Interview | Hertha-Stürmer Haris Tabakovic
Im Trikot von Hertha BSC schießt Haris Tabakovic derzeit die 2. Liga auseinander. Im Interview verrät er, was ihn aktuell so stark macht, warum er fast Bankkaufmann geworden wäre und warum ihm "Fluppe" besser gefällt als "Jesus".
rbb: Herr Tabakovic, in den letzten fünf Spielen haben Sie sieben Tore und eine Vorlage verzeichnet. Warum läuft es gerade so gut?
Haris Tabakovic: Ich fühle mich hier einfach seit dem ersten Tag sehr wohl und gebe mein Bestes. Am Ende geht es mir darum, dass ich der Mannschaft auf dem Platz helfe. Nicht nur mit Toren, sondern auch damit zu kämpfen, anzulaufen, Bälle abzulegen und meine Mitspieler zu sehen.
Insgesamt haben Sie in dieser Saison bereits 18 Treffer erzielt und sind damit in der Torjägerliste der 2. Bundesliga an der Spitze gleichauf mit Christos Tzolis von Fortuna Düsseldorf. Was bedeutet Ihnen das?
Es ist sicherlich eine schöne Momentaufnahme. Natürlich habe ich als Stürmer Ziele und will treffen, dafür bin ich gekommen. Ich bin glücklich, dass das in dieser Saison so gut funktioniert. Nichtsdestotrotz sind es noch sechs Spiele und es ist oben in der Torjägerliste sehr eng. Ich nehme Spiel für Spiel und das Wichtigste ist immer, dass wir gewinnen.
Lassen Sie uns Ihren Weg nachverfolgen: Sie wurden in der Schweiz geboren, im 18.000-Einwohner-Ort Grenchen, knapp 40 Kilometer nördlich von Bern. Wie war das Leben dort so?
Ganz anders als in Berlin. Da ist ein bisschen weniger los (lacht). Aber es war eine schöne Kindheit. Wir waren nicht arm und nicht reich - eben ganz normale Bürger. Ich war ständig Fußballspielen mit Freunden und hatte Spaß. Meine Eltern leben immer noch dort und auch mein Bruder wohnt noch in der Nähe. Ich bin immer sehr glücklich, wenn ich in die Heimat zurückkomme. Es ist alles ganz bescheiden.
Wann zeichnete sich ab, dass Sie fußballerisch mehr draufhaben als die anderen Kinder?
Mit sechs Jahren hat meine Mama mich zum ersten Mal zum örtlichen Fußballklub mitgenommen, damit ich mal mit trainiere. Aber es hat dann schon länger gedauert. Ich habe nicht den klassischen Jugendweg von der U12 an gemacht, sondern in einer Bank gearbeitet. Erst in der U18 von den Young Boys Bern hat es dann richtig angefangen.
Sie haben also eine klassische Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht?
Ja, vier Jahre lang. Und ich habe sie auch abgeschlossen.
Ist aus dieser Zeit noch etwas hängen geblieben?
Ich denke schon. Im Umgang mit Geld bin ich schon immer gut gewesen. Ich bin keiner, der beim Geldausgeben übertreibt. Meinen Eltern war es immer wichtig, dass ich eine Ausbildung mache, falls es mit dem Fußball nicht klappt.
Fußballerisch sind Sie rumgekommen. Angefangen in der Schweiz bei großen Vereinen: Young Boys Bern, Grasshopper Zürich. Dann nach Ungarn, Österreich, jetzt bei Hertha BSC Ihre erste Saison in Deutschland. Was sagt das über Sie aus?
Dass ich nicht die leichteste Karriere hatte, die immer steil bergauf ging. Ich war immer offen für Neues und habe mich damals bewusst für Ungarn entschieden, weil ich unbedingt alleine raus aus der Schweiz und ins Ausland gehen wollte, um als Mann zu reifen. Ich bin sehr dankbar für jeden Schritt, den ich gemacht habe.
Wir würden gerne über Spitznamen sprechen, da haben Sie ja eine spannende Entwicklung genommen. Bei Ihrem letzten Verein Austria Wien waren Sie "Jesus", in Berlin sind Sie "Fluppe". Was gefällt Ihnen besser?
Jesus hat mir eigentlich nicht so gut gefallen, weil ich ein religiöser Mensch bin und nicht in diese Richtung gehen wollte. "Fluppe" habe ich am Anfang nicht verstanden, aber jetzt finde ich das ganz gut.
Gemeinsam mit Fabian Reese sind Sie auf Anhieb zu einer prägenden Figur im Verein geworden. Wie viel bedeutet Ihnen das?
Das bedeutet mir schon etwas. Es ist eine Auszeichnung für das, was ich jeden Tag bringe. Es ist eine Wertschätzung der Fans, die man nicht einfach so bekommt, sondern nur durch täglich harte Arbeit. Ich bin sehr dankbar dafür.
Sie sind jetzt ein Dreivierteljahr in Berlin. Wo gefällt Ihnen die Stadt am besten?
Es gibt ein paar Ecken, die ich cool finde. Ich bin viel in Mitte unterwegs und auch in Charlottenburg gibt es einige schöne Cafés, in denen ich gerne sitze.
Ihr Trainer sieht die Berichterstattung in Berliner Medien immer wieder kritisch. Zu negativ, zu viel Druck, falsche Erwartungen. Und er hat gesagt: Sie hätten ihn auch darauf angesprochen. Von wegen: Trainer, das ist echt ein schwieriges Umfeld. Wie nehmen Sie das wahr?
Es gibt schon Druck. Das habe ich in der Phase gemerkt, in der ich nicht viele Tore geschossen habe. Ich denke, als Spieler ist es wichtig, dass man das ganze Zeug nicht alles liest. Und man muss auch sagen, dass vieles davon nicht unbedingt wahr ist.
Es sind noch sechs Spiele in dieser Saison und Hertha hat acht Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz. Ihr Kollege Florian Niederlechner hat kürzlich gesagt: Vom Aufstieg muss keiner mehr reden. Wie sehen Sie das?
Reden muss man nicht mehr, denn davon passiert sowieso nichts. Wir müssen einfach spielen und Siege holen. Auch wenn es manchmal schlecht ist, wie gegen Paderborn, zählen am Ende die drei Punkte.
Wir sind bereits im April, spät in der Saison. Immer auch eine Zeit, um die kommende Saison zu planen. Was braucht Hertha Ihrer Meinung nach?
Sicherlich Kontinuität. Ich hoffe, dass es diesen Sommer nicht wieder einen großen Umbruch gibt.
Sie bleiben also bei Hertha BSC?
Ich habe Vertrag bis 2026.
Am 20. Juni steht Ihnen ein runder Geburtstag bevor: Sie werden 30 Jahre alt. Wie blicken Sie dem entgegen?
Eigentlich feiere ich Geburtstage nicht groß, aber den 30. werde ich feiern. Ich habe keine Angst davor, denn ich fühle mich blendend. Im Fußball bedeutet die 30 nichts, sondern nur, wie man sich auf dem Platz fühlt. Und da bin ich ready.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Dennis Wiese, rbb Sport. Es wurde für die Online-Fassung gekürzt und redigiert. Das komplette Gespräch können Sie oben im Beitrag im Audio hören.
Sendung: rbb24 Inforadio, 10.04.2024, 12:15 Uhr
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