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Quelle: IMAGO/Laci Perenyi

Ruder-EM in Ungarn

Deutscher Frauen-Achter zwischen Olympia-Traum und Saison-Aus

Bei der Ruder-EM im ungarischen Szeged stehen die deutschen Flagschiffe im Fokus: Der Potsdamer Mattes Schönherr hat bei den Männern das Olympiaticket schon gelöst, die Berlinerin Nora Peuser hat mit dem Frauen-Achter nur noch eine Chance. Von Jonas Schützeberg

Sie liegt auf einer dünnen Bank, mit jedem Armzug vibriert das Holzbrett unter ihr. Wenn die Hantel wieder auf den Boden fällt, hallt es durch den Raum. Dass es auf der anderen Seite der Fensterscheibe Ende April nochmal schneit, nimmt Nora Peuser (Ruder-Union Arkona) nicht wahr. Es ist das letzte Training vor dem Abflug – Krafttraining, an Land, denn der Bootstransport ist schon seit Tagen unterwegs.

"Frauen Riemen Deutschland" steht in einem Logo auf dem Shirt der gebürtigen Berlinerin. Ihr sportliches Zuhause ist der Bundesstützpunkt am Hohenzollernkanal, gleich neben dem alten Flughafen Tegel. Nur ein paar Meter entfernt liegt er auf einer Turnmatte und dehnt sich – auch für Mattes Schönherr (Ruder-Club Potsdam) geht es am Dienstag zur Europameisterschaft der Ruderer nach Ungarn. Eine schwarz-rot-gelbe Acht ziert seinen Rücken.

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Der Druck der Olympiaqualifikation

Eine Berlinerin und ein Potsdamer – vieles haben die beiden gemeinsam. Ihr Arbeitsgerät ist 16,73 Meter lang, seines knapp einen Meter länger. Sie gleitet mit acht Kolleginnen in einem knallgelben Boot über den See, während er sich in einem leuchtend grünen fortbewegt. Beide rudern im prestigeträchtigen Deutschland-Achter, sie bei den Frauen und er bei den Männern.

Zusammen träumen sie von den Olympischen Spielen in Paris, doch es gibt einen entscheidenden Unterschied. Der Männer-Achter ist bereits qualifiziert, die Frauen haben eine letzte Chance, um das Ticket noch zu lösen: "Es wäre genial, wenn wir diesen Traum teilen können. Nora hatte schwierige Jahre, doch sie hat sich immer wieder zurück gekämpft. Wenn sie das jetzt schafft, wäre es einfach nur unbeschreiblich schön", sagt Mattes Schönherr.

"Sie gibt mir ein Gefühl von Sicherheit"

Auf den Schultern von Peuser liegt neben der ausstehenden Olympia-Qualifikation noch ein anderer Druck. Sie ist die Schlagfrau im Achter und gibt den Rhythmus vor: "Es ist eine große Ehre, das Vertrauen bekommen zu haben. Ich kenne es aus meiner Junioren-Zeit, aber das ist viele Jahre her. Gleichzeitig ist es auch eine besondere Anspannung", beschreibt es die 25-Jährige.

Aus dieser Junioren-Zeit kennt sie auch Mattes Schönherr, gemeinsam waren sie auf der U19-WM vor sieben Jahren und sind seitdem ein Paar. Auch der Potsdamer war schon öfter Schlagmann im Achter, zuletzt in der vergangenen Saison: "Wir tauschen uns viel darüber aus. Nora hat ein extrem gutes Gefühl, das kann sie auf dem Platz einbringen. Auch nach den Rennen kann man einfach zuhören und gegebenenfalls darüber reden. Sie gibt mir schon das Gefühl von Sicherheit."

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Erfolgreicher Auftakt beim Weltcup

Im Alltag sehen sie sich nicht so häufig, denn Schönherr lebt in Dortmund, dem Stützpunkt für den Männer-Achter, während Peuser in Berlin trainiert. Umso praktischer ist es, dass beide in der Nationalmannschaft sind und sich bei Wettkämpfen sehen, wie zuletzt beim Weltcupauftakt im italienischen Varese. "Klar ist es schön, wenn der Partner den gleichen Sport macht und somit versteht, was der andere tut und warum er die ganze Zeit für das tägliche Training auf sich nimmt", erklärt Peuser.

Es war ein guter Auftakt für den in den vergangenen Jahren in die Kritik geratenen Deutschen Ruder-Verband. Fünf Medaillen konnte die Flotte in den olympischen Bootsklassen in Italien gewinnen, unter anderem Bronze für den Männer-Achter um Schönherr. Für Peuser und die Frauen reichte es zu Platz Vier, es war ein erster vorsichtiger Schritt in Richtung Olympia: "Der Druck ist natürlich da, aber wir wandeln das eher in Motivation um, damit wir in jedem Rennen daraus lernen."

Zwischen Nationalhymne, Selfies und Badelatschen

In Badelatschen saßen sie da, vergangene Woche bei 26 Grad unter der Sonne in der Lombardei – wartend auf den Shuttlebus zurück ins Hotel, müde aneinander gelehnt, aber zufrieden. Denn der Frauen-Achter hatte mit Dänemark einen vermeintlichen Konkurrenten um den Olympischen Startplatz klar geschlagen. Währenddessen donnerte die italienische Nationalhymne aus den Lautsprechern über den vom Hochwasser durchmatschten Regattaplatz und ganze Schulklassen an Fans wollten Selfies mit dem deutschen Einerfahrer-Star Oliver Zeidler machen.

Im Rudern qualifizieren sich die meisten Boote schon im vorolympischen Jahr bei den Weltmeisterschaften für die Olympischen Spiele. Im Olympiajahr selbst gibt es dann im Mai noch einmal die Chance auf zwei letzte Plätze in jeder Bootsgattung bei der finalen Entscheidung auf dem Göttersee im schweizerischen Luzern. An diesem einem Tag muss für den Frauen-Achter alles passen, sonst platzt der große Traum. Bei Olympischen Spielen waren die deutschen Frauen in der Disziplin zuletzt 2012 in London vertreten.

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"Sie geht mit dem Kopf durch die Wand"

Doch zunächst wartet ab Donnerstag die EM. In Szeged, in Ungarn wollen die Frauen nun den nächsten Schritt gehen, Praxis und Wettkampfhärte sammeln, das sieht auch Bundestrainer René Burmeister so: "Das Ziel ist, auf der zweiten Streckenhälfte mit den Topnationen mitzuhalten. Der Druck ist natürlich groß, wir wollen die Olympiaquali schaffen und dafür brauchen wir dringend Wettkämpfe."

Auch wenn sie aktuell mit ein paar krankheitsbedingten Ausfällen zu kämpfen haben, sieht Burmeister den Achter um Peuser auf der Schlagposition gut aufgestellt: "Es war zu Beginn ein Bauchgefühl, das sich bestätigt hat. Nora war schon immer eine gute Sprinterin. Wir brauchen jemanden, der da vorn mutig loslegen kann. Sie geht positiv gesehen mit dem Kopf durch die Wand und kann die sieben anderen hinter ihr mitziehen."

Letzter Härtetest: Europameisterschaft

Ein weiteres Mal geht es also zusammen zum Wettkampf - für Nora Peuser und Mattes Schönherr, regional gesehen sind sie bei weitem nicht allein. Insgesamt vertreten 17 Berliner und Brandenburger Ruderer die deutschen Farben. Und wenn es nach dem 23-jährigen Schönherr geht, kann die Reise auch gern wieder auf dem Podest enden: "Es ist immer schön, eine Medaille zu gewinnen. Das offensive Losfahren auf der 2.000-Meter-Strecke wird im Vordergrund stehen. Richtig Mut haben, das Rennen anzugehen und mitzubestimmen. Das muss das Ziel sein."

31 Nationen kämpfen in den verschiedenen Bootsklassen um die Medaillen, im Frauen-Achter sind nur Hochkaräter gemeldet. Für Nora Peuser und ihr Team ist es der letzte Test vor der finalen Olympia-Qualifikation: "Wir wollen kompakt bleiben, unsere Stärke am Start ausbauen und den Italienerinnen vielleicht ein paar Sekunden abknapsen." Und auf eines kann sie sich verlassen: Zumindest bei dieser Regatta wird Mattes Schönherr noch einmal an ihrer Seite stehen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.04.2024, 11:15 Uhr

Beitrag von Jonas Schützeberg

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