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Quelle: IMAGO / Beautiful Sports

Fußball-Zweitligist Hertha BSC

Wohin führt der "Berliner Weg" - und wer geht ihn weiter mit?

Vor genau einem Jahr stieg Hertha BSC zum siebten Mal in die 2. Bundesliga ab. Nun kann und muss der Verein für die zweite Spielzeit im Unterhaus planen. Eine sportliche Bestandsaufnahme, die mehr Fragen aufwirft als Antworten parat hält. Von Anton Fahl

Elf Wochen müsst ihr haben. Und elf Wochen hat Zweitligist Hertha BSC nun Zeit, um das neue Fußballjahr vorzubereiten. Nach der Saison ist vor der Saison.

Elf Wochen, bis der Ball am ersten August-Wochenende in der 2. Bundesliga schon wieder rollt. Elf Wochen, um wegweisende und sich nun aufdrängende Fragen zu beantworten, möglichst schnell einen neuen Cheftrainer zu finden und vor allem, einen Kader zusammenzustellen, der in der kommenden Saison um den Aufstieg in die 1. Bundesliga mitspielen kann.

Den Verantwortlichen um Sportdirektor Benjamin Weber und Andreas "Zecke" Neuendorf, Direktor Akademie und Lizenzspielerbereich, steht erneut ein arbeitsintensiver Sommer bevor.

Haben einen weiteren arbeitsintensiven Sommer vor sich: Andreas "Zecke" Neuendorf (li.) und Benjamin Weber aus Herthas sportlicher Führung. | Quelle: IMAGO / Contrast

Das Jahr nach dem Übergangsjahr

Inzwischen machte auch der Hauptstadtklub offiziell, was längst ein offenes Geheimnis war und von einer der beiden Vertragsparteien auch schon verkündet wurde: Hertha BSC lässt den Kontrakt seines Cheftrainers Pal Dardai auslaufen. Gleichermaßen endet nun auch das "Übergangsjahr", von dem zumindest Dardai immer wieder sprach.

Überhaupt war der Ungar – die Vereinslegende – die einzige Person in sportlicher Verantwortung, die vor und während der nun abgelaufenen Saison offen über klare Zielsetzungen gesprochen hat. Nach dem großen Umbruch und dem Bangen um die Lizenz im Vorjahr wollte Dardai die neu formierte Hertha-Mannschaft stabilisieren, eine Achse aufbauen und in Stellung bringen, um in Zukunft – sprich: ab der nun bevorstehenden Saison – ernsthaft um den Aufstieg mitspielen zu können.

Dabei setzte er explizit auf eine Vielzahl an hochveranlagten, im Profifußball aber noch unerfahrenen Spielern aus der eigenen Akademie. Ganz im Sinne des "Berliner Wegs", der von Vereinspräsident Kay Bernstein ausgerufen und mit Leben gefüllt wurde, bevor er im Januar überraschend starb.

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Sicher gibt es gute Gründe dafür, mit einem neuen Trainer in die neue Spielzeit zu gehen. Saisonziele verfehlt zu haben, kann man Dardai aber nicht vorwerfen. Die von ihm formulierten erreichte er.

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Der "Berliner Weg" trägt erste Früchte

Tjark Ernst (21 Jahre alt) machte in seiner ersten Saison als Stammkeeper im Profifußball eine souveräne Figur – schlechtes Torwartspiel ging den wenigsten der 48 Liga-Gegentore, bei denen er zwischen den Pfosten stand, voraus.

Ibrahim Maza (18), Pascal Klemens (19) und Linus Gechter (20) haben nachhaltig überzeugt – und könnten in Zukunft zu Leistungsträgern im blau-weißen Trikot heranreifen, sofern sie vom Verein gehalten werden können. Marten Winkler (21) erhielt auf der rechten, offensiven Außenbahn viel Spielzeit und sammelte in 30 Liga-Einsätzen zehn Scorerpunkte (fünf Tore, fünf Vorlagen).

Und nicht zuletzt hat sich Marton Dardai (22) mit seinen Leistungen für die ungarische A-Nationalmannschaft empfohlen, zu dessen Aufgebot der flexible Defensivspieler bei der bevorstehenden Europameisterschaft in Deutschland zählen wird.

Die Abhängigkeit von Reese und Tabakovic ist alarmierend

Trotz der Niederlage bei Absteiger VfL Osnabrück schloss Hertha die Saison zumindest noch in der oberen Tabellenhälfte – auf dem neunten Platz – ab. Mit 69 erzielten Treffern stellten die Berliner sogar die zweitgefährlichste Offensive der Liga. Nur Fortuna Düsseldorf netzte noch häufiger (72 Mal) und darf in der Relegation gegen den VfL Bochum um den Aufstieg in die Bundesliga spielen.

Am oftmals mitreißenden Offensivfußball der Herthaner hatten zwei Neuzugänge besonders großen Anteil: Haris Tabakovic (29), der acht Assists gab, 22 Treffer erzielte und letztlich einer von drei Torschützenkönigen der 2. Bundesliga wurde. Und Fabian Reese (26), der auf der linken Außenbahn zu Herthas absolutem Unterschiedsspieler avancierte, allein in der Liga 18 Tore vorbereitete und neun weitere selbst erzielte. Summa summarum: 57 Scorerpunkte.

Die überragende Ausbeute dieser beiden Akteure ist Mutmacher und Warnung zugleich. Bekennen sich beide von ihnen zu Hertha BSC und dem "Berliner Weg", dürften Stadionbesuche bei den Hauptstädtern auch im kommenden Jahr wieder jeden Cent wert sein.

In dem Fall, dass einer von beiden – oder beide – den Verein im Sommer verlassen sollten, stellt sich allerdings die große Frage, wer die dadurch wegfallenden Treffer – und Punkte – ausgleichen soll. Es scheint nicht vermessen zu sein, die Berliner Abhängigkeit von Reese und Tabakovic als alarmierend zu bezeichnen.

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Der Kader weist Defizite auf

Während zwei Neuzugänge also besonders glänzten, gehört in gleichem Maße zu Herthas Realität, dass sich mehrere Neuzugänge entweder als Fehlgriffe entpuppten oder zumindest deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben.

Der griechische Nationalspieler Andreas Bouchalakis (31) war eher Unsicherheitsfaktor als Stabilisator im zentralen Mittelfeld. Bilal Hussein (24) kam nur zwei Mal von Beginn an zum Zug (15 Joker-Einsätze). Angreifer Smail Prevljak (29) sammelte all seine sechs Scorerpunkte (vier Tore, zwei Assists) zwischen dem 4. und 10. Spieltag und war in der Rückrunde nahezu komplett außen vor (ein Startelf-, fünf Kurzeinsätze). Jeremy Dudziak (28) ließ – besonders im ersten Viertel der Saison – immer wieder seine Qualitäten auf der linken Schiene und im Zentrum aufblitzen, ehe ihn eine langwierige Fußverletzung außer Gefecht setzte und er erst wieder Spielminuten sammeln konnte, als die Saison für Hertha de facto bereits gelaufen war.

Großbaustelle: Zentrum

Wusste Hertha offensiv regelmäßig zu begeistern, sorgten die mannschaftlichen Defensivleistungen in ebenso großer Zuverlässigkeit für Ratlosigkeit. Balance im Berliner Spiel? Fehlanzeige. Folgerichtig stellte Hertha also nicht nur einen der gefährlichsten Angriffe, sondern auch eine der anfälligsten Defensiven. 59 Gegentore kassierte die Mannschaft von Pal Dardai – und damit deutlich mehr als alle anderen Teams in der oberen Tabellenhälfte. Besonders frappierend: die Anzahl an individuellen Fehlern, die Gegentore nach sich zogen.

"Dieses Jahr fehlte uns einiges in einigen Bereichen, um wirklich oben konstant mitzuspielen. Die Wahrheit ist am Ende, dass wir nie oben waren. Wir hatten öfter die Chance, oben anzuklopfen, und haben es nicht geschafft", bilanzierte Reese bereits nach dem Sieg gegen den 1. FC Kaiserslautern im letzten Heimspiel der Saison. "Deshalb stehen wir zu Recht da, wo wir stehen. Wir haben einige spektakuläre Spiele gezeigt, gerade was die Offensive angeht, aber haben auch gezeigt, dass wir in der Defensive anfällig sind und zu viele Tore kassiert haben."

Eine Großbaustelle, die trotz der vermeintlichen Verstärkungen im Sommer nicht geschlossen werden konnte: das zentrale Mittelfeld. Ein stabilisierendes – und spielfreudiges – Bindeglied zwischen Abwehr und Angriff wurde in dieser Saison erfolglos gesucht.

Im Hinblick auf die neue Spielzeit können zumindest zwei Hoffnungsträger bereits ausgemacht werden: der erfahrene Diego Demme (32, SSC Neapel), der sich in diesem Sommer womöglich wirklich der Alten Dame anschließen wird, in der abgelaufenen Saison allerdings nur drei Mal in Italien zum Einsatz kam. Und der junge Bradley Ibrahim (19), den Hertha im Winter aus der Akademie des Arsenal FC verpflichtete – als Vorgriff auf den Sommer – und der von Coach Dardai schon mehrfach in den höchsten Tönen gelobt, aber noch nicht eingesetzt wurde.

Neue Berliner Geschlossenheit: Mannschaft und Ostkurve von Hertha BSC. | Quelle: IMAGO / Matthias Koch

Fans als Faustpfand

Bei all der Ungewissheit und den vielen Fragen, die die Verantwortlichen auch in diesem Sommer wieder zu beantworten haben, hat Hertha BSC einen großen Faustpfand sicher: seine Fans und Mitglieder. Nach wie vor umgibt den Verein im Großen und Ganzen eine schon verloren geglaubte Ruhe und Geschlossenheit. Den neuerlichen Wirren um Investor 777 Partners zum Trotz.

Die Geduld und Nachsicht der Fans ist in Herthas jüngerer Vereinsgeschichte beispiellos und überaus bemerkenswert. Nach Gelsenkirchen und dem Hamburger SV stellten die Berliner im Olympiastadion den dritthöchsten Zuschauerschnitt aller Zweitligisten (50.898). Ein Wert, der nur knapp unter Herthas Zuschauerrekord aus der Vorsaison in der Bundesliga liegt, als im Durchschnitt 53.652 Menschen nach Westend pilgerten.

Allein: Das wenig romantische Fußball-Geschäft hat keine Zeit für Geduld. Wie sich nun auch wieder in Herthas Trainer-Entscheidung offenbarte.

Beitrag von Anton Fahl

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