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Audio: rbb24 Inforadio | 15.05.2024 | Marcel Fehr | Quelle: picture alliance/dpa/S.Stache)

Homosexualität im Fußball

Gruppen-Coming-out für Freitag angekündigt

Die Kampagne "Sports Free" hat für Freitag ein Gruppen-Coming-out homosexueller Fußballer geplant. In der LGBTIQ+-Community löst das gemischte Gefühle aus. Die Idee sei gut, baue Hürden für schwule Profis aber kaum ab. Von Jakob Lobach

Das Datum war bewusst gewählt und könnte dementsprechend besser nicht passen: Der kommende Freitag, 17. Mai, ist der Internationale Tag gegen Homophobie sowie Bi-, Inter- und Transphobie. Er soll den Anlass für ein Gruppen-Coming-out im Profi-Fußball bieten.

Zehn Jahre, nachdem Thomas Hitzlsperger als erster deutscher Fußballprofi seine Homosexualität öffentlich gemacht hat, will die Kampagne "Sports Free" anderen Fußballern den gleichen Schritt auf diesem Wege erleichtern. Inwiefern, in welchem Ausmaß und von wem dieses Angebot am Freitag tatsächlich genutzt werden wird, ist dabei aktuell noch völlig unklar.

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Urban: Große Vorsicht auf Spielerseite

Hintergrund dieses Mysteriums sind die gleichen Gründe, die homosexuellen Profis ein Coming-out seit jeher denkbar schwer machen. So berichtet auch Marcus Urban, ehemaliger Jugendnationalspieler und Initiator des geplanten Gruppen-Coming-outs, jüngst von einer großen Vorsicht auf Spielerseite. Er dämpft gar die öffentlich zusehends gewachsenen Erwartungen an den 17. Mai.

Ganz allgemein wird die Aktion von anderen Akteuren der LGBTIQ+-Community mindestens mit gemischten Gefühlen betrachtet. Einerseits schaffe die Kampagne – besonders wegen ihres Gruppencharakters – einen neuen Rahmen für Fußballer, die nach einem Weg zu ihrem Coming-out suchen. Andererseits ändere auch sie wenig bis gar nichts an den Strukturen und Gründen, die dazu führen, dass sich bislang so wenige Fußball-Profis trauten, diesen Schritt zu gehen.

"Angst im Stich gelassen zu werden"

Über besagte Gründe dafür, dass Fußballer, allen voran solche im Profibereich, ihre Homosexualität nur höchst selten öffentlich machen, wurde in den vergangenen Jahren viel geschrieben und diskutiert. "Offensichtlich haben sie Angst, im Stich gelassen zu werden", sagt Marcus Urban, "von den Mitspielern, von den Vereinen, vielleicht auch von den Sponsoren".

Hinzu kommt, dass auch die homofeindliche Diskriminierung in den Fan-Szenen und auf den Tribünen der Stadien in den vergangenen Jahren zwar abgenommen hat, aber weiterhin klar ein Thema ist. "Es gibt Mechanismen, die verhindern, dass Spieler zu sich selbst stehen können", fasst Urban zusammen und ergänzt: "Dieser Zustand ist nicht tragbar und muss beendet werden."

So weit, so klar. Auch die Idee eines organisierten Coming-outs in der Gruppe statt als einzelner klingt logisch, stößt an vielen Stellen in der LGBTIQ+-Community an sich auch auf Zustimmung – unter anderem bei Alice Drouin. Beim Lesben- und Schwulenverband Berlin- Brandenburg (LSVD) ist sie hauptverantwortlich für den Bereich Sport.

Der spiele im LSVD Berlin-Brandenburg bereits seit rund 20 Jahren eine wichtige Rolle, sagt Drouin. "Wir wollen dabei helfen, den Sport queer-freundlicher aufzustellen, und können dabei auch das sagen, was andere nicht sagen können oder wollen." So wird es bei der Europameisterschaft im Sommer etwa ein vom LSVD organisiertes "Pride House" im Berliner Poststadion geben, einen "Anlaufpunkt für queere Menschen und deren Verbündete".

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Gemischte Gefühle zum geplanten Gruppen-Coming-out

Aber zurück zum geplanten Gruppen-Coming-out am Freitag: In den vergangenen Jahren wurde gespannt, sehr erwartungsvoll und auf eine sicherlich oft kontraproduktive Art und Weise auf den "ersten echten schwulen Fußball-Profi" gewartet. Thomas Hitzlsperger sei dies schließlich nicht, weil er seine Karriere zum Zeitpunkt seines Coming-outs ja bereits beendet hatte – so zumindest der nicht nur aus Alice Drouins Sicht sehr kritikwürdige Konsens in Öffentlichkeit und Medien.

Die Kampagne von Marcus Urban hat laut Drouin nun das Potenzial, diese zweifelsfrei schwere Last auf mehrere Schultern zu verteilen. "Statt einem Einzigen würde die Gruppe an sich in den Fokus rücken", sagt Drouin. Generell unterstütze sie es, "wenn Menschen mit eigener Lebenserfahrung für sich sprechen", sagt sie.

Das dürften am Freitag – Profis hin oder her – definitiv einige Menschen aus dem Fußball tun. Sie werden einen Dialog zum Thema Homosexualität auch im Profi-Fußball bereichern, der weiterhin allen voran von Menschen mit einer anderen Lebensrealität geführt wird.

Den ersten Schritt medienwirksam vor dem zweiten gemacht

An besagtem Dialog kritisieren Institutionen wie der LSVD Berlin-Brandenburg oder die "Kompetenzgruppe für Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit" (Kofas) allen voran dreierlei: Erstens das Abwerten bereits geouteter Profi-Fußballer wie des Tschechen Jakub Jankto oder des Engländer Jake Daniels. Zweitens das oft gezeichnete Bild des schon jetzt inklusiven und für alle offenen Sports. Und drittens das Abwälzen der Hauptverantwortung für Homofeindlichkeit und -phobie auf Einzelne und die Fans.

"Dabei muss der Impuls zur Veränderung ganz klar von den Verbänden, den Vereinen und deren Strukturen ausgehen", sagt Alice Drouin.

Womit wir beim ersten Kritikpunkt mit Blick auf die "Sports Free"-Kampagne sind. Schließlich stellt die einmal mehr die homosexuellen Profis selbst in den Vordergrund und lädt ihnen eine Art Bringschuld auf. Es scheint gut vorstellbar, dass der Fokus in erster Linie auf dem angeblich fehlenden Mut der Profis und nicht auf besagten Strukturen liegen wird, sollte sich am Freitag kein Profi für ein Coming-out entscheiden.

Hinzu kommt, dass die Kampagne eine Art Alleingang von Marcus Urban und seinem Team ist. Verschiedene Institutionen, wie auch der LSVD, hätten sich einen Austausch, das Bündeln von Kräften und Kontakten für die Kampagne gewünscht.

In diesem Zuge ebenfalls Teil der Kritik: Die Tatsache, dass im ersten Schritt medienwirksam der Termin für das Gruppen-Coming-out kommuniziert wurde, ehe im erst zweiten Schritt – möglicherweise vergeblich – nach Profis gesucht wurde, die an diesem teilnehmen wollen.

Ein Banner des Fanklubs 'Hertha Junxx' im Berliner Olympiastadion. | Bild: IMAGO/Matthias Koch | Quelle: IMAGO/Matthias Koch

Präventive Arbeit und Solidarität

Unabhängig davon, ob und wie viele Profi-Fußballer am Freitag ihre Homosexualität öffentlich machen, werden die strukturellen Herausforderungen, die ihnen und anderen Fußballern gegenüberstehen, bleiben. Die mitunter diskriminierende Sprache in den Kabinen von Jugendteams, das Gleichsetzen vom Schwulsein mit Schwäche, vorm Coming-out warnende Berater, wenig divers geführte Verbände, beleidigende Banner in ausgewählten Fankurven – man könnte die Liste noch lange weiterführen.

Alice Drouin wünscht sich deshalb unter anderem "ernsthafte und präventive Arbeit in den Vereinen und Verbänden", dazu mehr sportliche Anlaufstellen für queere Menschen und nicht zuletzt "mehr Solidarität und eine klare Positionierung von Mitspielenden, Trainerinnen und Trainern sowie Fans".

Insbesondere Letzteres wünscht sich auch Annika vom Fanklub Hertha-Junxx. Seit 2019 ist sie Mitglied im einst ersten schwul-lesbischen Fanklub Deutschlands. Den Fußball und besonders das Stadion bezeichnet sie als "Brennglas der Gesellschaft". In der sei in vergangenen Jahren für queere Menschen vieles besser geworden, aber eben noch lange, lange nicht alles gut.

Dabei liege es an jedem und jeder Einzelnen, dies zu ändern, sagt sie weiter. "Auch im Stadion sind wir verantwortlich für die Stimmung. Es ist an uns, die Stimme zu erheben, wenn da queer-feindliche Sprüche kommen."

Schließlich träfen die nicht nur die Spieler oder Schiedsrichter auf dem Feld, "sondern vor allem die Menschen drumherum, die dadurch vielleicht auf ihrem Weg zum Coming-out zurückgeworfen werden." Ganz egal, ob diese Menschen Profi-Fußballer sind, Amateur-Kicker oder weder das eine noch das andere.

Sendung: rbb24 Inforadio, 17.05.2024, 14:15 Uhr

Beitrag von Jakob Lobach

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