Interview | Alba-Profi Henriette Höfermann
Bei den Basketballerinnen von Alba Berlin ist die Euphorie auch am Tag nach dem historischen Titelgewinn groß. Defensivspezialistin Henriette Höfermann spricht über den Spaß am Verteidigen, die Entwicklung im Eiltempo - und eine besondere Humba.
rbb|24: Sie hatten am Mittwochabend - unmittelbar nach dem Titelgewinn - das Hallenmikro in der Hand. In der ausverkauften Sömmeringhalle haben Sie die Humba angestimmt. Was war das für ein Gefühl?
Henriette Höfermann: Es war einfach super befreiend. Die ganze Anspannung der letzten Wochen ist abgefallen. Dann genießt man so einen Moment mit einem freien Kopf.
2.400 Fans waren dabei und haben Sie und Ihr Team gepusht. Auch zuvor haben Sie in den Heimspielen viele Zuschauer von Sieg zu Sieg getragen. Die Sömmeringhalle hat sich zu einem ganz besonderen Ort entwickelt. Wie wichtig war diese Heim-Atmosphäre für den Triumph?
Sehr entscheidend. Wir waren am Ende jetzt auch froh, dass wir in Keltern das vierte Spiel verloren haben und so im fünften zu Hause mit den ganzen Fans feiern konnten. Das Publikum fühlt sich auf dem Spielfeld wirklich wie ein sechster Mann an. Das ist super wichtig für uns.
Wie lange ging die Party an anderem Ort noch weiter?
(lacht) Lang. Aber ich bin dann irgendwann gegangen. Ich glaube, einige sind wahrscheinlich jetzt erst auf dem Weg nach Hause (Das Interview wurde am Donnerstag um 11 Uhr geführt).
Meisterinnen im zweiten Jahr nach dem Aufstieg: Das ist die Geschichte eines steilen Aufstiegs. Sind Sie manchmal selbst ein bisschen ungläubig, wie schnell das ging?
Ja, auf jeden Fall. Ich rede auch manchmal mit Lena (Gohlisch, Anm. d. Red.) und Lucy (Reuß) darüber, die auch schon länger mit dabei sind. Wir blicken dann zurück und sehen, wo wir vor zwei Jahren standen, als das entscheidende Aufstiegsspiel war. Seitdem noch einmal so eine Entwicklung zu machen, ist schon schnell. Da muss man ab und zu ein bisschen reflektieren und einordnen.
Was sind die Gründe dafür, dass dieser Titel im Rekordtempo möglich war?
Wir profitieren vor allem von einem gewissen Konzept - auch was die Spielweise angeht. Diese Alba-Philosophie ist einfach im Verein verankert. Das wird versucht, seit mehreren Jahren im Team einzubringen. Das ist eine große Konstante, die dazu führt, dass das Team wichtiger ist als die Individuen. Dadurch wird diese Atmosphäre geschaffen. Und dann kommt am Ende eine deutsche Meisterschaft dabei herum (lacht).
Sie kamen 2017 zu Alba, mit damals 18 Jahren. Sie sind also den Weg nach oben - von einem halben Jahr in Norwegen mal abgesehen - komplett mitgegangen, haben ihn mitgestaltet. Wie stolz sind Sie im Rückblick darauf?
Das kann ich noch gar nicht so gut greifen. Vielleicht kann ich das in fünf oder zehn Jahren ein bisschen besser mit Abstand reflektieren. Wir haben große Sachen zusammen erlebt. Wir haben am Mittwoch auch wieder einige der vielen Leute in der Halle gesehen, die an diesem Prozess beteiligt waren. Ehemalige Teammates, die in der 1. Regionalliga oder 2. Bundesliga noch gespielt haben und die diesen Weg teilweise mitgegangen sind - und das ermöglicht haben.
Was zeichnet Alba Berlin spielerisch aus?
Es geht vor allem darum, wie wir die Sachen angehen. Dass zum Beispiel sehr viel Wert auf Verteidigung gelegt und daraus auch Energie für die Offense gewonnen wird. Wir versuchen generell schon, frei zu spielen. Aber es gibt klare Konzepte, gewisse Standards und Automatismen. Die sind relativ deutlich definiert. Dadurch ist die Absprache zwischen uns allen auf dem Spielfeld gut.
Womit wir beim Faktor Mannschaft wären.
Die steht im Vordergrund. Es war ja auch während der Saison zu sehen, dass komplett durchrotiert werden kann - und wir nicht von einer, zwei oder drei Personen abhängig sind. Die Breite macht uns stark. Es müssen nicht fünf Leute über 35, 40 Minuten gehen. Dadurch haben wir frische Beine, können 40 Minuten aggressive Verteidigung spielen und müssen uns nicht irgendwann hintenrein stellen, weil wir die Energie für den Angriff sparen müssen. Und die Verantwortung liegt so auch auf vielen Schultern.
Ihr Hauptverantwortungs-Bereich ist die Defensive, deren Bedeutung Sie betont haben - aber auch Ihre Mitspielerinnen regelmäßig während der Saison. Wie sehen Sie Ihre Rolle?
In der Verteidigung haben wir auch unterschiedliche Prinzipien, wie wir auf Situationen reagieren. Ich glaube, die habe ich ganz gut verinnerlicht. Darüber brauche ich nicht mehr viel nachdenken. Das ist inzwischen schon sehr intuitiv. Deswegen macht es einfach super viel Spaß, eine aggressive Verteidigung zu spielen und zu sehen, wie der Gegner zu kämpfen hat.
Keltern hat schon einige Titel abgeräumt. Für Sie alle - jede einzelne Spielerin im Team - war es der erste große Triumph in Deutschland. Was es auch ein Erfolg des unbedingten Willens?
Auf jeden Fall. Wir haben es erstmal das ganze Spiel über geschafft, auf Augenhöhe zu bleiben. Ende des dritten Viertels hätte es noch mal kippen können. Aber da war tatsächlich unser Wille spürbar, zu sagen: "Wir sind hier in Berlin, in der Sommeringhalle, und wir werden jetzt Deutscher Meister." Im vierten Viertel haben es dann alle gefühlt. Da war es wie so ein Flow-Zustand und es hat eigentlich alles geklappt.
Bei Keltern sind die meisten Spielerinnen Profis. Sie haben studiert und gerade Ihre Maschinenbau-Masterarbeit abgegeben, viele andere im Team haben auch ein Berufsleben neben dem Basketball. Die Professionalisierung schreitet aber voran. Sehen Sie sich künftig als Vollzeit-Basketballerin?
Ich denke, das wird der Sommer zeigen. Ganz konkrete Pläne gibt es nicht. Ich persönlich möchte nebenbei gerne etwas machen. Natürlich ist Basketball ein hoher Zeitaufwand. Aber es ist durchaus noch Zeit drumherum, die ich in andere Sachen investieren möchte. Das geht - glaube ich - einigen so. Vor allem auch in dem Wissen, dass man vielleicht aktuell Vollprofi sein könnte, aber es halt nicht für ein Leben nach der Karriere reicht. Es ist also nicht so klug, jetzt keine Erfahrungen zu machen und sich weiterzuentwickeln. Natürlich ist es eine hohe Belastung, aber für viele funktioniert der duale Weg gut und ist perspektivisch sinnvoll.
Abschließend muss die Frage nach dem Meistertitel in Jahr zwei natürlich lauten: Wohin kann und soll das führen - wird Alba ab jetzt den Basketball der Frauen in Deutschland unbremsbar dominieren?
Das würde ich mir wünschen. Aber natürlich steigen jetzt auch die Erwartungen. Im letzten Jahr konnten wir immer noch als Underdog in die Spiele gehen und anderen die Favoritenrolle zuschieben. Nun gehört die auch uns. Dann ist natürlich die Motivation bei den anderen Teams besonders groß, gegen den amtierenden deutschen Meister zu gewinnen. Deswegen sollte man nichts überstürzen und nicht das Ziel ausrufen, dass das jetzt der neue Standard werden muss.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Johannes Mohren, rbb Sport.
Sendung: Der Tag, 02.05.2024, 19:15 Uhr
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