Handball
In den vergangenen Jahren ist der VfL Potsdam zu einer Art Nachwuchsteam der Füchse Berlin geworden. Nun stehen die Brandenburger jedoch vor dem Aufstieg in die Handball-Bundesliga, wodurch sich einiges an der Kooperation verändern würde.
Sieben Spieltage sind in der 2. Handball-Bundesliga noch zu absolvieren und die Situation könnte für den 1. VfL Potsdam kaum aussichtsreicher sein. Seit 24 Spielen ist das Team von Trainer Bob Hanning ungeschlagen und steht mittlerweile mit einem komfortablen Sechs-Punkte-Vorsprung an der Tabellenspitze.
Während zu Beginn des Jahres noch niemand offen über den Aufstieg sprechen wollte, ist er nun unausweichlich zum erklärten Saisonziel geworden. Und das, obwohl sich so manch ein Verantwortlicher wohl lieber den Verbleib in der 2. Liga gewünscht hätte.
Denn eigentlich ist der Klub aus Brandenburg so etwas wie die Jugendmannschaft der Füchse Berlin und so richtig geplant war ein Aufstieg in die Bundesliga nicht. Seit 2020 besteht eine intensive Kooperation und viele der jungen Spieler stehen mit einer Doppellizenz für beide Teams auf der Platte. So können die Talente schon früh immer mal wieder Erstligaluft schnuppern, wenn in der Hauptstadt Bedarf bestand.
Für Hanning, den Füchse-Geschäftsführer, wurde das Projekt schnell zu einer Herzensangelegenheit, weshalb er zusätzlich das Traineramt beim VfL übernahm und die Brandenburger 2022 in die 2. Liga führte.
Mit einem Aufstieg würde sich allerdings einiges ändern. Denn sollten Berlin und Potsdam gemeinsam in einer Liga antreten, sind laut den Regeln keine Doppellizenzen mehr erlaubt. "Der Geschäftsführer der Füchse in mir sagt: Mir wäre lieber, es würde alles so bleiben, wie es ist. Der Trainer des VfL Potsdam sagt aber: Dann hättest du mich nicht einstellen sollen", erklärt Hanning schmunzelnd.
Seinen sportlichen Ehrgeiz hat der 56-Jährige auf seine Schützlinge übertragen. Der VfL ist das mit Abstand jüngste Team der 2. Liga und trotzdem treten die Spieler bereits wie gestandene Profis auf.
"Wir haben viel weniger Spielerfahrung als die Konkurrenz, aber wir haben viel mehr gewonnen, obwohl wir zum Teil zehn oder 15 Jahre jünger sind als die Gegenspieler. Wir haben Qualität, Mentalität und Leidenschaft und sind in der Lage in schwierigen Situationen gute und richtige Entscheidungen zu treffen. Wir haben die Spieler zu Raubtieren entwickelt und ihnen wichtige Werte vermittelt", erklärt Hanning. Und diese Raubtiere könne er nun natürlich nicht mehr stoppen und am Aufstieg hindern.
Der König dieser Raubtiere ist derzeit Rückraumspieler Max Beneke. Der 20-Jährige hat ein unglaubliches Jahr hinter sich. Im vergangenen Sommer führte er Deutschlands U21 zum WM-Titel, sammelte erste Erfahrungen in der A-Nationalmannschaft und steht regelmäßig für die Füchse auf der Platte. Zudem führt er die Torjägerliste der 2. Liga mit 233 Treffern an.
Gemeinsam mit Torwart Lasse Ludwig wird er in der kommenden Saison fest zu den Füchsen wechseln und steht damit für den Erfolg der Kooperation. Auch wenn es für ihn also so oder so in die Bundesliga geht, träumt er bereits vom Moment des Aufstiegs mit den Potsdamern. "Für mich hat das eine besondere Bedeutung, weil ich mit zwölf Jahren hier auf die Sportschule gekommen bin und das so mein erster Schritt weg von der Heimat und in die Professionalität war. Hier jetzt aufzusteigen, würde mich deshalb umso mehr freuen", erklärt der gebürtige Greifswalder.
Nicht nur Beneke wird den VfL nach dem Aufstieg verlassen, sondern auch der Trainer. "Es liegt nicht an fehlender Freude, sondern an der Vernunft. Es sind eigenständige Vereine und das wollen wir nach draußen klar zeigen. Und zwei Bundesligisten auf einmal zu führen ist selbst für mich oberhalb der Grenze", sagt Hanning.
Natürlich bleibt er dem Projekt aber ehrenamtlich erhalten und ist nicht einfach "nur" Geschäftsführer der Füchse. Er werde sich weiter um den VfL Potsdam kümmern und das Projekt des "Team Deutschlands" voranbringen, erklärt er. Hannings Ziel ist es, die brandenburgische Landeshauptstadt gemeinsam mit dem Deutschen Handball-Bund (DHB) zum Sammelpunkt der größten deutschen Handball-Talente zu machen. Der VfL soll dafür als Teamgefäß dienen, in dem die jungen Spieler auf hohem Niveau Erfahrung sammeln können.
Wie hoch dieses Niveau in Zukunft sein wird, bleibt abzuwarten. Schließlich schaffen es nur wenige Aufsteiger, sich langfristig in der Handball-Bundesliga zu etablieren und ein Großteil steigt schon ein oder zwei Jahre später direkt wieder ab. "Ich bin mal gespannt, ob es uns mit dieser Mannschaft aber nicht doch gelingt, die Klasse zu halten", sagt der scheidende Trainer.
Und auch wenn keine Doppellizenzen mehr möglich sind, soll die Kooperation mit dem großen Bruder aus der Hauptstadt unbedingt erhalten bleiben. "Wir werden bei den Füchsen ein oder zwei Spieler perspektivisch unter Vertrag nehmen und diese dann für ein Jahr an den VfL Potsdam ausleihen", erklärt Hanning die alternative Vorgehensweise.
Erst einmal muss der Aufstieg in den verbleibenden sieben Partien nun aber sicher ins Ziel gebracht werden – wobei bei der aktuellen Form und der komfortablen Ausgangslage wohl kaum noch Zweifel daran bestehen dürften. Und so ganz unrealistisch war der Traum vom Aufstieg zu Beginn der Saison dann wohl doch gar nicht. "Unsere WhatsApp-Gruppe hieß schon lange 'Aufsteiger 2024' bevor überhaupt das erste Spiel gespielt worden war", verrät Hanning.
Sendung: Der Tag, 11.04.2024, 18 Uhr
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