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Quelle: IMAGO / Nordphoto

Interview mit Sportrechtler

Wer für die Polizeikosten bei Fußballspielen aufkommt

Fan-Betreuer, Sicherheitsdienst, Polizei - damit bei Fußballspielen alles geordnet abläuft, muss viel Geld in die Hand genommen werden. Sportrechtler Martin Nolte erklärt im Interview, wer welche Kosten übernimmt und wo es Streit gibt.

Wer muss den Einsatz von Polizeikräften bei Fußballspielen mit erhöhtem Sicherheitsrisiko bezahlen? Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Dort hatte die Deutsche Fußball Liga (DFL) Verfassungsbeschwerde eingereicht und sich somit gegen das Vorgehen Bremens gewehrt.

Das Bundesland stellt der DFL bereits seit 2014 einen Teil der Kosten für Polizeieinsätze rund um Fußballspiele in Rechnung. Bislang steht Bremen damit allein da, ein Urteil zugunsten des Bundeslands könnte das Vorgehen aber in ganz Deutschland etablieren.

Bremen argumentiert, dass nicht die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die Kosten von Risikospielen aufkommen sollen, mit denen die DFL Geld verdient. Die Deutsche Fußball Liga findet, dass die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung, insbesondere bei An- und Abreise der Besucher im öffentlichen Raum, der Polizei obliegt.

Sportrechtler Martin Nolte erklärt im Interview die Hintergründe.

rbb|24: Herr Nolte, fangen wir sehr allgemein an: Welche Partei zahlt rund um ein Fußballspiel im und außerhalb des Stadions für was?

Martin Nolte: Die Klubs zahlen für die Nutzung der Spielstätte Miete an den Stadionbetreiber. Diese Spielstätte muss wiederum bestimmten Anforderungen genügen muss. Die Klubs zahlen für alle Maßnahmen zur Durchsetzung des Hausrechts, insbesondere für den Sicherheitsdienst, der die Einlasskontrollen durchführt, für die Ordnung im Stadion sorgt - Kontrollen am Eingang der Blöcke, Schutz des Spielfelds vor Eindringlingen - oder auch die Stadionparkplätze bewacht.

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Und darüber hinaus?

Die Klubs zahlen darüber hinaus für einen Shuttle-Service zwischen Bahnhof und Stadion oder zwischen weiter entfernt liegenden Parkplätzen und dem Stadion, außerdem gegebenenfalls dafür, dass Stadionbesucher am Spieltag mit ihrer Eintrittskarte auch den öffentlichen Personennahverkehr für die Fahrt zum Stadion und zurück nutzen können. Außerdem zahlen die Vereine für den Einsatz nichtpolizeilicher Fan-Betreuer und "Fan-Ordner", die auch außerhalb des Stadions tätig werden. Letzteres geschieht zum Teil, im Rahmen der sogenannten Stadion-Allianzen, in direkter Absprache mit der Polizei.

Die Klubs erhalten im Gegenzug Einnahmen, insbesondere von den Stadionbesuchern, von Gewerbetreibenden im Stadionbereich, von Werbetreibenden und von der DFL.

Welche Kosten fallen nicht auf die Klubs ab?

Das jeweilige Land trägt die Kosten für den Einsatz der Polizei, der insbesondere außerhalb der "Hausrechts-Flächen" stattfindet, aber auch für den Polizeieinsatz im Stadion, falls das zum Beispiel bei Risikospielen erforderlich sein sollte. Das Land zahlt einen Teil der Kosten für den Einsatz auswärtiger Kräfte, also Bundespolizei und Polizeien anderer Länder, die für den Einsatz abgestellt werden.

Der Bund trägt die Kosten für die Bundespolizei, soweit sie in ihrem ursprünglichen Aufgabenbereich tätig wird, insbesondere auf Bahnhöfen. In der Regel die Kommunen tragen die Kosten für sonstige Ordnungsmaßnahmen und für die Abfallbeseitigung außerhalb der Hausrechts-Flächen des Stadions.

Wer kann für Sachbeschädigung seitens der Fans haftbar gemacht werden?

Wie immer: Haftbar ist der, der den Schaden verursacht hat, also der schädigende Fan selbst. Der Klub, der Stadionbetreiber, die DFL oder auch die Fangruppierung, der der Fan angehört, können zum Schadensersatz herangezogen werden.

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Welche Polizeikosten fallen rund um ein durchschnittliches Fußballspiel im Profi-Bereich an? Was sind die größten Kostenpunkte?

Bremen hat 2015 einen "Basiswert" von rund 75.000 Euro angegeben. Der Wert gibt den rechnerischen Durchschnitt der sogenannten Grün- und Gelbspiele der Spielzeiten 2011/12 bis 2013/14 an. Für ein Spiel der Saison 2017/18 wurde ein Basiswert von gut 124.000 Euro auf der Grundlage der Spielzeiten 2014/15 bis 2016/17 genannt. Die Risikospiel - "Rotspiele" im Polizeisprachgebrauch - sind dabei jeweils nicht enthalten.

Wie haben sich die Kosten in den letzten Jahren entwickelt? Sind sie angestiegen und wenn ja, warum?

Die Kosten sind – von den durch die Besonderheiten der Corona-Pandemie geprägten Spielzeiten abgesehen – gestiegen. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die von der Polizei erfassten Zahlen gewaltbereiter und gewaltsuchender Fans gestiegen ist. Ob diese Zahl real gestiegen oder nur die Erfassung genauer ist, lässt sich schwer beurteilen. Ebenso kann ich nicht beurteilen, ob der Steigerung der Polizeieinsatzkosten eine tatsächlich verschärfte Gefahrenlage oder ein verstärkter Wunsch nach mehr Polizeipräsenz zugrunde liegt.

Fan-Rechtler berichten nun schon seit Jahren von einer wachsenden Aufrüstung seitens der Polizei, die zur Drohkulisse und Eskalation beitrage. Gehen Sie diese Beobachtung mit und was, glauben Sie, könnte die Eskalationsspirale zwischen Fans und Polizei merklich zurückdrehen?

Sagen wir so: Ein wesentlicher Effekt der Stadion-Allianzen war tatsächlich ein Deeskalationseffekt. Wenn insbesondere Fans der Gastmannschaft nicht von einem durchaus martialisch wirkenden Polizeiaufgebot empfangen werden, sondern im Vordergrund von "zivilen" Fan-Betreuern, trägt das zu einer entspannteren Atmosphäre bei. In Baden-Württemberg, wo dies zuerst erprobt wurde, hat sich die Zahl der Einsatzstunden für die Polizei dadurch in kurzer Zeit erheblich vermindert.

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Wo hört für Sie das Thema "innere Sicherheit" auf und wo fängt die polizeiliche "Schikane" gegenüber Fußballfans für Sie an? Welche kostenverursachenden Mittel sind Ihrer Ansicht nach wirklich notwendig?

Den Begriff der Schikane halte ich für fehl am Platz. Von Schikane mag man sprechen, wenn Fans der Gastmannschaft auf polizeiliches Geheiß und polizeilich kontrolliert über einen längeren Zeitraum im Gästeblock verharren müssen, ohne dass dies durch eine konkrete Gefahrenlage begründet wäre. Das sind aber sehr seltene Fälle. Dennoch ist nicht alles erforderlich, was die Polizei rund um ein Fußballspiel unternimmt, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Insbesondere ist es fraglich, ob sich die Sicherheit wirklich erhöht, wenn das Polizeiaufgebot immer massiver ausfällt. Die Gewalt hat sich dadurch im Ergebnis ja nicht merklich vermindert. Und bisweilen ist ein massives Polizeiaufgebot selbst Reibungspunkt für gewaltgeneigte Personen, erzeugt also die Gewalt, die es gerade verhindern soll.

Der lange Streit zwischen dem Land Bremen und der DFL um die Polizeikosten bei Hochrisikospielen geht in Karlsruhe in die finale Phase. Das Bundesverfassungsgericht prüft, wer künftig die Polizeikosten für Hochrisikospiele übernehmen muss: Verein? Verband? Stadt? Wie stehen Sie zu der aktuellen Debatte? Welche Auswirkungen könnte ein Urteil pro Land Bremen haben?

Für mich gilt der Grundsatz: Außerhalb der Hausrechts-Flächen ist die Gefahrenabwehr Aufgabe des Staates, der dafür auch die Kosten zu tragen hat. Bei einem Polizeieinsatz auf den Hausrechts-Flächen, also innerhalb des Stadions, kann man über eine Kostenbeteiligung des Veranstalters nachdenken.

Wenn das Bundesverfassungsgericht im Sinne der Freien Hansestadt Bremen entscheiden sollte, würden sicher einige andere Länder nachziehen. Ob alle dem Weg folgen, ist aber fraglich, und dann stellt sich natürlich die Frage, ob man als Bundesland "seinen" Klubs eine zusätzliche Kostenbelastung aufbürden möchte oder auch sich selbst als Spielort z.B. für Spiele der EM oder WM oder auch für europäische Pokalfinals unattraktiv machen möchte.

Vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellte Marc Schwitzky aus der rbb-Sportredaktion.

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