Liveticker der Mitgliederversammlung
Die Mitglieder von Hertha BSC haben am Sonntag über die Zukunftsausrichtung des Klubs diskutiert. Der verstorbene Ex-Präsident Bernstein wurde gewürdigt und ein möglicher Nachfolger brachte sich in Position. Hier gibt's den Liveticker zum Nachlesen.
Die Mitgliederversammlung wird nach dem letzten Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" (es geht u.a. um den Preis für Dauerkarten und um die Parkplatzsituation vor dem Stadion) für beendet erklärt. Fabian Drescher bedankt sich für die "sachliche und faire Diskussion".
Bei der Aussprache zu den Berichten der Hertha BSC GmbH und Co. KGaA stellt ein Mitglied die Frage, warum die Klubführung bei der Mission Aufstieg nicht weiter auf Vereinsikone Pal Dardai vertraue.
"Wir halten uns daran, was wir abgemacht haben", antwortet Neuendorf. Hertha habe Wort gehalten, abgemacht sei ein Jahr Vertragslaufzeit gewesen. Nun sei jemand gefragt, der einen neuen Impuls setze. Neuendorf betont, dass Dardai dem Verein erhalten bleibe und jungen Spielern dabei helfen werde, den Sprung zu den Profis zu schaffen.
Ein anderes Vereinsmitglied nimmt wenig später ebenfalls Bezug zur Personalie Dardai: Es wäre "verstörend", wenn der neue Hertha-Trainer mit dessen vormaligem Klub in der Zweitliga-Tabelle hinter Hertha gelandet sei. Großer Applaus ist die Folge. Der mögliche Hintergrund dieses Einwands: Während der MV macht eine Meldung über eine vermeintliche Einigung mit Christian Fiel die Runde. Dieser trainierte in der Vorsaison den 1. FC Nürnberg. Die Franken stehen in der Abschlusstabelle drei Plätze hinter Hertha BSC.
Was für einen Transfer-Sommer können die Hertha-Fans erwarten? Benjamin Weber gibt Einblicke: "Wir haben eine gute, eine ehrgeizige Kabine." Doch einige Veränderungen stünden an, man sei in Arbeit. Die Vertragsverlängerung mit Jeremy Dudziak und der Zugang von Luca Schuler (aus Magdeburg) sei bereits beschlossen. Mit Rechtsverteidiger Julian Eitschberger habe man sich zudem auf eine Vertragsverlängerung bis 2027 geeinigt (war zuletzt an Halle verliehen). Unter Applaus wird eine Videobotschaft von Eitschberger eingeblendet: "Ich komme zurück und freue mich über die Vertragsverlängerung bei Hertha!", sagt er.
Herthas Direktor für den Lizenzbereich und die Akademie, Andreas "Zecke" Neuendorf, hat das Mikrofon und will seine Eindrücke von der Arbeit im Verein schildern. Er würdigt zunächst die Arbeit von Sportdirektor Benjamin Weber, der den Verein laut Neuendorf "24 Stunden am Tag lebt". Weber sei es zu verdanken, dass der Klub in der Kabine wieder Spieler habe, die sich ebenfalls mit Hertha BSC identifizieren könnten.
"Der Berliner Weg beinhaltet nicht einen Namen", sagt Neuendorf. Gemeint ist, dass Herthas Klubphilosophie nicht an der Personalie Pal Dardai hänge. Die Trennung vom Ungarn hatte bei einigen Fans Unverständnis ausgelöst. Neuendorf bittet um Vertrauen seitens der Mitglieder.
"Wir stehen für einen ehrlichen, geraden Weg", sagt Neuendorf und deutet auf Weber und Herrich, die neben ihm sitzen. "Aber mit euch gemeinsam", ergänzt er gerichtet an die Mitglieder. Wenn der eine oder andere das anders sehe, sei das nur "demokratisch". Der Berliner Weg sei, "ehrlich zu kommunizieren".
Herrich gibt zu, dass die Kommunikation über das Aus von Trainer Pal Dardai nicht gelungen sei. Zur Suche nach dem neuen Trainer sagt Sportdirektor Benjamin Weber, es sei "das zentrale Thema". Doch einen Namen präsentiert er nicht, man sei allerdings auf einem guten Weg. "Wir sind optimistisch, dass wir das zeitnah auf unseren Kanälen verkünden können."
Zum schlingernden Investor 777 Partners sagt Herrich: "Wir haben uns intern mit einer Gruppe zusammengefunden, um alle Szenarien vorzubereiten: Was passiert mit den Anteilen? Was passiert bei einer Pleite?" Doch er stellt klar, dass es bisher wie folgt gewesen sei: "777 hat alle Verpflichtungen vertragsgemäß erfüllt."
Geschäftsführer Thomas E. Herrich spricht zu den Mitgliedern. Die Ultra-Gruppierung "Harlekins" hatte in der Vorwoche seine Vertragsverlängerung um zwei Jahre kritisiert: Diese würde nicht dem Willen des zu Jahresbeginn verstorbenen Präsidenten Kay Bernstein entsprechen. Interimspräsident Drescher hatte ihn verteidigt und entgegnet, dass die Verlängerung noch unter der Führung Bernsteins beschlossen worden sei.
Durch die Zuschüsse von Investor 777 Partners sei es gelungen, "den Supergau zu verhindern", sagt Herrich ins Mikrofon. Noch vor einem Jahr hatte der Verein um die Lizenz für die zweite Liga bangen müssen.
Der "Turnaround" sei geschafft. Die Einnahmen deckten wieder die Ausgaben. Auch nach dem Tod Kay Bernsteins gelte es, seinen eingeschlagenen Weg "in aller Konsequenz weiterzugehen".
Herrich spricht die Reduzierung der Sach- und Personalkosten um über 70 Millionen Euro an. Doch er erwähnt auch fortwährende Herausforderungen. Es seien weniger Transfereinnahmen und weniger TV-Erlöse zu erwarten.
Im Bericht des dreiköpfigen Aufsichtsrates spricht dessen Vorsitzender Torsten-Jörn Klein zu den offiziell anwesenden 1.688 Mitgliedern. Er erklärt unter anderem den Bewerbungsprozess für die im November anstehende Präsidentschaftswahl: Bis zum 15. August 2024 (23:59 Uhr) müssten alle erforderlichen Unterlagen beim Aufsichtsrat eingegangen sein. Dieser werde danach mit jedem Kandidaten Eignungsgespräche führen. Dann erst erfolge die mögliche Zulassung.
Fabian Drescher schwört die Mitglieder auf den Berliner Weg ein. Dieser sei "Inbegriff für einen Kulturwandel bei Hertha BSC, hin zu mehr Nahbarkeit, Demut, Geschlossenheit" und den Aufbau eines erfolgreichen Fußballklubs. "Der Berliner Weg ist unser aller Auftrag", sagt er. Die Mannschaft habe in dieser Saison bewiesen, dass sie um die Bedeutung des Berliner Weges wisse.
"Wir bauen keine Luftschlösser, es wird keinen Größenwahn geben". Trotzdem: "Wir wollen besser werden, wir wollen erfolgreich sein. Nicht um jeden Preis. Aber wir wollen ans Maximum dessen, was möglich ist." Die Ausbildung eigener Talente sei die nachhaltigste Form, darauf wolle man im Verein weiterhin den Fokus setzen. Auch eine ökologische Nachhaltigkeit sowie eine gesellschaftliche Verantwortung sei Teil der Philosophie.
Drescher fasst den Berliner Weg in sechs Punkte zusammen: Demut, Nahbarkeit, Nachhaltigkeit, Kernkompetenz Sport, Wirtschaftlichkeit und Professionalität.
Außerdem gibt Drescher seine Präsidentschaftskandidatur bekannt: "Ich werde im Sinne des Berliner Weges bei den Wahlen im Herbst antreten".
Fabian Drescher, der als kommissarischer Präsident amtiert, betont am Rednerpult, dass er die Vision des Berliner Weges weiterverfolgen wolle. "Ich kann Kay nicht ersetzen, aber ich werde den Weg, den Kay eingeschlagen hat, weiterführen."
Im Rahmen seines Präsidiumsberichts erklärt er auch, warum eine erneute Wahl des Präsidenten nicht am heutigen Tage stattfindet, sondern erst im November 2024. Es gehe darum, dass die Wahl in einem beruhigten und stabilen Umfeld stattfinde. "Wir geben potenziellen Kandidaten genug Zeit, um ihr Programm vorzubereiten."
Drescher spricht auch über die Geschäftsführung, die an der Spitze mit Ralf Huschen verstärkt werde. "Er wäre heute sehr gerne hier gewesen", aber sei noch bei einem anderen Verein angestellt, sagt Drescher mit einem Schmunzeln. Huschen kommt vom SC Paderborn.
In Bezug auf die Klub-Kommunikation betont er, dass die relevanten Informationen zunächst mit "euch", den Mitgliedern, geteilt werden sollten - was in der Vergangenheit und insbesondere bei der Trennung von Pal Dardai nicht immer der Fall war. "Diese Durchstecherei vertraulicher Informationen an die Presse, die kotzt mich persönlich brutal an", sagt er.
Wie üblich würdigen die Mitglieder auch diesmal alle seit der vergangenen MV verstorbenen Mitglieder. Auf der großen Leinwand werden alle Namen der betroffenen Herthaner eingeblendet - darunter auch der des einstigen Präsidenten Kay Bernstein, der zu Jahresbeginn plötzlich verstarb.
"Sein Tod hinterlässt eine große Lücke in der Hertha-Familie", sagt Interimspräsident Fabian Drescher in einer folgenden Ansprache. "Kay liebte und lebte unseren Verein." Er habe Spuren hinterlassen, wie es andere Präsidenten "in mehreren Amtszeiten nicht geschafft haben". Unter Applaus ernennt Drescher den einstigen Präsidenten zum "Herthaner des Jahres 2024". Entgegengenommen wird die Ehrung von Kay Bernsteins Mutter sowie seiner Ehefrau.
Der Beginn der Mitgliederversammlung sorgt für gute Laune und stehende Ovationen im Veranstaltungssaal: Eine Grußbotschaft des ehemaligen Trainers Pal Dardai wird eingeblendet, der sich gerade im Urlaub befindet: "Nach dem Urlaub kann ich beim Wiederaufstieg helfen", sagt er. "Danke für alles." Seine genaue Funktion ab der kommenden Saison ist noch unklar, er soll dem Klub nach seinem Abdanken als Cheftrainer aber erhalten bleiben.
Interimspräsident Fabian Drescher begrüßt die anwesenden Mitglieder und fasst seine Erwartungen an die Mitgliederversammlung in Worte: "Ich hoffe, dass wir heute offen und ehrlich ins Gespräch kommen können."
Die Event-Halle im auf dem Berliner Messegelände füllt sich derweil. Außer Stellungnahmen zu vereinspolitischen Herausforderungen erwarten einige Mitglieder auch Antworten auf die Trainerfrage: Pal Dardai und der Verein hatten für das Ende der Saison ihre Trennung bekannt gegeben. Der Zweitligist beendete die Spielzeit auf dem neunten Platz und blieb damit hinter den Erwartungen zurück. Wer auf die Vereinsikone Dardai folgen soll, ist noch offen.
Herzlich Willkommen zum Liveticker der Mitgliederversammlung von Hertha BSC. Start der Veranstaltung im City Cube der Messe Berlin ist um 11 Uhr.
Das Zusammentreffen der Vereinsmitglieder bietet gehörigen Zündstoff. Der maßgeblich vom verstorbenen Ex-Präsidenten Kay Bernstein geprägte "Berliner Weg" wurde zu Beginn von 2023 als neue Leitlinie im Verein implementiert. Hinter diesem Weg konnten sich die allermeisten bei der "alten Dame" versammeln - doch im Mai 2024 steht er so sehr zur Debatte wie nie zuvor.
Mit Investor 777 Partners, der derzeitigen Vereinsführung und der aktiven Fanszene um die Ultra-Gruppe "Harlekins Berlin 98" gibt es verschiedene Parteien, die unterschiedlicher Ansicht über die Zukunftsausrichtung des Klubs sind. Die "Harlekins" kritisierten zuletzt in einem offenen Brief den ohnehin ungeliebten Investor, der wirtschaftlich in dramatische Schieflage geraten sein soll, deutlich. Doch auch die Vereinsführung gefährde den von Bernstein eingeschlagenen Weg.
Auf der Mitgliederversammlung werden keine großen Entscheidungen getroffen und auch keine Gremienwahlen stattfinden - und doch umgibt sie eine große Brisanz.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.05.24, 11 Uhr
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