Warum der SC Potsdam ins Chaos schlitterte - und wie es nun weitergeht
Der größte Sportverein Brandenburgs hat erhebliche Schulden, an der Vereinsspitze wird gestritten, Präsident und Verwaltungsratsvorsitzender des SC Potsdam treten zum Monatsende zurück. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Lage des Vereins. Von Anton Fahl
Was wirft Präsident Andreas Klemund dem Vorstand vor?
Der Präsident des SC Potsdam, seit 2021 im Amt, gab in einer öffentlichen Mitteilung an, die er gemeinsam mit dem Verwaltungsratsvorsitzenden Stephan Goericke veröffentlicht hat, erst zu spät über den neu ermittelten Finanzbedarf der ausgegliederten Spielbetriebs-GmbH der Bundeliga-Volleyballerinnen informiert worden zu sein. Als Konsequenz verkündeten Präsident und Verwaltungsratsvorsitzender ihren Rücktritt zum Monatsende.
Der Betrag liege bei rund 400.000 Euro und somit weit höher als bislang mitgeteilt. Mit anderen Worten: Der Verein habe Liquiditätsprobleme, so Klemund. "Der Liquiditätsplan für Mai und Juni weist selbst beim Hauptverein ein operatives Minus von fast 60.000 Euro aus", sagte der Präsident gegenüber dem rbb.
Der SC Potsdam sei in Gefahr, von einem Insolvenzantrag war die Rede: Was viele Mitglieder rund um den größten Brandenburger Sportklub aufschreckte, wollte der Verein am Mittwoch nicht bestätigen. Die neue Entwicklung: Teile der Chefetage treten zurück.
Wie reagiert der SC Potsdam auf die Vorwürfe?
Die Vereinsverantwortlichen weisen darauf hin, dass Klemund als ehrenamtlicher Präsident nicht für den Klub sprechen könne – im Gegensatz zum hauptamtlichen Vorstand. Man wolle rechtliche Schritte gegen Klemund prüfen, "ob er sein Amt bezüglich der Außendarstellung missbraucht hat", so Hendrik Schade, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, im Gespräch mit dem rbb. "Und wir prüfen, ob er diesbezüglich - da er schon mit der Presse redet, auch über einen etwaigen Insolvenzantrag - die Kreditwürdigkeit des Vereins in erheblicher Weise gefährdet hat und damit auch echte Schäden eintreten."
Rico Freimuth, der seit Anfang 2024 als Vorstandsvorsitzender des SC Potsdam fungiert, spricht gar von einem "extremen Vertrauensbruch zwischen dem Präsidenten, dem Verwaltungsratsvorsitzenden und dem Rest des Vereins". Er habe, so Freimuth weiter, schon früh gemerkt, "dass die Art und Weise, wie sich der Präsident in jegliche Belange einmischt, zumindest fragwürdig ist. Das Vertrauen zwischen Herrn Klemund und mir ist schon länger geschädigt." Freimuth spricht von Verfehlungen, Kompetenzüberschreitungen und Amtsmissbrauch seitens des Präsidenten.
Auf der anderen Seite wirft Präsident Klemund dem Vorstandsvorsitzenden vor, nicht rechtzeitig auf die sich anbahnende Finanzkrise reagiert zu haben. Freimuth habe Klemund indes mitgeteilt, dass die Zusammenarbeit für ihn beendet sei.
Klar ist: Die Protagonisten des SC Potsdam sprechen vornehmlich nur noch übereinander statt miteinander.
Wie ist der Verein in finanzielle Schieflage geraten?
In der jüngeren Vergangenheit haben die Profi-Volleyballerinnen des SCP – als Flagschiff des mit über 5.000 Mitgliedern größten Sportvereins im Land Brandenburg – große Erfolge gefeiert, aber auch hohe Kosten verursacht.
Nachdem der Verdacht der Steuerhinterziehung beim Volleyball-Bundesligisten SC Potsdam aufgekommen ist, schreitet nun auch die Volleyball-Bundesliga ein. Die Brandenburger müssen Unterlagen zur Nachlizenzierung einreichen. Von Lynn Kraemer
Wie hoch sind die Schulden?
Ein "erhebliches Defizit" steht nun im Raum, über die exakte Höhe der Schulden sind jedoch unterschiedliche Zahlen im Umlauf. Klemunds Kritikpunkt: Der Vorstand nenne keine konkreten Summen. "Die Saison ist jetzt zu Ende und ich weiß, was ich ausgegeben habe. Das müsste in meiner Welt geradegezogen sein", so der Präsident. "Aber am Montag sagen: 450.000 Euro, am Dienstag schreibt der Geschäftsführer: Ich brauche 404.000 Euro Liquidität. Am Donnerstag lese ich in der Zeitung: Nee, es sind nur 330.000. Heute hat mir einer gesagt, sie haben nochmal geguckt: Es sind nur 200.000. Da muss ich sagen: Was willst du da ernst nehmen?"
Wogegen Vorstandsvorsitzender Freimuth kontert: "Das ist ein Geschäftsgeheimnis. Deswegen werde ich keine Zahl in den Mund nehmen. Wir prüfen das gerade, aber das obliegt dem Geschäftsgeheimnis und darf nicht nach außen getragen werden."
Wer muss für die Schulden aufkommen?
Unabhängig von der genauen Höhe der roten Zahlen stellt sich die Frage, wer für die Schulden aufkommen muss. Der Verein erklärte gegenüber dem rbb dazu lediglich: "Der Sport-Club Potsdam e.V. unterliegt keiner direkten Zahlungsverpflichtung zum Ausgleich eines Defizits gegenüber der SC Potsdam Sport & Marketing GmbH, weder als Gesellschafter noch aus einem Geschäftsbesorgungsvertrag." Ausgang und endgültige Beantwortung dieser essenziellen Frage: offen.
Wie geht es weiter?
Zunächst soll auf dem Delegiertentag am 30. Mai ein neues Präsidium gewählt werden. Doch die Gräben und Verwerfungen sind tiefgreifender, die Zukunft des Vereins scheint ungewiss.