Historie
In diesem Sommer ist Berlin mal wieder Schauplatz für den großen internationalen Fußball. Gut möglich, dass es im Rahmen der EM dann auch wieder historisch wird - es wäre nicht das erste Mal in der Fußball-Geschichte. Von Jonas Bürgener
Im August 1936 besucht Diktator Adolf Hitler sein erstes und wohl auch einziges Fußballspiel jemals in Berlin. Historikern zufolge war Hitler kein großer Fußballfan. Auch an diesem Tag wäre er demnach lieber zu einem Poloturnier oder anderen Wettkampf der im Sommer 1936 stattfindenden Olympischen Spiele gegangen. Seine Berater aber überzeugen ihn, sich bei der Volkssportart Fußball blicken zu lassen – insbesondere, weil Deutschland gegen das unterlegene Norwegen der sichere Sieger sei.
Hitler sitzt also mit 50.000 weiteren Zuschauern auf der Tribüne des Stadions in Berlin-Moabit und verfolgt das Zwischenrundenspiel des olympischen Turniers. Anders als von den Beratern vorausgesagt und völlig überraschend verliert Deutschland aber mit 0:2 gegen Norwegen. Hitler tobt auf der Tribüne und verlässt das Spiel vorzeitig. Viele Jahre (bis 2009) ist es die einzige Niederlage einer deutschen Mannschaft gegen Norwegen. Und der Historie zufolge war die Begegnung im Poststadion das einzige Fußballspiel, das Adolf Hitler jemals öffentlich besuchte.
Im März 1969 versammeln sich im Stadion der Weltjugend 52.000 Zuschauer zum WM-Qualifikationsspiel der DDR. Es ist eins von insgesamt 13 Länderspielen im mittlerweile abgerissenen Stadion in Berlin-Mitte und die erste Partie der ostdeutschen Auswahl gegen Italien. Die DDR geht zweimal durch Eberhard Vogel und Hans-Jürgen Kreische in Führung, doch Italien rettet durch einen Doppelpack des zur damaligen Zeit überragenden Luigi Riva ein glückliches Remis.
Das Rückspiel in Neapel gewinnt Italien einige Monate später deutlich und qualifiziert sich schließlich für die WM. In Mexiko schafft es die "Squadra Azzurra" bis ins Finale und scheitert erst dort gegen Brasilien. Die DDR hingegen verpasst die WM-Qualifikation und muss sich weitere vier Jahre bis zur Teilnahme gedulden.
1974 findet die Fußball-Weltmeisterschaft in der Bundesrepublik statt. 85.000 Menschen finden zum damaligen Zeitpunkt im Olympiastadion in West-Berlin Platz. Die deutsche Mannschaft bestreitet hier ihr Auftaktspiel gegen Chile und gewinnt knapp mit 1:0. Paul Breitner erzielt das einzige Tor des Tages für den späteren Weltmeister. Die Zuschauer sehen einen eher müden Kick, der ohnehin von politischen Protesten auf den Tribünen überschattet wird.
"Chile Si – Junta No!", heißt es dort auf Transparenten und in Gesängen. "Ja zu Chile – Nein zur Militärjunta." - ein klares Statement gegen General Pinochet, der sich wenige Monate zuvor gegen den sozialistischen Präsidenten Allende an die Macht geputscht hatte. Unter seiner Herrschaft sterben nach Angaben der chilenischen Wahrheitskommission mehr als dreitausend Menschen.
Torschütze Breitner bleibt das Spiel gegen Chile wegen der aufgeladenen Atmosphäre auf den Rängen sogar stärker in Erinnerung als das Duell gegen die DDR später im Turnier: "Also ich persönlich empfand das, was um das Spiel herum gemacht wurde in Berlin von irgendwelchen Aktivisten, von protestierenden Chilenen, politisch höher angesiedelt als unser Spiel in Hamburg gegen die DDR. Das Spiel wurde natürlich hochgehoben, hochgehalten – Bruderkampf etc.. Nur, es tat sich mehr um das Spiel herum gegen Chile, ja“, sagt Breitner vor einigen Jahren im Deutschlandfunk.
Deutschland ein Sommermärchen! Auch in Berlin ist im Juni und Juli 2006 das Fußball-Fieber ausgebrochen. Klinsi, Poldi, Schweini und Co. begeistern eine ganze Fußball-Nation. Bis ins Finale in Berlin schafft es die deutsche Mannschaft allerdings nicht. Der spätere Weltmeister Italien besiegt den Gastgeber im Halbfinale.
In einem dramatischen Endspiel setzen sich die Italiener spät im Elfmeterschießen gegen Frankreich durch. Das erlebt die tragische Figur des Abends schon nicht mehr: Der Außnahmetechniker und Weltklassespieler Zinedine Zidane sieht im letzten Spiel seiner Karriere nach einem Kopfstoß gegen Marco Materazzi in der Verlängerung die Rote Karte. Der italienische Verteidiger soll den Franzosen immer wieder wüst beleidigt haben und dieser lässt sich zur Tätlichkeit hinreißen. Zidane verpasst die weltmeisterliche Krönung zum Abschluss seiner außergewöhnlichen Laufbahn und Italien darf sich in Berlin über seinen bislang letzten Weltmeistertitel freuen.
Das kurioseste Spiel der jüngeren Geschichte in Berlin ereignet sich im Oktober 2012 im Olympiastadion. Deutschland empfängt im Rahmen der WM-Qualifikation die Schweden um Superstar Zlatan Ibrahimovic. Die deutsche Auswahl erwischt einen Traumstart: Ein Doppelpack von Miroslav Klose bringt die Gastgeber nach einer Viertelstunde mit 2:0 in Führung. Zur Halbzeit steht es 3:0 und spätestens als Mesut Özil gut zehn Minuten nach der Halbzeit das 4:0 erzielt, glauben alle, dass die Partie gelaufen ist.
Doch es folgt eine Aufholjagd der besonderen Art. Innerhalb von 15 Minute erzielt Schweden drei Tore, ist zurück in der Partie und Deutschland muss plötzlich wieder zittern. In der dritten Minute der Nachspielzeit ist es schließlich Rasmus Elm, der das Fußball-Wunder perfekt macht und für Schweden zum 4:4 trifft.
Beitrag von Jonas Bürgener
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