Der Altmarkt als Party-Pilgerstätte
In Berlin machte der FC Energie am Sonntag den Aufstieg in die 3. Liga perfekt. Zurück in Cottbus folgte eine wilde Party auf dem Altmarkt – inklusive Polonaise, vielen Bengalos und einem putzenden Oberbürgermeister. Von Jakob Lobach
Im roten Trainingsshirt und mit dem Logo von Energie Cottbus auf der Brust steht Tobias Schick am Montagmorgen auf dem steinigen Boden des Altmarkts. Noch etwas zögerlich bekommt der Cottbuser Oberbürgermeister einen kleinen Besen und eine Mülltüte in die Hand gedrückt, dann macht auch er sich an die Arbeit. Der Auftrag: Die Überreste einer fulminanten, bis tief in die Nacht gefeierten Party zu beseitigen.
Angeführt von Stürmer Maximilian Krauß hatten sich die Fußballer von Energie am Sonntagabend ihren Weg auf den brechend vollen Altmarkt gebahnt. Dort, wo am Montagmorgen wieder Ruhe eingekehrt war, mussten sich Krauß und seine Kollegen in einer Polonaise-artigen Schlange fortbewegen, um einander nicht zu verlieren. Unzählige euphorische Fans, laute Gesänge sowie der Nebel von Bengalos und anderem Feuerwerk waren der Grund hierfür. Sie waren Ausdrucks eines Gefühls, das auch Bürgermeister Schick am Montagmorgen die Aufräumarbeiten erleichterte: "Wir sind endlich wieder in der dritten Liga. Das ist einfach geil", sagte er und ergänzte: "Für die Fans, für den Verein, für alle, die da mitwirken, ist das eine Riesenerleichterung."
Tatsächlich war es eine Mischung aus besagter Erleichterung und noch mehr, die das Cottbuser Spektakel am Pfingstwochenende prägte. Als Erstes aber herrschte pure Freude, deren Startschuss der Schlusspfiff im Berliner Jahnsportpark am Sonntagnachmittag war. Der besiegelte schließlich nicht nur Energies 2:0-Sieg bei Hertha BSC II, sondern auch den so lang herbeigesehnten Aufstieg in die 3. Liga und die Rückkehr in den Profifußball. Rund 8.000 mitgereiste Cottbus-Fans hatten in Berlin neben dem gesperrten Trainer Claus-Dieter Wollitz auf der Tribüne gesessen – und sich dann durch nichts mehr auf ihren Sitzen halten lassen. Die Cottbuser Party nahm auf dem Berliner Rasen ihren Lauf.
Im Mannschaftsbus, den die Cottbuser Spieler zwischenzeitlich in einen Zug ohne Bremsen auf dem Weg ins süße Carolina verwandelten, nahm sie schließlich zusätzliche Fahrt auf. So wie auch auf dem Rastplatz, wo sich das Team und ein Teil seiner Fans begegneten. Ihren Höhepunkt aber fand die Meisterfeier eben auf dem Altmarkt. Dort, wo Jonas Hofmann in eine Energie-Fahne gehüllt neben dem selbst-getauften "Party-Kapitän" Phil Halbauer stand, und nicht als einziger endgültig realisiert haben dürfte, was Energies Aufstieg den Menschen in Cottbus wirklich bedeutet.
"Das bedeutet mir alles, ist unbeschreiblich", erklärte Energie-Fan Malte Ben Schultz am Sonntagabend. Neben ihm stehend und mit dem Schein eines roten Bengalos auf seinem Gesicht ergänzte Ronny Flach: "Wir haben lange darauf gewartet, haben gezittert und die Daumen gedrückt. Der Aufstieg war überfällig." Ein Satz, der die Partystimmung in Cottbus ziemlich gut umreißt. Die Energie-Fans feierten den erhofften, definitiv anvisierten und vielleicht sogar irgendwie erwarteten Aufstieg ihrer Mannschaft so, wie andernorts Aufstiege mit mehr Sensationscharakter gefeiert werden. Ein Beleg für die immer wieder von sportlichem Leid geprägte Drittliga-Sehnsucht jüngerer Jahre.
So gab es am Sonntagabend auch Fans, die ihre Euphorie und Glücksgefühle mit denen aus noch besseren Cottbuser Fußballtagen gleichsetzten. "Damals, als wir in die zweite und dann die erste Liga aufgestiegen sind", sei die Stimmung in der Stadt ähnliche gewesen, erklärte eine Frau, deren Name in "Nie mehr vierte Liga"-Gesängen unterging. "Aber diesmal ist es doch anders", ergänzte sie, "der Zusammenhalt und das, was die Fans hier auf die Beine stellen, sind total genial. Das macht richtig Laune."
Und so wurde auch die Feierlaune der Energie-Akteure durch das Treiben auf der Altmärkter Party-Pilgerstädte nur zusätzlich befeuert. Nahezu durchweg grinsend standen sie in der mal mehr, mal weniger vernebelten Dämmerung des Cottbuser Abends. Und selbst, als sie sich eigentlich schon für eine Feier im etwas kleineren Kreis zurückgezogen hatten, kehrten sie zwischenzeitlich zu ihren Fans zurück. Dabei mittendrin: Aufstiegstrainer Wollitz, der bereits kurz nach dem Spiel gesagt hatte: "Ich bin ganz ehrlich: Eine weitere Saison in der Regionalliga hätte ich vermutlich nicht durchgehalten."
Umso besser aus Energie-Sicht, dass diese weitere Regionalliga-Saison dem Verein, seinen Fans und auch der Stadt Cottbus erst einmal erspart bleibt. Auch, aber lange nicht nur im Fall von Oberbürgermeister Tobias Schick paart sich Erleichterung hierüber mit großer Vorfreude auf das, was nun stattdessen in der 3. Liga wartet. "Eine Mannschaft in einer der Profiligen zu haben, ist beste Werbung für unsere Stadt", sagte Schick am Montagmorgen und ergänzte: "Natürlich freuen wir uns auf die Derbys gegen Rostock, Dresden und Aue."
Es sind Drittligaspiele, auf die man bei Energie Cottbus die vergangenen fünf Regionalliga-Jahre gewartet hat. Es sind Spiele, anlässlich derer auch auf dem Altmarkt wohl wieder einiges los sein wird. Die Party in der Nacht von Sonntag auf Montag dürfte in Cottbus dennoch vorerst eine Weile unübertroffen bleiben.
Filmtipp: Das rbb Fernsehen zeigt zum Aufstieg des FC Energie Cottbus am Dienstag um 20:15 Uhr eine aktualisierte Fassung der Dokumentation "Unter Strom". Sie begleitet Mannschaft und Trainer ungefiltert aus nächster Nähe auf dem Weg in die dritte Liga. Auf dem Platz, in der Kabine und privat.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 20.05.2024, 19:30 Uhr
Beitrag von Jakob Lobach
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