist, darf ich zu den Auswärtsspielen. Sollten wir tatsächlich Meister werden, hoffe ich, den Tag danach freizubekommen", sagt er. Erstmal wünscht er sich aber weiterhin eine so faire und gute Serie wie in den ersten beiden Spielen. "Das macht richtig Spaß mit den Berlinern, muss ich sagen", sagt Hein zum Abschied.
Beitrag von Simon Wenzel
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