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Quelle: imago images/Hardt

Hitze und Extremwetter-Ereignisse

Der Klimawandel wird zum Gesundheitsrisiko für Hobbysportler

"Klimawandel" klingt für einige noch nach einer abstrakten Gefahr, doch im Breitensport zeigt er sich längst konkret. Athleten wird bereits geraten, Vorsorge zu treffen. Immerhin gibt es da genug Möglichkeiten. Von Shea Westhoff

"Der Breitensport ist schon jetzt nicht mehr so ausführbar, wie wir es gewohnt waren", sagt Sven Schneider. Es ist ihm ernst - der Wissenschaftler von der Uni Mannheim forscht zu klimabedingten Gesundheitsrisiken im Sport und trainiert nebenbei selbst jugendliche Leichtathleten.

Im Klimawandel sieht der Universitätsprofessor kein düsteres Szenario, sondern eine reale Gefahr für die Gesundheit – insbesondere für Sportlerinnen und Sportler. Sie gehören laut der Weltgesundheitsorganisation WHO zu den vom Klimawandel besonders betroffenen Risikogruppen.

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"Sportler gehen bewusst ins Risiko"

Für die Athleten sei weniger relevant, dass es allgemein wärmer werde. "Sondern viel entscheidender ist die Zunahme von Hitzewellen, also Perioden von Temperaturen über 30 Grad", sagt Schneider. Im vergangenen Jahr gab es, gemittelt über die Fläche Deutschlands, elf Tage, an denen die Temperatur über 30 Grad kletterte. Was noch moderat ist gegenüber dem Jahr 2022, als es 17 heiße Tage gab. Laut den vom Umweltbundesamt vorgelegten Zahlen zeigt der Trend steil aufwärts: Nach Anzahl der heißen Tage wurden die zehn wärmsten Jahre alle seit 1994 gemessen.

Das macht den Athleten, die sich naturgemäß erhöhter Belastung aussetzen, besonders zu schaffen. Andere Risikogruppen wie zum Beispiel Schwangere, Kinder oder mehrfach erkrankte Menschen könnten sich bei Hitzewellen in kühlere Räume zurückziehen. "Die Sportler gehen hingegen bewusst ins Risiko", sagt Schneider.

Gefahr: Hitzschlag

Nicht nur für Jogger oder Fußballspieler, die unter freiem Himmel aktiv sind, auch für Indoor-Sportler, die sich in einer womöglich nicht klimatisierten Halle bei brütender Hitze verausgaben, bestehe die Gefahr des Hitzestresses: Bei hohen Temperaturen, gepaart mit hoher Luftfeuchtigkeit und Windstille steht der Organismus unter Extrembelastung und kann nur noch wenig oder gar keine Wärme mehr abgeben. Im schlimmsten Fall kulminiert das im sogenannten Hitzschlag. "Das ist ein akuter medizinischer Notfall mit einem sehr hohen Sterberisiko, die Mortalität liegt bei fast 50 Prozent", erklärt Schneider.

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Beachvolleyball-Turniere müssen unterbrochen werden

An einem 25-Grad-warmen Mittag im Mai sausen unter wolkenlosem Himmel die Volleybälle durch die Luft, elektronische Musik wabert aus den Boxen der Beachvolleyball-Anlage "Beach Mitte". Der Großteil der anwesenden Hobbysportler ist gut gelaunt und knackig sonnengebräunt. Sich in dieser lässigen Atmosphäre Gedanken über hitzebedingte Gesundheitsrisiken zu machen, wirkt hier erst mal so abwegig, wie in einer Raucherkneipe einen Vortrag über die Gefahren einer Zigarette zu halten. Denn Hitze, so scheint es, ist beim Beachvolleyball part of the deal.

Lucas Thiel, charismatisch, definierte Muskeln, Wuschel-Mähne, hat da allerdings auch anderes beizutragen. Der 23-Jährige leitet den 300 Mitglieder zählenden Verein "Hauptstadt Beacher". Außerdem organisiert er mit seinem eigenen Unternehmen Turniere sowie Beachvolleyball-Camps für Kinder und Jugendliche.

"Der Boden nimmt die Sonne extrem auf, der Sand bekommt eine enorme Hitze", sagt er. Für die Beachvolleyballer, die in der Regel barfuß spielen, könne das "extrem unangenehm werden". Oft seien Brandflecken die Folge. "Hinzu kommt, dass der Sand die Hitze auch ein Stück weit speichert und wieder abgibt. Das heißt, du hast von oben und von unten die Hitze." Die Temperaturen würden die Voraussetzungen der Sportart verändern: "Weil es weg von den technischen Fähigkeiten, hin zu den konditionellen Fähigkeiten geht", sagt Thiel. "Es gewinnt, wer die Sonne am besten aushält."

Er erinnert sich an ein Turnier im brandenburgischen Velten, das unterbrochen werden musste, weil es in der Hitze einfach "nicht mehr machbar" gewesen sei. Es gibt Temperaturen, da helfen auch die Kühl-Tricks der Volleyballer nicht mehr: etwa den Sand rasch noch umzupflügen, um die kältere Schicht nach oben zu fördern; die Felder zu bewässern; oder sich nasse Handtücher in den Schatten zu legen, die man sich in den Pausen überwirft. "Das ist auch als Turnierausrichter nicht einfach, weil du eigentlich einen Zeitplan hast. Dann verschiebt es sich alles, es wird dunkel, und du hast Soge, dass du das Turnier nicht zu Ende spielen kannst."

Nimmt die zunehmenden Hitzewellen wahr: Beachvolleyballer Lucas Thiel. (Foto: Shea Westhoff/ rbb) | Quelle: Shea Westhoff/ rbb

Bei den Volleyball-Camps für Kinder sei besondere Umsicht gefragt, sagt der Jungunternehmer. Denn ihnen fehle das Bewusstsein für die Gefahren. An Kopfbedeckungen, Sonnencreme und regelmäßige Trinkpausen im Schatten müsse man sie immer wieder erinnern. "Und etwa zwischen 12 und 14 Uhr legen wir immer eine Spielpause ein, damit die Kinder nicht den ganzen Tag der Sonne ausgesetzt sind", sagt Thiel.

LSB: Folgen des Temperaturanstiegs drastisch

Dass ganze Turniere wegen Hitze abgesagt werden mussten, davon hat David Kozlowski vom Landessportbund Berlin (LSB) zwar noch nicht gehört. "Aber ehrlich gesagt, das ist eine Frage der Zeit, bis es soweit ist", sagt er. Beim LSB kümmert er sich darum, die Sportinfrastruktur der Hauptstadt so weiterzuentwickeln, dass sie auch künftig gut nutzbar ist.

Für ein Land wie Deutschland, das nicht an mediterranes Klima gewöhnt ist, würden die Folgen des Temperaturanstiegs im Breiten- und Freizeitsport drastisch ausfallen, glaubt Kozlowski. Das betreffe zahlreiche Sportarten, insbesondere diejenige, die im Freien ausgeübt werden. So breche im Sommer die Nachfrage nach Tennisplätzen regelmäßig ein.

Nicht zu vergessen die Fußballmannschaften, die meist durchgehend der prallen Sonne ausgesetzt sind, weil die Felder in den seltensten Fällen im Schatten liegen. Was den Fußball angehe, sei dieser nicht nur von Hitze betroffen. Partien hätten verlegt werden müssen, sagt Kozlowski, weil bei Starkregenereignissen auf Kunstrasenplätzen das Granulat die Abflussrinnen verstopft habe.

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Gletscherwanderungen noch gefährlicher

Verstopfte Rinnen oder heißer Sand sind allerdings Verhältnisse, bei denen Bernd Schröder wohl nur die Stirn runzeln würde. Er ist Vorsitzender einer Berliner Sektion des Deutschen Alpenvereins (DAV), der in der Hauptstadt mit fast 25.000 Mitgliedern den drittgrößten Sportverein stellt. "Traditionsgemäß ist unser Hauptarbeitsgebiet nicht Berlin-Brandenburg, sondern die Alpen", sagt Schröder. Der dortige Gletscherrückgang hat für Bergsteiger und Gletscherwanderer hochgefährliche Auswirkungen.

So gilt es beim Wandern auf Gletschern seit jeher, nicht in klaffende Spaltenzonen zu treten. Diese Spalten waren üblicherweise gut kartografiert. Doch darauf sei mittlerweile nicht mehr hundertprozentig Verlass, so Schröder, weil sich "das Fließverhalten der Gletscher verändert" habe. "Spalten, die früher wegen des Fließdrucks winzig klein waren, allenfalls handbreit bis zu 30 oder 40 Zentimeter, wo man also mit einem Schritt drüber war, sind mittlerweile Gefahrenquellen geworden, in die man hineinfallen kann." Auch die Lawinengefahr habe sich zugespitzt. Erst im vergangenen Monat erfasste in den Ötztaler Alpen eine Gruppe von Skitourengehern eine Lawine auf dem Zustieg zur Alpenvereins-Hütte der Sektion Berlin. Dabei starben drei Menschen.

Bei einer mäßigen Warnstufe habe man vor einigen Jahren noch Skitouren durchführen können, jedenfalls wenn man sich im Gelände auskannte. "Das geht heute nicht mehr", sagt Schröder. Zu gefährlich.

Sechs Gefahrenquellen für Sportler

Schaut man sich die Wirkungen des Klimawandels auf Körper und Gesundheit an, werde in sechs Gruppen unterschieden, drei direkte und drei indirekte, sagt Forscher Sven Schneider: Dabei dürfte der Faktor Hitze hierzulande als maßgebliche Gruppe zu betrachten sein, gerade in Metropolregionen wie Berlin, wo Hitze durch den Asphalt zusätzlich gespeichert und nachts wieder abgegeben wird ("Heat-Island-Effekt").

Eine weitere direkte Wirkung seien Extremwetterereignisse wie plötzliche Gewitter oder Lawinenrisiken. Als Drittes nennt Schneider die Risiken durch UV-Strahlung, die durch den Klimawandel zunimmt und die Anzahl von Hautkrebserkrankungen ansteigen lässt.

"Dann gibt es Risiken, an die man zunächst vielleicht nicht denkt", so Schneider: inhalative Risiken, "also vermehrte Gefahren durch Feinstaub, Ozon und Allergene in der Atemluft"; Infektionsrisiken, etwa durch Zecken und Stechmücken; mentale Risiken, "zum Beispiel durch unmittelbare Wirkungen von Hitze auf das Stresserleben".

Da kommen einige Variablen zusammen, die die Sportausübung beeinträchtigen könnten. "Aber die Botschaft kann nicht sein, dass wir im Zuge des Klimawandels irgendwann auf unseren Sport verzichten, sondern wir müssen versuchen, dass der Klimawandel, den wir zunächst erstmal nicht mehr zurückdrehen können, uns nicht vom Sport abhält", sagt Schneider. Und dafür gebe es "intelligentes, präventives Verhalten".

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Athleten können mit den "drei Vs" vorsorgen

Was die Athleten selber tun können, sei beispielsweise die Einhaltung der sogenannten "drei V", vorhydrieren, vorcremen, vorkühlen: Bereits vor der Verausgabung genug trinken, sich im Vorfeld ausreichend mit Sonnenschutz eincremen, und "Vorkühlen" meint das lutschen von Eis oder das Trinken von sogenannten "Eis-Slushs", was im Profisport schon länger praktiziert werde. Auch mit Hilfe kühlender Westen oder Stirnbändern könne man bereits vor dem Wettkampf versuchen, den Körper soweit herunter zu kühlen, "dass man einen Puffer nach oben hat". In den Pausen helfen außerdem halte Handtücher, Wasserspray sowie das Kühlen des Nackens durch Coolpacks. Nach der Belastung solle man sich möglichst rasch herunterkühlen, etwas durch eine kalte Dusche oder einen klimatisierten Raum.

Die Aufgabe der Trainer, Verbände und Organisationen sei es, für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen, "um alle Athleten zu schützen", so Schneider. So gelte es zum Beispiel, Trainerbänke zu beschatten, Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen, wie Kappen oder Wasserspray, bis hin zur Veränderung der Regelwerke, wo notwendig.

Hürde: Schwerfällige Verwaltung

LSB-Mann Kozlowski sagt: "Wir befinden uns in einem guten Strategieprozess in Bezug auf die öffentliche Infrastruktur." Doch er spricht auch über eine "Schwerfälligkeit der Berliner Verwaltungen". Und von diesen sind die Vereine abhängig. Denn für 90 Prozent der Anlagen sei das Land Berlin direkt verantwortlich, sagt Kozlowski.

Immerhin: Erst im April habe es eine gemeinsame Strategiesitzung mit der Senatsverwaltung für Sport, Bildung und Stadtentwicklung gegeben. Kozlowski sagt, "Augen und Ohren" seien offen für das Thema.

Es geht ja auch nicht weniger als die Gesundheit sportbegeisterter Bürgerinnen und Bürger.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.06.2024, 12:15 Uhr

Beitrag von Shea Westhoff

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