Basketball-Bundesliga
Für Alba Berlin beginnen am Freitag die Playoffs und damit der heiße Kampf um die Meisterschaft. Hinter den Berlinern liegt eine Bundesliga-Hauptrunde, aus der sie einige Lehren für das Titelrennen ziehen können. Von Lukas Witte und Jakob Lobach
Eines der größten Probleme von Alba Berlin waren in dieser Saison wohl die Verletzungen. Immer wieder fielen Spieler aus – mal länger, mal kürzer. Zuletzt fehlte den Berlinern für ein paar Spiele sogar mal der halbe Kader. Und für die Talente Ziga Samar, Matteo Spagnolo und Gabriele Procida ist die Saison bereits komplett gelaufen. Sie werden sich nicht mehr rechtzeitig erholen, um in den Playoffs noch einmal aufs Parkett zurückzukehren.
Der ständige Verletztenstand führt bereits seit Wochen dazu, dass die gesunden Spieler teilweise über ihre Belastungsgrenzen hinausgehen mussten. Ein gefährliches Spiel, schließlich können sich die Berliner keinesfalls erlauben, dass die Liste an Ausfällen während der Playoffs noch einmal länger wird. Wie schnell das gehen kann, zeigt Johannes Thiemann. Der Kapitän hatte sich gerade erst von einer Verletzung erholt, musste im Saison-Endspurt aber noch einmal richtig ran. Beim letzten Spiel gegen Crailsheim plagten ihn dann wieder Rückenprobleme und er musste pausieren.
Für Trainer Israel Gonzalez wird es also vor allem darum gehen, seine Spieler mit Bedacht einzusetzen. Leistungsträger wie Thiemann, Matt Thomas, oder Sterling Brown sollten keinesfalls bereits im Viertelfinale über ihr Limit hinaus gehen müssen. Und mit Louis Olinde wird es wohl zumindest noch ein wichtiger Rotationsspieler in den Playoffs von der Verletztenliste zurück aufs Parkett schaffen.
Dass Johannes Thiemann Albas Schlüsselspieler ist, dürfte jedem bekannt sein, der die Berliner in dieser Saison auch nur im Ansatz verfolgt hat. Der Power Forward hat seinem WM-Titel aus dem Vorsommer eine fantastische Saison folgen lassen, war mit großer Konstanz zeitweise Albas Lebensversicherung in schwierigen Saisonphasen.
Thiemann macht offensiv wie defensiv vieles sehr gut, vor allem aber macht er kaum Fehler. Thiemanns Souveränität ist – gepaart mit seiner Physis und seinen Qualitäten am Ring – ein wertvolles Gut, das in den noch intensiveren, noch kampfbetonteren Playoffs nur noch wertvoller wird.
Auch Martin Hermannsson dürfte für Alba noch wertvoller werden. Der im Saisonverlauf zurückgeholte Isländer ist verantwortlich dafür, dass Alba die Ausfälle der Aufbauspieler Spagnolo und Zamar zumindest halbwegs kompensiert bekommt. Hermannsson verleiht Albas Spiel Struktur und eine gewisse, durch Erfahrung verfestigte Sicherheit. Der 29-Jährige hat keine Angst davor, in wichtigen Momenten wichtige Würfe zu nehmen und verschafft auch seinen Mitspielern immer wieder gute Abschlüsse.
Rund fünf Assists pro Spiel stehen symbolisch für sein großes Spielverständnis. Ein Spielverständnis, das in einer Playoff-Serie, in der sich die Mannschaften über bis zu fünf Spiele perfekt aufeinander abstimmen können, mit den Ausschlag geben wird.
Bei all den Ausfällen hat die Saison aber auch gezeigt, dass Albas zweite Garde zumindest kurzzeitig sehr wohl in der Lage ist, die Lücken zu stopfen. Für Spieler wie Tim Schneider und Kresimir Nikic ergab sich daraus sogar die große Chance, sich zu beweisen und über sich hinauszuwachsen.
Sie beide hatten zuvor eigentlich keine große Rolle bei den Berlinern gespielt, doch bekamen durch die Ausfälle plötzlich Spielzeit und wussten diese zu nutzen. Beide machten große Schritte und entwickelten sich zeitweise zu Führungsspielern mit Bestwerten. Auch andere Rotationsspieler wie Jonas Mattisseck waren da, als sie gebraucht wurden.
In den intensiven Playoff-Serie können die Bankspieler noch einmal immens wichtig werden. Umso besser, dass sie bereits während der Hauptrunde so gefordert waren und im Rhythmus sind.
Der 2,21-Meter-Mann Khalifa Koumadje fiel in der Hauptrunde nicht nur wegen seiner Größe auf, sondern sorgte für einen skurrilen Negativrekord. Innerhalb von acht Wochen wurde der Center gleich drei Mal von der Liga gesperrt. Immer, weil er seine Emotionen im physischen Spiel unter dem Korb nicht unter Kontrolle hatte und sich zu unnötigen Tätlichkeiten hinreißen ließ.
Besonders Trainer Gonzalez dürfte sich darüber geärgert haben, denn gerade auf der Center-Position fehlt es ihm an Tiefe im Kader. Selbst mit Koumadje wurde das gelegentlich zum Problem. Denn der 27-Jährige sammelt immer wieder zu viele Fouls und muss auf der Bank platz nehmen. Außerdem ist er im Angriff limitiert, hat Schwächen mit dem Rücken zum Korb und von der Freiwurflinie. Hier wäre sicherlich ein alternativer Spielertyp immer mal wieder im Laufe der Saison wünschenswert gewesen.
Und gleichzeitig liegen auf Koumadje auch jede Menge Hoffnungen der Berliner. Denn er scheint aus seiner letzten Fünf-Spiele-Sperre gelernt zu haben. Seit seiner Rückkehr wirkt er entspannter und lässt sich nicht mehr so schnell vom physischen Spiel seiner Gegenspieler provozieren. Und so kann er dann seine eigentlichen Stärken zeigen: In Top-Form gehört er zu den besten Reboundern der Liga und ist ein Fels in der Defensive. Nur wenige können es körperlich mit ihm aufnehmen, was gerade gegen Top-Teams ein echter Gamechanger sein kann.
Die Frage wird also sein, welcher Khalifa Koumadje in den Playoffs zu sehen sein wird: Der aufbrausende Center mit Foulproblemen, oder der starke Verteidiger, der sich jeden Rebound schnappt.
In den vergangenen, von Titeln geprägten Jahren ist Alba stets als ein Teil eines großen Favoritenduos auf die Meisterschaft in die Playoffs gegangen. In diesem Jahr sind die Dinge anders. Schließlich nennt der FC Bayern einen der nominell besten Kader der Bundesliga-Geschichte sein eigen, während Albas Mannschaft durch Abgänge und Ausfälle ausgedünnt wurde. Und dennoch: Selbst in einer Saison mit nur fünf Siegen und viel Frust in der Euroleague beendeten die Berliner die BBL-Hauptrunde auf Rang zwei.
Im internationalen Schatten sind Albas Lichtblicke in der Bundesliga mitunter ein wenig untergegangen. Dabei gewannen die Berliner seit dem Jahreswechsel 19 ihrer 23 BBL-Partien, blieben zeitweise gar 13 Liga-Spiele in Serie ungeschlagen. Und an BBL-Standards gemessen, ist Albas Kader der Beste hinter dem der Bayern. So gewann Alba gegen jedes der sechs bereits feststehenden Playoff-Teams und auch die vier Anwärter aus den Play-Ins mindestens eins, oft beide Saisonspiele. Selbst den FC Bayern rang Alba zuletzt in einer von leidenschaftlichem Kampf geprägten Partie erfolgreich nieder.
Im Playoff-Viertelfinale warten nun zunächst die Telekom Baskets Bonn oder deren Play-In-Gegner aus Ludwigsburg auf Alba. Ein Wiedersehen mit dem FC Bayern würde es erst im Finale geben. Dessen Erreichen wird zwar weniger "selbstverständlich" als in vergangenen Jahren, muss aber weiterhin Albas Ziel sein. Und wie wäre es im Fall der Fälle mit einer erfolgreichen Serie gegen die Rivalen aus dem Süden? Sie erscheint aktuell zwar ungleich unwahrscheinlicher als zuletzt, ist aber gleichzeitig definitiv nicht ausgeschlossen.
Sendung: Der Tag, 14.05.2024, 18 Uhr
Beitrag von Lukas Witte und Jakob Lobach
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